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WM 2018

Die Tops und Flops der WM 2018 in Russland

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Nicht nur Behrami – über Nemyar lacht die ganze Welt.Bild: EPA/KEYSTONE

Das sind die Tops und Flops der WM

16.07.2018, 14:3416.07.2018, 16:55
Philipp Reich
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Tops

Der neue Pelé

Man muss es sich immer wieder vor Augen führen: Der Junge ist erst 19 Jahre alt. Trotzdem war Kylian Mbappé ein Dreh- und Angelpunkt im französischen Spiel. Der Stürmer überzeugte mit seiner Geschwindigkeit, seiner Technik und einem unglaublichen Torriecher. Gegen Argentinien wurde er zweitjüngster Doppeltorschütze an einer WM, gegen Kroatien zweitjüngster Finaltorschütze.

Nur Pelé war noch frühreifer. Der Brasilianer gilt als bester Fussballer des 20. Jahrhunderts. Das 21. Jahrhundert dagegen könnte das von Kylian Mbappé werden. Pelé droht im Fall der Fälle schon mal mit einem Comeback …

VAR

Gross waren die Befürchtungen bei Fans, Spielern und Funktionären: Wie würde der Videobeweis auf der grossen WM-Bühne wohl ankommen? Bilder von wütenden Spielern, enttäuschten Fans und überforderten Schiedsrichtern wurden gezeichnet. Doch der Videobeweis bestand seine erste echte Feuerprobe ziemlich souverän.

Das Prozedere ist schnell und transparent, die Spiele wurden merklich fairer. Das heisst aber nicht, dass Fehlentscheidungen komplett verhindert werden können. Knifflige Hand- und Foulspiele bleiben ein Balanceakt. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Der VAR darf nicht als oberste Schiedsrichter-Instanz angesehen werden, sondern als Rettungsschirm für den Unparteiischen auf dem Platz. 

Da sitzen sie in voller Montur: Die Video-Schiedsrichter bei der Arbeit.
Da sitzen sie in voller Montur: Die Video-Schiedsrichter bei der Arbeit.bild: ard

Kroatiens Leidenschaft

Was für ein Wille, was für eine Leidenschaft! Dreimal lag Kroatien in der K.o.-Runde 0:1 zurück, dreimal kämpfte es sich zurück. Zweimal gewannen die «Vatreni» («Feurigen») im Penaltyschiessen, einmal nach Verlängerung. Erst im Final gegen Frankreich gingen den unermüdlichen Kämpfern die Kräfte aus. 2:4 hiess das Verdikt nach spektakulären 90 Minuten, in denen Kroatien mehr vom Spiel und die besseren Chancen hatte.

Das Erfolgsgeheimnis von Modric, Rakitic und Co.: Nie aufgeben. «Weiter, immer weiter», würde Oliver Kahn sagen. Mit dieser Einstellung übertrafen sie die für immer als unerreichbar angesehenen Halbfinalisten von 1998. Nur wenig fehlte zum ganz grossen Coup: Den Final verloren, aber die Herzen der Fans auf der ganzen Welt gewonnen.

Englands Euphorie

«Football's coming home!» Es begann mit einer leisen Hoffnung. Der Fussball möge nach 52 Jahren doch endlich wieder nach Hause kommen. Ins Mutterland des Fussballs, nach England. Eine Enttäuschung nach der anderen steckten die Fans der «Three Lions» über die Jahre weg – und jetzt? Jetzt könnte es endlich soweit sein. England sah sich bereit für den ersten WM-Titel seit 1966.

Die Fans peitschten ihr Team an, sangen «Three Lions on a shirt» und natürlich «God save the Queen». So laut, dass die russischen Stadien erzitterten. Doch es nützte alles nichts, England scheiterte im Halbfinal. Aber die Hoffnung ist zurück. Dass es in vier Jahren endlich klappen wird mit dem ganz grossen Coup. «52 years of hurt» und sie träumen noch immer. Bewundernswert!

«Football's coming home» – in der Variante 2018.Video: streamable

Standard-Tore

WM-Learning Nummer 1: Tore aus dem Spiel heraus zu erzielen, wird immer schwieriger. Selbst die vermeintlich «Kleinen» können die «Grossen» dank kompakter Defensive und solidarischem Einsatz ziemlich gut in Schach halten. 

