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Was die Anschläge in Kanada für Europa bedeuten

Mitglieder und Aktionsgebiete der von den USA geführten Koalition gegen den IS. Die aufgelisteten Staaten beteiligen sich mit militärischen Mitteln im Einsatz gegen die Terrormiliz. Staaten, die nur h ...
Mitglieder und Aktionsgebiete der von den USA geführten Koalition gegen den IS. Die aufgelisteten Staaten beteiligen sich mit militärischen Mitteln im Einsatz gegen die Terrormiliz. Staaten, die nur humanitäre Hilfe leisten oder Geheimdienstinformationen zur Verfügung stellen, sind nicht aufgeführt. Bild:
Terroranschlag in Ottawa

Was die Anschläge in Kanada für Europa bedeuten

Zwei Terroranschläge kurz nacheinander haben Kanada erschüttert. Ob die Angreifer mit dschihadistischen Absichten handelten, ist noch unklar – viel deutet aber darauf hin. Was das für Kanada und die westliche Welt bedeutet.
23.10.2014, 12:5323.10.2014, 18:41
William Stern
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Die kurze Abfolge zweier mutmasslicher Terroranschläge in Kanada hat für tiefgreifende Verunsicherung gesorgt. Kanada war bisher nicht im Fokus von dschihadistisch motivierten Attacken. Viel eher war es das grosse Nachbarland im Süden, das als Zielscheibe für islamistische Anschläge galt. 

Kanada hatte sich im September dazu entschlossen, der Koalition gegen den Islamischen Staat beizutreten. Das beinhaltete nach dem Willen des Parlaments auch ein bewaffnetes Vorgehen gegen die extremistischen Kräfte des IS im Irak. 

Ein Polizist einer Spezialeinheit sichert am Mittwoch eine Strassenkreuzung in Ottawa – die kanadische Hauptstadt steht einen Tag nach den Angriffen immer noch unter Schock.
Ein Polizist einer Spezialeinheit sichert am Mittwoch eine Strassenkreuzung in Ottawa – die kanadische Hauptstadt steht einen Tag nach den Angriffen immer noch unter Schock.Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Am Dienstag wurden erstmals Kampfflugzeuge der kanadischen Luftwaffe in die Nahostregion entsandt. Einen Tag später fand der Angriff auf das War Memorial in Ottawa statt. Ob die beiden Ereignisse in einem direkten Zusammenhang stehen, bleibt bis auf weiteres Spekulation. Sollte sich allerdings der Verdacht erhärten, dass der Todesschütze Sympathien für den IS empfand, oder gar in dessen Auftrag handelte, so wären die Auswirkungen nicht zuletzt für die anderen Mitglieder der Koalition gegen den IS schwerwiegend. 

CF-18-Hornet-Kampfflugzeuge der Royal Canadian Air Force beim Abflug in Richtung Naher Osten. 
CF-18-Hornet-Kampfflugzeuge der Royal Canadian Air Force beim Abflug in Richtung Naher Osten. Bild: X80001

Terrorattacken in Australien

Das Muster des Angriffs in Ottawa erinnert an die in letzter Sekunde verhinderten Terrorattacken in Australien im September. Die koordinierten Polizeiaktionen an mehreren Orten in Australien fanden statt, nachdem am 21. September ein Video aufgetaucht war, das dazu aufforderte, «Ungläubige zu töten». Auch Australien ist Mitglied der Koalition gegen den IS, die mittlerweile von Obama auf den Namen Inherent Resolve (etwa: Natürliche Entschlossenheit) getauft wurde. Luftangriffe durch australische Kampfflugzeuge wurden bereits ausgeführt. Und im Gegensatz etwa zu Kanada zögerte Australien nicht, Bodentruppen im Irak einzusetzen – wenn auch nur zu Ausbildungszwecken. 

