Während Jahren war die Praxis unbestritten: Leute mit einer abgeschlossenen Berufslehre konnten via Aufnahmeprüfung die Zulassung für ein Studium an einer Fachhochschule erhalten – auch ohne Berufsmaturitätszeugnis in der Tasche.
Ein (harmloses) Postulat der Thurgauer CVP-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller setzte dieser Praxis ein Ende. Sie hatte vom Bundesrat einen Bericht über die Zulassungspraxis der Fachhochschulen verlangt. Hintergrund war die Befürchtung, dass Gymnasiasten zu einfach an die Fachhochschulen zugelassen werden. Der Bundesrat zerstreute mit seinem Bericht diese Sorge.
Doch gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass einige Fachhochschulen quasi eine Ersatzprüfung für die Berufsmaturität anboten. Der Bundesrat erachtete dies als nicht gesetzeskonform. Aufnahmeprüfungen sind demnach Studienanwärtern aus dem Ausland vorenthalten.
So wurde die Verwaltung aktiv. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) untersagte im Dezember 2011 die Zulassungsprüfung für Studieninteressierte mit einem Eidg. Fähigkeitszeugnis.
Für Jürg Christener, Direktor der Hochschule für Technik an der Fachhochschule Nordwestschweiz, ein Affront. Wer ernsthaft von MINT-Förderung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) spreche, könne doch nicht aus formellen Gründen gut qualifizierte Leute vom Studium abhalten.
Die FHNW und die Hochschule Luzern machten erfolgreich Druck. Das SBFI ist nun auf seinen Entscheid zurückgekommen. Zulassungsprüfungen sind ab diesem Sommer wieder erlaubt – unter gewissen Bedingungen. So gilt die Ausnahmeregelung nur für klar definierte Studienrichtungen im MINT-Bereich und für Personen ab 25 Jahren. Zudem ist die Massnahme befristet auf drei Startjahrgänge. Begründet wird sie mit dem Fachkräftemangel.
Nicht bei allen Fachhochschulen stösst der Entscheid des Bundes auf Begeisterung. Die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) etwa verzichtet auf die Wiedereinführung der Aufnahmeprüfung, weil man den Zugang über die Berufsmaturität stärken wolle.
Mit dem gleichen Argument verteidigte Bundesrat Johann Schneider-Ammann das Verbot noch vor zwei Jahren: «Damit wird die Berufsmaturität gestärkt und im Ergebnis auch die Qualität und Attraktivität der Ingenieurausbildung», sagte er in der Fragestunde des Nationalrates.
Christener indes betont, dass man mit den Aufnahmeprüfungen nicht die Berufsmaturität konkurrenzieren wolle: «Die Stärkung der Durchlässigkeit des Bildungssystems ist ebenfalls wichtig.»
Vor allem aber bleibt der Weg über die Zulassungsprüfung eine Ausnahme. An der Hochschule Luzern sind es jährlich rund 20 Studenten, die nach einer Prüfung das Bachelor-Studium beginnen, an der FHNW sind es wenige mehr. Denn der Weg ist anspruchsvoll. Das Niveau der Prüfung entspricht demjenigen der Berufsmaturität. Der einzige Unterschied besteht darin, dass das Französisch nicht geprüft wird. Doch diese Hürde haben auch Leute mit der deutschen Fachhochschulreife nicht zu nehmen.
Der Bund hat die Möglichkeit zur Zulassungsprüfung auf drei Jahrgänge befristet. Christener begrüsst die Befristung als Kompromissformel, doch er macht keinen Hehl daraus, dass er sie für wenig sinnvoll hält: «Der Fachkräftemangel wird sich in drei Jahren nicht in Luft aufgelöst haben.»
Ähnlich tönt es bei der Hochschule Luzern. Dort geht man davon aus, dass die Befristung mit dem Reporting zu tun hat. Das SBFI will die Massnahme 2017 evaluieren. Gut möglich also, dass es danach weitergeht. Denn die Erfahrung der FHNW und der Hochschule Luzern mit Studenten, die via Aufnahmeprüfung zugelassen wurden, sind sehr gut.
Eine Untersuchung der FHNW zeigt, dass sie im ersten Studienjahr erfolgreicher abschneiden als die Absolventen einer technischen Berufsmaturität 2. Und bei der Hochschule Luzern heisst es, dass diese Studenten oft zu den Besten ihres Jahrgangs gehören und auf dem Arbeitsmarkt besonders begehrt sind – aufgrund ihrer Erfahrung und Reife. (trs)