«Der Unterricht startet um 8 Uhr, nicht wahr?», fragt uns eine Studentin, als Sven und ich am Montagmorgen an der Universität von Sambia in Lusaka eintrudeln. Wir schauen uns fragend an. Es ist 8.15 Uhr. «Hmm, abgemacht war um 10 Uhr», entgegnen wir, «hat euch Studienleiter Youngson nicht informiert?». Sie schüttelt den Kopf.
Wir schwitzen in den engen Gängen der Uni bereits ein erstes Mal. Waren es also doch nur leere Versprechungen, dass ab Modulbeginn alles reibungslos laufen wird? Wir sehen unser Lehrer-Debüt schon im Chaos versinken. Dabei kamen wir absichtlich sehr früh, um Beamer, Internet sowie Stromversorgung zu testen und den Schulraum zu inspizieren.
Da kommt ein weiterer Student um die Ecke: «Ja, 10 Uhr im Computerraum.» Zwei Steine fallen uns von den Herzen. Die Studentin hatte die Information irgendwie verpasst. Tatsächlich wird der Tag wie am Schnürchen ablaufen. Der Grossteil der Studenten ist um spätestens 10.15 Uhr anwesend und während den ersten Unterrichtsminuten schleichen sich auch noch die weiteren in den Raum.
Gewöhnungsbedürftig ist die Situation für uns trotzdem. 40 Leute in einem Raum, der nur Fenster Richtung Gang hat, die Luft wird entsprechend stickig und der Schweiss tropft uns bei über 30 Grad von der Stirn. Rund die Hälfte der Studenten sitzt auf Stühlen, der Rest auf den Tischen oder steht an die Wand gelehnt.
Was in Schweizer Unis als unzumutbar bezeichnet würde, ist hier eher Luxus. «Für euch ist das vielleicht schlimm, wir sind uns 80 Leute in solchen Räumen gewohnt», klärt der Klassensprecher auf, «macht euch keine Sorgen um uns.» Auch von unseren Vorgängern aus der Schweiz haben wir von ganz anderen Platzverhältnissen in der Vorwoche gehört. Zwölf Studenten in einem Raum von sechs Quadratmetern waren da Standard.
Schnell entdecken wir die üblichen Typen in den Klassen. Die engagierten Streber, die braven Girls in der vordersten Reihe, die Jungs im Rennen um den Klassenclown hinten links, der obercoole Frauenschwarm oder die jungen Frauen, die feinsäuberlich mitschreiben – alles wie in der Schweiz. Es entstehen spannende Diskussionen und die Zeit vergeht wie im Flug.
Youngson erweist sich als hervorragender Betreuer. Er hat alles organisiert, besucht unsere Lektionen und macht aktiv mit. Er nimmt uns zum Mittagessen mit und erzählt viel über das Leben an der Uni und in Sambia.
Am Ende des Tages teilen wir die Klasse in zwei Gruppen auf, in den nächsten zwei Tagen starten die Workshops. Gruppenarbeiten kennen die Studenten praktisch nicht, üblich ist eintöniger Frontalunterricht. Doch die erste Gruppe am Dienstag übertrifft unsere Erwartungen, arbeitet selbstständig und zielorientiert.
Am Nachmittag herrscht dann plötzlich doch grosse Aufregung. «Sangena!», schreien die Studenten wild durcheinander, umarmen sich, klatschen ab und tänzeln. An Unterricht ist nicht mehr zu denken. Die Aufklärung folgt schnell. Sangena bedeutet schlicht: «Es ist da.» Gemeint ist der restliche Teil der Stipendien. Vor wenigen Wochen bezahlte der Staat nur einen Teil der sowieso schon knapp berechneten Gelder aus, was für einige Studenten bedeutete, dass sie die Uni nicht mehr besuchen konnten oder beispielsweise auf Mahlzeiten verzichten mussten.
Rund um die Uni kam es zu Demonstrationen sowie Polizeieinsätzen. Tränengas wurde eingesetzt, Unterkünfte fingen Feuer, Studenten mussten vom 2. und 3. Stock aus dem Fenster in Sicherheit springen. Einige verletzten sich dabei schwer. Jetzt hat die Regierung zumindest teilweise nachgegeben. Der Tag ist für unsere Studenten gerettet.
Mit kleinen Anpassungen an unsere Präsentation erwarten wir am Mittwoch einen noch reibungsloseren Ablauf. Doch der Niveau-Unterschied könnte extremer kaum sein. Powerpoint-Wissen tendiert teilweise gegen Null, wir werden mit Fragen eingedeckt und verlängern unsere Lektion um einen Powerpoint-Crashkurs. Nach zwei Tagen Steigflug ist dies eine harte Landung auf dem Boden der Realität.
Am Donnerstag und Freitag müssen die Studenten ihre Arbeiten in einer 20-minütigen Präsentation vorstellen. Wir können es kaum erwarten.