Das Drama ereignete sich am 4. Juli 2014. Mehr als 30 syrische Flüchtlinge wollten im Nachtzug von Mailand nach Paris reisen. Die französische Grenzpolizei stoppte die Gruppe und übergab sie dem Schweizer Grenzwachtkorps. Darunter war auch eine im siebten Monat schwangere Frau, die über Bauchschmerzen klagte. Ein Schweizer Grenzwächter verweigerte ihr die Hilfe und schaffte sie, ihre Familie und andere Flüchtlinge nach Italien aus.
Im Spital von in Domodossola erlitt die damals 22-jährige Frau eine Totgeburt. Ein Militärgericht verurteilte den Grenzwächter im November 2018 wegen einfacher und fahrlässiger Körperverletzung sowie Nichtbefolgung von Dienstvorschriften zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 150 Franken.
Strafrechtlich ist der Fall abgeschlossen. Auf zivilrechtlicher Ebene ist ein Gesuch der Familie um Schadenersatz und Genugtuung hängig. In diesem Verfahren hat sie einen Teilerfolg errungen, wie ein am Dienstag publiziertes Urteil des Bundesgerichts zeigt: Die öffentliche Hand muss die Kosten für das Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren übernehmen.
Das Bundesgericht kippte damit eine Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hatte dem arbeitslosen Vater die unentgeltliche Rechtspflege nicht gewähren wollen. Wer kein Geld zum Prozessieren hat, erhält unentgeltliche Rechtspflege – sofern das Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
Im Januar berichtete das Schweizer Radio und Fernsehen, dass die Schweiz der Familie keine Entschädigung für das erlittene Leid ausrichten wolle. Das Finanzdepartement vertrat die Ansicht, der Grenzwächter könne nicht für den Tod des Babys verantwortlich gemacht werden – trotz der Verurteilung wegen Körperverletzung.
Aus dem Bundesgerichtsurteil geht nun hervor, wie viel Entschädigung die syrische Familie fordert. Für die Mutter sind es 65'000, für den Vater 55'000, für einen Sohn 15'000 und für zwei weitere Söhne 12'000 Franken. Zudem steht eine Schadenersatzforderung von knapp 136'500 Franken im Raum. Die syrische Familie verklagt die Schweiz auf eine Summe von knapp 300'000 Franken. Die Familie lebt in Deutschland. (aargauerzeitung.ch)