Die australische Polizei stellt die Waffe eines mutmasslichen Dschihadisten sicher – im September verhafteten die Behörden in einer grossangelegten Aktion im ganzen Land Dutzende von mutmasslichen Ter ...
Die australische Polizei stellt die Waffe eines mutmasslichen Dschihadisten sicher – im September verhafteten die Behörden in einer grossangelegten Aktion im ganzen Land Dutzende von mutmasslichen Terroristen.Bild: AP/AAP

Wenn man diesem Faden folgt, so laufen die anderen Mitglieder der Koalition ebenfalls Gefahr, Opfer von Vergeltungsschlägen durch (selbsternannte) IS-Sympathisanten zu werden.

Die USA, Erzfeind der Dschihadisten, sind naturgemäss im Visier der Islamisten. Grossbritannien als ehemalige Kolonialmacht mit unglücklicher Hinterlassenschaft im Nahen Osten und enger Partner der USA ebenfalls. Auch Frankreich hat – nicht zuletzt durch die jahrzehntelange Vernachlässigung von muslimischen Einwanderern aus dem Maghreb und deren Ghettoisierung und Marginalisierung innerhalb der französischen Gesellschaft – den Zorn der Islamisten auf sich gezogen. Allen diesen Staaten ist gemein, dass sie sich im Kampf gegen den IS engagieren – und dass sie bereits Opfer islamistischer Attacken wurden. 

Aufruf zu «lone wolf»-Attacken durch den IS

Video vom 22. September.youtube/cnn

Belgien, die Niederlande, Spanien, Dänemark und Deutschland sind – neben den Golfstaaten – die anderen Länder, die in der Operation «Inherent Resolve» militärisch involviert sind – wobei Deutschland klar gemacht hat, dass weder Luftangriffe noch kämpfende Bodentruppen zur Debatte stehen. Anders sieht das etwa bei Belgien, Dänemark und den Niederlanden aus. 

Was der Terror bewirkt

Die Folgen der Terrorattacken, ob ausgeführt oder verhindert, sind absehbar: In den Parlamenten werden Gesetze zur Terrorismusabwehr durchgewinkt, die die Grenzen des Rechtsstaates bis zum Äussersten reizen, Sicherheitsvorkehrungen werden verschärft, Muslime nicht nur an der Zollabfertigung von Flughäfen scheel angeschaut. Diese Entwicklungen sind nicht neu, vielmehr sind sie der Idee des Terrors – zu Deutsch: Verbreitung von Angst und Schrecken zur Erreichung politischer Ziele – inhärent. 

Australien hat bereits angekündigt, seine Anti-Terror-Gesetzgebung zu verschärfen, in Kanada wird derselbe Schritt nur eine Frage der Zeit sein. Und es ist zu erwarten, dass andere im Kampf gegen die Dschihadisten des IS involvierte Staaten ebenfalls nachziehen. Ob diese Gesetze ein griffiges Mittel gegen Terrorgefahren darstellen, wird sich weisen. 

Das vermehrte Auftreten sogenannter «small-scale»-Attacken durch «lone wolfs», also Angriffe einzelner, meist im Land selber radikalisierter und mehrheitlich junger Personen aus bildungsfernen Schichten mit Messern, Faustfeuerwaffen, selbst gebastelten Bomben oder Fahrzeugen, lässt daran zumindest Zweifel aufkommen. Diese Personen schlüpfen oftmals auch durch die engmaschigen Netze der Geheimdienste. 

Todesschütze Michael Zehaf-Bibeau, in einer undatierten Aufnahme. 
Todesschütze Michael Zehaf-Bibeau, in einer undatierten Aufnahme. Bild: screenshot cbc ottawa

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Im Fall von Michael Zehaf-Bibeau allerdings war es anders: Der Attentäter war den Geheimdiensten bekannt, wurde als «hochgefährlich» eingestuft und war aus diesem Grund seinen Reisepass los. Selbiges galt für Martin Couture-Rouleau, der am Montag in der Nähe von Montreal einen Soldaten tödlich angefahren und einen weiteren schwer verletzt hatte: Auch er war im Visier der Geheimdienste, auch sein Reisepass war eingezogen. 

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