Der beste Weg, um trotzdem zu Toren zu kommen? Standards! 73 von 169 Toren (43 Prozent) fielen nach ruhenden Bällen. Die Teams wussten um die Wichtigkeit von Freistössen, Eckbällen und Penaltys und zeigten sich erfinderisch. Besonders geglückte Freistoss-Varianten: Englands 4:0 gegen Panama und Kroatiens 1:1-Ausgleich im WM-Final gegen Frankreich.

John Stones erzielt Englands 4:0 gegen Panama.Video: streamable
Ivan Perisic gleicht im WM-Final zum 1:1 aus.Video: streamable

Keine Schlägereien

Eine der grössten Sorgen vor der WM war, dass Hooligan-Schlägereien das sportliche Geschehen überschatten könnten. Aber Fehlanzeige! In Russland blieb es weitestgehend ruhig. Im Gegensatz zur EM vor zwei Jahren: Damals hatten Hooligans in Marseille ein regelrechtes Inferno entfacht.

Die Ruhe ist vor allem einer Kehrtwende der russischen Regierung zu verdanken. War man vor zwei Jahren mit den eigenen Hooligans noch wenig restriktiv, hat sich dies komplett gewandelt. Der russische Geheimdienst soll die bekanntesten Schläger massiv eingeschüchtert haben. Hunderte Gewaltbereite wurden vor der WM gemäss britischen Medien ausserdem verhaftet, ihnen drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.

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Russische und englische Fans gehen im Stadion aufeinander los – Bilder wie 2016 in Marseille gab es in Russland nicht. Bild: AP

Putzteufel auf den Rängen

Sie fieberten mit, sie jubelten, sie tanzten – und sie putzten. Die Fans von Senegal und Japan verhielten sich in Russland mehr als vorbildlich und räumten nach Spielschluss ihren Müll gleich selbst weg. Mit Abfallsäcken ausgestattet, sammelten sie Trinkbecher, Kartons und Plastik ein und verliessen ihren Sektor in blitzblankem Zustand.

Dem Beispiel ihrer Fans folgten die japanischen Fussballer nach dem dramatischen Achtelfinal-Aus gegen Belgien. Trotz der Enttäuschung hinterliessen sie die Garderobe blitzsauber und mit einer Grusskarte an den Gastgeber. Bitte an alle Schweizer: Übernehmen! In Stadien, an Seen, in den Bergen und Städten. Einfach überall …

Batshuayis Selbstironie

Eigentlich ein Flop. Nach Belgiens 1:0 im Gruppenspiel gegen England schnappt sich Michy Batshuayi den Ball und will ihn noch einmal ins Netz dreschen. Doch der Stürmer trifft den Pfosten und von dort knallt ihm der Ball voll ins Gesicht. Doch Batshuayi nimmt's mit Humor und erobert mit seinen Tweets zum Fauxpas die Herzen der Fans.

Der Headshot von Batshuayi.Video: streamable

Flops

Titelverteidiger Deutschland

Überheblich und überfordert – der Weltmeister scheidet in Russland schon in der Gruppenphase aus. Mit sturem Ballbesitzfussball, aber ohne den letzten Einsatzwillen versuchte die DFB-Elf ihren Titel zu verteidigen. Und scheiterte kläglich, wieder einmal hat es den Weltmeister in der Gruppenphase erwischt.

Im Spiel der letzten Achtelfinal-Chance gegen Südkorea war kein Feuer, keine Leidenschaft zu sehen. Stattdessen flüchtete man sich in Scheindebatten um ein Präsidenten-Foto, die neue Spielergeneration, die WM-Unterkunft und die Selbstherrlichkeit der Spieler. Für das WM-Fazit genügte ein Hashtag: #zsmmnbrch statt #zsmmn hiess es in den sozialen Medien.

