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Liebe Kafi. Deine Ratschläge finde ich immer wieder erfrischend und wertvoll. Manchmal auch ungewöhnlich. 

Worauf man sich einschiesst, liegt in der eigenen Verantwortung. 
Worauf man sich einschiesst, liegt in der eigenen Verantwortung. Bild: Kafi Freitag
FRAGFRAUFREITAG

Liebe Kafi. Deine Ratschläge finde ich immer wieder erfrischend und wertvoll. Manchmal auch ungewöhnlich. 

06.03.2015, 11:0306.03.2015, 13:21

Ich lebe in einer sehr glücklichen Partnerschaft. Er befindet sich gerade in Scheidung und das ist das Damoklesschwert, welches über mir schwebt. Finanziell geht es ihm nicht so rosig. Mir schon, ich verdiene gut und es reicht auch für uns beide. Nun wird bei der Scheidung das Thema Ehegattenalimente aufpoppen. Sie hat schon angekündet Forderungen in der Form zu stellen, dass er bis zur Pensionierung bezahlen muss für seine Exfrau. Das Geld ist mir nicht so wichtig und ich gebe gerne, was ich habe, aber nicht unbedingt für eine Expartnerin, welche mich kategorisch meidet (2 halbwüchsige Kinder sind auch noch vorhanden). Ich kann mit allem leben, mit Übergangsalimenten, logischerweise mit Alimenten für die Kinder etc. Aber ich kann nicht mit dem Gedanken leben, diese Frau bis zu unserer Pensionierung als Klotz am Bein mitzuschleppen. Sollte also Worstcase eintreffen und er bezahlen müssen bis zu seinem 65. Altersjahr, wie kann ich damit umgehen? Hast du einen Ratschlag für mich, wie ich die Sichtweise auf diese Tatsache verändern kann, damit ich sie annehmen und damit leben kann? Ich würde so gerne mit ihm neu anfangen und es soll UNSER Leben sein auch wenns eine Vergangenheit gibt. Zumindest finanziell. Ich bin emanzipiert und bin sowieso der Meinung, dass eine Frau für sich selber schauen muss, aber das interessiert das Gericht natürlich herzlich wenig :)) Vielleicht kannst du mir die kommenden Monate ein wenig erleichtern, indem ich mich mental mit der richtigen Einstellung auf den Weg machen kann. Egal was dabei rauskommt. Es belastet mich höllisch. Liebe Grüsse. Tina 34

Kafi Freitag
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Liebe Tina

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen in einer ähnlichen Situation stecken wie Sie. Schliesslich wird heute jede 2. Ehe geschieden und insofern sind viele frisch geschiedene Männer auf dem Markt, die genau in der Situation leben, wie Sie sie beschreiben.

Nun ist es so, dass Sie an der Tatsache nicht viel ändern können. Gesetze sind Gesetze. Aber ich kann Ihnen gerne ein paar andere Standpunkte und Perspektiven aufzeigen, ganz oft kann das schon recht gut helfen, mit einer bestehenden Situation besser umzugehen.

Zuerst einmal zu der Tatsache, dass Ihr Freund weiterhin für seine Exfrau wird zahlen müssen. Ich bin keine Expertin, aber das Schweizerische Eherecht ist ein ziemlich faires. Es berücksichtigt die Situation, wie sie während der Ehe bestanden hat, und stützt die Unterstützung danach darauf ab. Wenn eine Frau in der Ehe den gemeinsamen Kindern geschaut hat und sich sonst nicht gross weiterentwickeln konnte, während dies der Mann beruflich getan hat, dann wird diesem Umstand Rechnung getragen. Es sind so einige Parameter, die den Alimenten zugrunde liegen und sie sind meiner Meinung nach nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Natürlich basieren sie noch auf einem alten Rollenverständnis von Mann und Frau. Aber auch heute ist es halt leider noch oft so, dass der besser verdienende Mann im Job bleibt, während die Frau den Job den Kindern zuliebe für eine Weile an den Nagel hängt. Die wenigsten Hausfrauen und Mütter bekommen für ihre zuhause geleistete Arbeit einen angemessenen Lohn ausbezahlt. Diese Alimente sind drum irgendwie eine rückwirkende Vergütung für das bereits Geleistete.

