Schweiz
Blaulicht

Undercover-Ermittler kaufte Waffen bei Aargauer Mafiosi

waffen
Auch Waffen wurden offenbar nach Italien geschmuggelt.Bild: shutterstock/symbolbild

Undercover-Ermittler kaufte Waffen bei Aargauer Mafiosi

Nun werden weitere Details zur ausgehobenen Schweizer Mafiazelle bekannt. Sie schmuggelte für die kalabrische 'Ndrangheta auch Waffen.
24.07.2020, 06:41
Lucien Fluri, Henry Habegger / ch media
Mehr «Schweiz»

Auch im Tessin fuhr die Polizei am Dienstag frühmorgens vor: In einem Privathaus führte sie eine Razzia durch. Dort wohnt Fiore M., Familienvater, Gemeindeangestellter und Bruder – oder je nach Darstellung Cousin – von Carmelo M., der als wichtigster Mann des kalabrischen Anello-Fruci-Clans in der Schweiz gilt.

M. betrieb im Aargau ein Baugeschäft, an derselben Adresse, an dem sich auch die Pizzeria von Marco G. befindet. Der Ferrari-fahrende Wirt gehört ebenfalls zu den Verdächtigen. M. und G. gelten gar als wichtige Vertrauensleute des Clans in der Schweiz. Sie sollen Gelder krimineller Herkunft investiert und verwaltet haben.

Nun zeigen Medienberichte aus dem Tessin: Der Waffenschmuggel nach Italien spielt eine nicht unbedeutende Rolle im Fall. So zitiert der Corriere del Ticino aus den rund 3300 Seiten Akten der italienischen Ermittler, die zu den 75 Verhafteten aus dem Anello-Fruci-Clan vorliegen. Über 900 mal finden sich die Namen von Fiore und Carmelo M.

Wegen verdecktem Ermittler aufgeflogen

Aufgeflogen ist die Waffenschieberei durch einen verdeckten Ermittler der Polizei. Er kaufte demnach Waffen bei Carmelo M. Einerseits ging es um ein Sturmgewehr, das der Italiener aus dem Ort Filadelfia für 2000 Franken zum Kauf angeboten haben soll. Treffpunkt für die Übergabe: Ein Restaurantparkplatz.

Gemäss italienischen Ermittlungsberichten war es ein Sturmgewehr der Schweizer Armee, das laut späteren Abklärungen der Schweizer Bundespolizei im Jahr 2015 mit sechs anderen Gewehren aus einem Berner Schiessstand geklaut worden war. Für 800 Franken soll der Undercover-Ermittler auch einen Revolver angeboten erhalten haben, der sich später als Schreckschusspistole entpuppte.

Dass der Waffenschmuggel an die 'Ndrangheta ein Problem ist, ist seit Jahren bekannt. Das Fedpol machte schon 2012 in seinem Jahresbericht darauf aufmerksam. Einer der wichtigsten italienischen Ermittler in diesem Fall betonte am Dienstag vor den Medien ebenfalls die Rolle der Schweiz bei der Versorgung der 'Ndrangheta mit Waffen: Aus der Schweiz kämen Waffen nach Italien, die dann dort für Morde verwendet würden, sagte er.

Gewehre, Kalaschnikows, Pistolen

Die italienischen Ermittler beschlagnahmten am Dienstag denn auch ein wahres Waffenarsenal: Sie stiessen auf Gewehre, Kalaschnikows und Pistolen verschiedener Kaliber und Munition, zu deren Herkunft es allerdings keine Angaben gibt.

«Wo die Mafia tätig ist, dort findet auch illegaler Waffenhandel und -Schmuggel statt», hält das Bundesamt für Polizei (Fedpol) fest. «Auch innerhalb der Strukturen der 'Ndrangheta werden Waffen aus der Schweiz in Italien eingeführt, dies oft im Gegentausch für Betäubungsmittel.»

Die Schweiz hat ein sehr liberales Waffenrecht. Jährlich werden freiwillig Hunderte bis Tausende Waffen bei der Polizei abgegeben, die zuvor unter einem liberaleren Waffenrecht nicht registriert waren; beispielsweise aus Erbschaften. Einige landen anderswo. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Mafiosi-Treffen in Frauenfeld gefilmt
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
20 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
*Diesisteinzensurportal*
24.07.2020 07:23registriert Oktober 2018
Unter dem Schweizer Waffenrecht ist für jede Waffe eine Bewilligung erforderlich. Jede Waffe wird mit Seriennummer und Namen bei der Polizei registriert. Diese Mafia-Waffen sind entweder allesamt gestohlen worden oder kamen via Ausland in die Schweiz. Kein Mensch, erst recht nicht wenn er unerkannt bleiben möchte, verkauft seine auf seinem Namen registrierte Waffe auf dem Schwarzmarkt ohne Bewilligung. Das hat also rein gar nichts mit dem "liberalen Schweizer Waffenrecht" zu tun.
21238
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kong
24.07.2020 07:52registriert Juli 2017
Das liberale CH Recht basiert seit 1990 auf immer strengeren Gesetzen mit Nachverfolgbarkeit. Gestohlene Gewehre aus einem Schützenhaus sind für mich noch keine Erklärung für einen florierenden Handel in Verbindung mit Mafiamorden. Vielleicht müsste man hinterfragen wieviel (viel leichter) erhältliches Material aus dem Osten via Grenze/Transit seinen Weg via CH nach Ita findet. Das fände ich interessante Ergänzung.
13320
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hangover
24.07.2020 08:22registriert März 2020
Jetzt läuft es nicht mehr so glatt, nicht wahr Marco G...i?

Gerade in Deutschland werden z.B. Immobilien gekauft und andere Kaufinteressenten abgedrängt. So läuft es auch in der Schweiz.

Die Schweiz ist zu naiv unterwegs = eine Lachnnummer.
4814
Melden
Zum Kommentar
20
Bundesgericht kippt Entscheid des Schaffhauser Kantonsrats

Niederlage für die bürgerliche Mehrheit im Schaffhauser Kantonsrat: Das Bundesgericht hat einen Parlamentsbeschluss zur Transparenz in der Politikfinanzierung aufgehoben, weil er die Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verletzt.

Zur Story