Germany's Toni Kroos bows on the field as South Korea players gather together at the end of the group F match between South Korea and Germany, at the 2018 soccer World Cup in the Kazan Arena in K ...
Südkorea jubelt gemeinsam, Toni Kroos trauert allein.Bild: Ap

Der sterbende Schwan

Brasiliens Superstar Neymar fiel trotz zwei Toren und zwei Assists zu selten durch spielerische Glanzpunkte auf. In Erinnerung wird vor allem seine übertriebene Schauspieleinlagen bleiben – Insgesamt 15 Minuten lang wälzte er sich in den ersten vier Spielen am Boden. Der 222-Millionen-Euro-Mann war nach Eden Hazard (ein Spiel mehr bestritten) zwar der am zweithäufigsten gefoulte Spieler in Russland, doch seine oftmals peinliche Theatralik stand in keinem Verhältnis zur Schwere der Fouls. Überall auf der Welt wird Neymar nun für lächerliches Gehabe belächelt, statt für seine Fussball-Künste bewundert zu werden. Sein Name ist zum Schimpfwort mutiert.

Der Höhepunkt der Peinlichkeit: Wälzen und winden gegen Mexiko.Video: streamable

SFV in der Doppelader-Affäre

Der Doppeladler-Jubel von Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri beim 2:1-Sieg gegen Serbien war eigentlich schon unsäglich genug. Wie sich die Verbandsspitze in der anschliessenden Polemik darüber aber Verhalten hatte, war alles andere als geschickt. Erst versuchte man, den Fall auszusitzen: «Bloss nicht darüber reden», lautete die Devise. Die beiden Torschützen wurden in den Tagen danach von den Mikrofonen fern gehalten, äusserten sich aber gleichzeitig auf Social Media, um ihre Einträge wenig später wieder zu löschen.

Die Debatte eskalierte nochmals, als Generalsekretär Alex Miescher in einem Interview eingestand, doppelte Staatsbürgerschaften würden Probleme verursachen. Die Politik müsse sich fragen, ob sie Doppelbürger noch tolerieren wolle. Das erregte das Land zum zweiten Mal innert kurzer Zeit – der SFV musste sich entschuldigen, doch der Schaden war bereits angerichtet. Zurück bleibt eine Verbandsspitze, die den Eindruck hinterlässt, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein.

Switzerland's midfielder Granit Xhaka, celebrates after scoring a goal during the FIFA World Cup 2018 group E preliminary round soccer match between Switzerland and Serbia at the Arena Baltika St ...
Mit dem Doppeladler-Jubel von Xhaka hat alles angefangen.Bild: KEYSTONE

Schiri-Experte des SRF

Das SRF tätigte mit seinem Experten einige Glücksgriffe. Peter Knäbel, Lutz Pfannenstiel, Martin Schmidt, Alex Frei, Beni Huggel, Moritz Bauer, Mladen Petric – sie alle sorgten in den Diskussionen im Studio für einen deutlichen Mehrwert für den Zuschauer. Daneben griff das Schweizer Fernsehen aber beim Schiri-Experten Sascha Amhof. Der ehemalige Super-League-Ref hatte die Aufgabe, knifflige Entscheide seiner Berufskollegen zu beurteilen und zu kommentieren. Amhof erwies sich zwar als kompetent und redefreudig, stellte sich aber zu oft hinter die Entscheide der Schiedsrichter.

Grotesk wurde es im WM-Final, als er das Handspiel von Ivan Perisic zunächst als nicht penaltywürdig taxierte, seine Meinung wenig später aber änderte, weil Schiedsrichter Nestor Pitana auf Elfmeter entschied. Etwas mehr Selbstbewusstsein und vielleicht ein paar knackige Sprüche à la Dr. Markus Merk (Sky-Experte in der Bundesliga) hätten Amhof sicher gut getan.

