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Bauarbeiter wehren sich gegen Pfeifzwang bei vorbeigehenden Frauen

Bauarbeiter wollen lieber arbeiten als pfeifen.
Bauarbeiter wollen lieber arbeiten als pfeifen.Bild: KEYSTONE
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Bauarbeiter wehren sich gegen Pfeifzwang bei vorbeigehenden Frauen

04.11.2014, 13:1304.11.2014, 14:30
Claudio Gagliardi
Claudio Gagliardi
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Zürich (den). Schweizer Bauarbeiter haben genug. Seit Jahren pfeifen sie vorbeigehenden Frauen hinterher. Doch was viele nicht wissen: Die Maurer, Strassenarbeiter und Zimmermänner tun dies nicht aus niederen, machistischen Gründen. Nein, sie sind dazu verpflichtet. «Im nationalen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Baubranche gibt es einen Abschnitt, der uns vorschreibt, den Frauen hinterher zu pfeifen oder wenigstens ein ‹Hey baby, lächle mal. Das ist das Zweitbeste, das du mit deinen Lippen machen kannst› hinterher zu rufen. Das müssen wir nun schon seit 25 Jahren machen», so Gewerkschaftssprecher Marco Gafner. Für viele Bauarbeiter sei die Situation unerträglich, so Gafner.

So auch für Christoph Märki. «Ich arbeite während den Semesterferien oft auf dem Bau», sagt der Ethnologiestudent. Dem 24-Jährigen fällt es schwer, der Pfeifverpflichtung nachzukommen. «Ich bin in einer glücklichen Beziehung mit einem anderen Mann. Trotzdem muss ich jedem Rock hinterherpfeifen. Das ist für mich sehr unangenehm.» Doch auch seine heterosexuellen Kollegen leiden oft unter den anzüglichen Sprüchen, so genannten «Catcalls». «An meinem Arbeitsort arbeiten Familienväter mit Töchtern im Alter von 16 aufwärts. Und diese Väter sind dann verpflichtet, 17-jährigen Chicks im Minirock anzügliche Bemerkungen nachzuwerfen!»

Frauen profitieren stark von den «Catcalls»

Doch wer hat die Klausel vor 25 Jahren in den Gesamtarbeitsvertrag gepackt? Psychologe und Frauenspezialist Michael Fischer klärt auf. «Anfang der 80er Jahre haben die Arbeiter tatsächlich noch aus einem chauvinistischen Antrieb den Frauen nachgepfiffen. Nach und nach hat sich dieses Verhalten auf Baustellen als normal ‹eingebürgert›. Eine Studie aus dem Jahr 1987 hat dann jedoch aufgezeigt, dass Frauen das Pfeifen und die Sprüche als Bestätigung für ihr Wesen empfanden und gar wütend wurden, wenn einmal ein Pfeifen ausblieb.»

Kein Pfiff. Diese Frau reagiert wütend.
Kein Pfiff. Diese Frau reagiert wütend.Bild: ANDREA COMAS/REUTERS
Der Frauenanteil im Nationalrat ist seit 1987 gestiegen.
Der Frauenanteil im Nationalrat ist seit 1987 gestiegen.Parlament.ch

Der Bundesrat nahm diesen positiven Effekt auf die Psyche der Frau zum Anlass und erliess 1989 den Zusatz für den GAV. Dass sich die «Catcalls» positiv auf die weibliche Bevölkerung auswirken, zeigt die Statistik. «Bei den Wahlen 1987 wurden knapp 30 Frauen in den Nationalrat gewählt. Nach dem Gesetz ging diese Zahl massiv herauf. Nun sind bereits knapp 60 Frauen im Nationalrat», so Psychologe Fischer. «Diese Politikerinnen stehen stellvertretend für all die hunderttausenden von selbstbewussten Schweizer Frauen, denen ein Pfiff bei einer Baustelle einen unglaublichen Moralschub gibt. Mit erhobenem Haupt gehen sie durchs Leben und holen sich so den Erfolg, der ihnen zusteht. Dieser Effekt lässt sich nicht mit Gold aufwerten.»

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Hart recherchierte Fakten, fundierte Kritik und realistische Analysen? Die gibt es anderswo. Chefredaktor Buzz Orgler und sein Praktikant Pavel Kulicka decken auf, was keiner wissen will. Ob Berichte über Schwulenhasser, die in Russland Asyl beantragen oder tote Eskimos wegen der Ice Bucket Challenge, die beiden gescheiterten Journalisten sind sich für keine satirische Schlagzeile zu schade. Und schneller als die Wahrheit sind sie noch dazu.



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2 Kommentare
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Der Ort, an dem die Frauen baggern
Ich war für ein Wochenende in Davos und habe eine kleine Analyse und eine Nummer für euch mitgebracht.

Wer in Zürich jemanden kennenlernen will, so im echten Leben, in einer Bar oder einem Club, ich rede hier nicht von den ganz verrückten Dingen, die nur in Filmen passieren, wo sich Leute am helllichten Tag auf dem Trottoir kreuzen und so verzaubert sind, dass sie umdrehen und einander auf der Stelle ehelichen, nein, ich rede hier vom billigbanalen, promillebedingten Ansprechen an Orten, wo man sich kaum sieht und hört, davon rede ich, und auch das passiert in Zürich nie. Mir nicht, meinen Freundinnen und Freunden nicht und dir ganz bestimmt auch nicht. Ausser vielleicht, du siehst aus wie Jennifer Lawrence. Aber wer sieht schon aus wie Jennifer Lawrence? Eben.

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