Die Taliban wollen nach Angaben der Vereinten Nationen von der UNO anerkannt werden. Dazu sendete das Aussenministerium des «Islamischen Emirats von Afghanistan» – also die Taliban – einen Brief an das UN-Hauptquartier in New York. Das UN-Sekretariat leitete das Schreiben an den zuständigen Beglaubigungsausschuss zur Prüfung weiter.
Nach der Machtübernahme in Afghanistan wollen die militant-islamistischen Taliban das Land auch offiziell auf der UN-Bühne vertreten. Im Brief an UN-Generalsekretär António Guterres adressiert Taliban-Aussenminister Amir Chan Motaki zwei Punkte:
1. Die Taliban erbitten das Recht, dass ihr Aussenminister bei der laufenden 76. Generaldebatte vor der UN-Vollversammlung sprechen dürfe.
2. Die Taliban wollen den bisherigen afghanischen UN-Vertreter Ghulam Isaczai durch ihren eigenen Sprecher Suhail Schahin ersetzen.
In dem Brief argumentieren die Taliban mit den faktischen Machtverhältnissen: «Mohammad Ashraf Ghani wurde abgesetzt und (Länder auf der ganzen Welt) erkennen ihn nicht mehr als Präsidenten an», heisst es darin.
Tatsächlich sind die Islamisten nach ihrem fulminanten Siegeszug angesichts des desaströsen Truppenabzugs der Nato-Staaten de facto die Herrscher des Landes. Deutschland, die USA und andere Länder sehen die Taliban nach dem Kollaps der afghanischen Armee und der Flucht von Präsident Ghani als Ansprechpartner und Machthaber. Sie erkennen sie aber nicht als legitime Regierung an.
Der zuständige Beglaubigungsausschuss besteht aus Vertretern von neun Mitgliedsländern: den USA, Russland, China, Schweden, Namibia, den Bahamas, Bhutan, Sierra Leone und Chile.
Laut UN-Sprecher Farhan Haq habe dieser Beglaubigungsausschuss die Entscheidungsgewalt darüber, welche Vertreter und damit auch welche Führungen von Staaten bei den Vereinten Nationen anerkannt werden.
UNO: Für die Staatengemeinschaft kann es durchaus Vorteile haben, direkte Ansprechpartner unter Autokratien bei der Welt-Organisation zu haben. So hat zum Beispiel auch Nordkorea eine Vertretung in New York.
Taliban: Für die Taliban wäre eine eigene Repräsentation bei den Vereinten Nationen nicht nur ein grosser Schritt in Richtung internationaler Anerkennung, sondern könnte auch den Zugang zu internationalen Hilfsleistungen für das Land ebnen.
Tatsächlich gab es in der Geschichte der Vereinten Nationen bereits Fälle, bei denen UN-Vertreter nicht mit den herrschenden Machthabern ihres Landes verbunden waren:
1. So kontrollierten die Taliban Kabul bereits seit Mitte der 1990er Jahre bis 2001 – bei den UN wurde Afghanistan währenddessen aber weiter vom Botschafter der Vorgängerregierung vertreten, weil die Staatengemeinde die Taliban nicht anerkannte und dies bis heute nicht getan hat.
2. Aktuell gibt es den Fall, dass der Vertreter von Myanmar, Kyaw Moe Tun, seine Arbeit vor dem Putsch in seinem Heimatland im Frühjahr begann. Nach seinen markigen Verurteilungen des Militärs versuchte ihn die Regierung zu ersetzen. Bislang erfolglos, denn der Beglaubigungsausschuss widersetzte sich.
Es ist fraglich, ob Taliban-Aussenminister Amir Chan Motaki tatsächlich in den nächsten Tagen vor der Vollversammlung auftritt: Laut UN-Sprecher Haq hat der Beglaubigungsausschuss bislang kein Treffen anberaumt. Geplant ist weiterhin, dass der bisherige Botschafter Isaczai am Montag seine Rede für Afghanistan hält.
(yam/sda/dpa)