Sascha Amhof im SRF-Studio.
Sascha Amhof im SRF-Studio.bild: srf

Maradonas Tribünen-Show

Diego Armando Maradona war einst der beste Fussballer dieses Planeten. Mittlerweile ist der Argentinier, der sein Team 1986 fast im Alleingang zum Titel führte, zur Witzfigur verkommen. Die Art und Weise, wie er sich in Russland präsentierte, war schlicht peinlich. Er paffte fleissig trotz Rauchverbot, schlief auf seinem Sitz ein, liess die Mittelfinger sprechen und gab sich nach eigener Aussage derart dem Weisswein hin, dass er es nicht mehr ohne Hilfe aus der VIP-Box schaffte und medizinisch behandelt werden musste. Einfach nur noch tragisch …

Anstoss-Trick, der keiner war

Eine Regel, die es nicht gibt, sorgte für die wohl skurrilsten Szenen der WM. Angefangen hat alles mit den Australiern und Portugiesen, bei denen ein Teamkollege nicht mit dem Rest der Mannschaft jubeln durfte, weil ein Spieler ja immer auf dem Platz stehen müsse. Was sonst passiert, demonstrierten uns die Panamaer im Spiel gegen England. Weil alle Engländer ausserhalb des Feldes jubelten, führten sie den Anstoss schnell aus.

Das war nicht nur unfair, sondern entsprach auch nicht den Regeln. Die Schiedsrichter hatten aber alles im Griff und unterbanden die Situation. Auch im Spiel um Rang 3, als die Engländer – sie hätten ja eigentlich wissen müssen, dass der Trick nicht funktioniert – es noch einmal gegen Belgien versuchten.

Geheimfavoriten aus Afrika

Senegal, Nigeria, Ägypten – sie alle wurden vor der WM in fast allen Prognosen als Geheimfavoriten bezeichnet. Alle vier Jahre wird der endgültige Durchbruch der Teams vom schwarzen Kontinent auf der grossen Bühne des Weltfussballs prophezeit. Mit mindestens einem Team im Viertel- oder Halbfinal, wenn nicht noch besser. Zum ersten Mal seit 1982 schaffte es jedoch kein Team aus Afrika in die K.o.-Runde. Senegal und Nigeria deuteten ihr Potenzial zwar an, ausschöpfen konnten sie es aber wieder einmal nicht. 

A supporter of Senegal reacts after the group H match between Senegal and Colombia, at the 2018 soccer World Cup in the Samara Arena in Samara, Russia, Thursday, June 28, 2018. Colombia won 1-0 and ad ...
Am Ende blieben nur enttäuschte Gesichter.Bild: AP

One-Man-Teams

Portugal mit Cristiano Ronaldo. Argentinien mit Lionel Messi. Ägypten mit Mohamed Salah. Polen mit Robert Lewandowski. Teams, die ihr Spiel komplett auf einen einzigen Superstar ausgerichtet hatten, waren an der WM chancenlos. Dafür waren sie zu ausrechenbar, dafür kannten die Mitspieler die Lauf- und Passwege ihres Anführers zu wenig.

Natürlich hatten auch andere Mannschaften ihre Topspieler, aber die glänzten vor allem dann, wenn sie sich für das Team zurücknahmen. Edinson Cavani und Luis Suarez etwa harmonierten für Uruguay prächtig, auch die belgischen Ausnahmekönner fügten sich nahtlos ins Team ein und sogar der oft eigenwillige Paul Pogba liess ich ins starke, französische Kollektiv integrieren.

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Für Ronaldo und Messi war bereits im Achtelfinale Schluss.Bild: EPA

Die besten Bilder der Fussball-WM 2018 in Russland

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Die besten Bilder der Fussball-WM 2018 in Russland
Überglücklich im strömenden Regen: Der frischgebackene Weltmeister feiert mit dem Pokal.
quelle: epa/epa / facundo arrizabalaga
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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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c-bra
16.07.2018 14:36registriert April 2016
Das Bild zu Beginn des Artikels mit den lachenden Schweizern soll im FIFA Museum einen Ehrenplatz erhalten. Für mich das Bild der WM! Grande Behrami
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BigMic
16.07.2018 16:14registriert Januar 2014
Der SRF Schiri war wirklich oberpeinlich und kaum zu ertragen. Ja niemandem auf den Schlipps treten wollen und null eigene Meinung. Warme Luft und sonst nix...
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Ulmo Ocin
16.07.2018 15:06registriert September 2017
Das beste an Englands "Anstoss-Trick" gegen Belgien war: Hätte es diese Regel tatsächlich gegeben, wäre es beim Anstoss noch Abseits gewesen xD
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