Sie erwähnen die beiden halbwüchsigen Kinder in einem halbwegs eingeschobenen Nebensatz oder zumindest in Klammern. Sie nehmen in Ihrer Frage praktisch keinen Raum ein. Das ist für die Exfrau anders. Sie hat viele Jahre ihres Lebens diesen beiden Kindern geschaut und gewidmet. Was es bedeutet, Kinder grosszuziehen, kann man erst begreifen, wenn man selber welche hat. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, dass Sie die Tragweite nicht erkennen können, das kann tatsächlich niemand, der nicht direkt betroffen ist. Aber es ist dennoch eine Tatsache und ich möchte diese betonen.

Und nun zu Ihrem Partner. Er hat einen Rucksack, darin sind diese Exfrau, 2 Kinder und eine finanzielle Belastung. Das mag Sie frustrieren. Aber ich muss Ihnen etwas sagen. Ein Mensch in diesem Alter hat seinen Rucksack, sei es Mann oder Frau. Wenn Sie vor Ihrer Beziehung etwas gedatet haben, dann wissen Sie selber, dass Single-Männer um die 40 ihren Preis haben. Sie sind entweder beziehungsunfähig, bindungsunfähig, geschieden oder haben einen an der Waffel. Ein Mann, der in diesem Alter nicht verheiratet ist, oder zumindest in einer festen Beziehung lebt, hat seinen Makel. Und ich persönlich finde den des Bereits-verheiratet-gewesen-Seins einen eher Harmlosen. Er zeigt nämlich auch auf, dass sich der Mann schon mal für etwas committen, etwas Ernsthaftes eingehen konnte. Das ist für mich ein gutes Zeichen und ich würde jederzeit einen bereits verheirateten Mann mit finanziellen Verpflichtungen einem ewig ungebundenen Allesdater vorziehen.

Des Weiteren erwähnen Sie Ihre Emanzipation und dass Sie finanziell auf eigenen Beinen stehen. Dann leben Sie das auch! Sie haben die besten Voraussetzungen, sich einen Mann gönnen zu können, der Sie nicht aushält, sondern Ihnen auf andere Art und Weise gut tut. Das ist ein Luxus, der sich eine Frau, die weniger emanzipiert und selbstständig ist, nicht leisten kann. Machen Sie aus der Schuld Ihres Freundes eine Chance für sich. Das hat mit Eigenverantwortung zu tun und die können Sie bestens tragen, liebe Tilia.

Sie beide haben eine gemeinsame Zukunft, wenn Sie sich geistig und in Ihrem Herzen von dieser Geldsache lösen können. Wenn Ihr Freund eine Firma in den Sand gesetzt hätte, würde er bis in alle Ewigkeit Sozialbeiträge nachzahlen müssen. Da finde ich ein Investment in eine persönliche Vergangenheit mit Ehe und Kindern viel weniger frustrierend. Freunden Sie sich mit den Kindern an und versuche Sie eine Beziehung zu der Exfrau aufzubauen. Diese drei Menschen werden auch Teil Ihres Lebens sein, ob Sie es wollen oder nicht. Da ist es von Vorteil, wenn Sie mit einer positiven und offenen Einstellung an die Sache rangehen und auch dies als stärkende Chance anstatt schwächende Schuld ansehen.

Es ist an Ihnen, was Sie aus dieser Lebenssituation machen. Sie haben es in der Hand, ob sie Ihr Leben bereichern oder beschneiden wird. Ihr persönliches Mindsetting wird den Unterschied machen. Emanzipation kommt aus dem Lateinischen und heisst auch, sich aus einer Sklaverei zu befreien. Diese besteht nicht durch die Zahlung der monatlichen Alimente, sondern einzig und allein in Ihrem Kopf. Befreien Sie sich, liebe Tilia. Das sind Sie sich, Ihrem Partner und der gemeinsamen Beziehung schuldig.

 Sie schaffen das! Mit liebem Gruss! Ihre Kafi.

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.ch.



Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines zehnjährigen Sohnes.



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6 Kommentare
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...und jetzt!?!
06.03.2015 15:46registriert März 2015
"Ein Mann, der in diesem Alter nicht verheiratet ist, oder zumindest in einer festen Beziehung lebt, hat seinen Makel."

Liebe Kafi, wo bleibt bei dieser Aussage deine sozial-liberale Einstellung?
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