Mit der Androhung eines Kampfeinsatzes auf der Krim hat Russland die schwerste Krise im Verhältnis zum Westen seit Ende des Kalten Krieges heraufbeschworen. US-Präsident Barack Obama drohte, Kremlchef Wladimir Putin werde eine Invasion der Ukraine «teuer zu stehen kommen».
Das Parlament in Moskau hatte am Samstag einstimmig den Weg für einen Militäreinsatz in der Ukraine bereitet und dies mit dem Schutz der russischen Bevölkerung begründet. Russisch sprechende Milizen übernahmen am Wochenende die Kontrolle über die zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel.
Putin habe nun alle Vollmachten, um einzuschreiten, teilte der Kreml mit. Die neue, prowestliche Regierung in der Ukraine wertete das Vorgehen Russlands als «militärische Aggression» und warf dem Kreml vor, die Krim besetzen zu wollen.
Als Reaktion auf den russischen Parlamentsbeschluss versetzte die Ukraine ihre Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft und mobilisierte am Sonntag alle Reservisten. Russland habe für einen «Akt der Aggression» keine Grundlage, sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow. Die ukrainische Regierung bat die NATO um militärischen Beistand.
Das russische Vorgehen auf der Krim sorgte international für grosse Besorgnis. US-Aussenminister John Kerry drohte Russland mit Sanktionen und warnte, Russland könnte aus dem Kreis der G8-Industriestaaten ausgeschlossen werden. Er hat angekündigt, am Dienstag nach Kiew zu reisen und der Zentralregierung die Unterstützung der USA auszusprechen.
I will be headed to Kyiv, Ukraine tomorrow night for discussions there Tuesday.
— John Kerry (@JohnKerry) 2. März 2014
Die USA, Kanada, Grossbritannien und Frankreich setzten ihre Teilnahme an Konferenzen zur Vorbereitung des G8-Treffens im russischen Sotschi aus. Das teilte das Weisse Haus nach einem 90-minütigen Telefonat zwischen Obama und Putin am Samstag mit.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte nach einer Krisensitzung des NATO-Rates in Brüssel: «Ein militärisches Vorgehen der Streitkräfte Russlands gegen die Ukraine ist ein Bruch des internationalen Rechts.» In einer Erklärung des Rates heisst es, die NATO stehe auf Seiten der Ukraine als «einem geschätzten Partner».
In Wien machten sich die USA an einer Sitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für das Entsenden von OSZE-Beobachtern in die Ukraine stark. Ein solches Vorhaben benötigt jedoch Russlands Zustimmung. Gegenüber der deutschen Kanzlerin Angela Merkel deutete Putin am Telefon an, eine «fact finding mission» zu akzeptieren.
Die Schweiz, die den OSZE-Vorsitz inne hat, verstärkte unterdessen die Botschaft in Kiew personell, wie das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Sonntag mitteilte. Bundespräsident Didier Burkhalter habe sich am Sonntag zudem mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon getroffen.
Russlands Präsident Putin wollte nach Kremlangaben seinen Befehl zum Militäreinsatz von der weiteren Lage auf der Krim abhängig machen. Dort blieb die Lage am Sonntag angespannt, aber ruhig. Die russischen Streitkräfte brachten nach ukrainischen Angaben mehrere tausend Soldaten auf die Krim, wo Moskau seit über 200 Jahren die Schwarzmeerflotte in Sewastopol unterhält.
Die Krim-Regierung hatte Russland um Schutz vor gewaltbereiten ukrainischen Nationalisten und Extremisten angerufen. In mehreren Städten der Schwarzmeer-Halbinsel demonstrierten Menschen gegen die Regierung in Kiew. Auch ausserhalb der Krim gab es Proteste: So wurden in Charkow bei Zusammenstössen nach russischen Medienberichten mehr als 100 Menschen verletzt.
Russische Soldaten umstellten am Sonntag einen Stützpunkt der ukrainischen Armee und forderten Soldaten zum Überlaufen auf. Das russische Konsulat auf der Krim stellte Pässe für ukrainische Sicherheitskräfte aus.
Der Chef der ukrainischen Marine, Denis Beresowski, sagte unterdessen den prorussischen Regionalbehörden auf der Krim seine Gefolgschaft zu. Übergangspräsident Turtschinow, der Beresowski erst am Samstag zum Befehlshaber ernannt hatte, ordnete dessen Entlassung an. Die ukrainische Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Landesverrats gegen den Admiral ein. (sda/dpa/afp/reu)