Einsam und verlassen steht die S-Bahn auf einem Abstellgleis irgendwo in Hamburg. Zwei Männer trotten auf den Zug zu: Sie tragen orangefarbene Westen mit einem Enblem der Deutschen Bahn. Sie haben mit dem Konzern allerdings nichts am Hut. Im Gegenteil: Nach Lesart der Behörden führen sie nichts Gutes im Schilde.
Das Ergebnis der Aktion sorgte im Frühling 2015 für Schlagzeilen: Fotos von verdutzten Hamburgern machten die Runde, die hinter der Tür des eingefahrenen Zuges eine Mauer vorfinden. Während die Norddeutschen gelassen mit dem Hindernis umgegangen sind, hat die Polizei Ende April umgehend Ermittlungen aufgenommen, um diejenigen ausfindig zu machen, die dort die Kelle geschwungen haben.
Nun bekommen die Wachtmeister unerwartete Schützenhilfe: Die «Täter» selbst haben ein Video von ihrem Vergehen gedreht, das nun auf YouTube zu sehen ist. Völlig ungehindert entern sie den parkierte Zug, mischen Mörtel an, sägen in aller Ruhe Steine zurecht und versperren den Eingang. Nach getaner Arbeit filmen sie freudig die Reaktionen der Passanten auf ihr kleines Kunstwerk.
Dank des Clips steht nun fest: Das Sprayer-Kollektiv «Moses & Taps» steckt hinter dem Mauerbau. Die deutsche Polizei hat Blut geleckt: «Dieses Video hat für uns eine Qualität, die unsere Ermittlungen wesentlich voranbringt», meinte Bundespolizei-Sprecher Rüdiger Carstens im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Behörden ermitteln demnach nicht nur wegen Sachbeschädigung, sondern auch wegen «Störung öffentlicher Betriebe», weil die Bahn zwölf Stunden nicht genutzt werden konnte.
Mehrere Zehntausend Euro habe die Bahn für den Fall der Mauer bezahlen müssen, heisst es weiter. Bis zu fünf Jahre Haft könnten auf die Verursacher zukommen, falls die Bundespolizei einen der Männer im dem Clip erkennen kann. Andererseits stecken hinter «Moses & Taps» nicht immer dieselben Personen: Hieb- und stichfeste Beweise zu finden, dürfte für die Behörden nicht so einfach werden, wie sie den Medien vermitteln wollen.
Bleibt die Frage: Versprüht das Bauwerk der Graffiti-Gauner nicht auch einen Hauch von Kunst? Hierzulande wären die Leute hinter «Moses & Taps» womöglich von der Marketingabteilung einer städtischen Toursimusbehörde gebucht und bezahlt worden. Vielleicht hätte es gar eine scherzhafte Anleihe an den alten DDR-Urmel Walter Ullbricht gegeben: «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.» Stoff genug für Diskussionen im Kommentarfeld – und eine Umfrage: Was denkt Ihr darüber?
(phi)