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Hallo ich habe eine Frage, die mich schon mehrmals zur Verzweiflung brachte. Ich mache derweilen meiner Freundin gerne Liebeserklärungen. Fünf Minuten gehen die sicherlich ... 

Kafi gehört zum Typ Frau, dem ausschweifende Liebeserklärungen eher zusetzen. 
Kafi gehört zum Typ Frau, dem ausschweifende Liebeserklärungen eher zusetzen. Bild: Kafi Freitag
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Hallo ich habe eine Frage, die mich schon mehrmals zur Verzweiflung brachte. Ich mache derweilen meiner Freundin gerne Liebeserklärungen. Fünf Minuten gehen die sicherlich ... 

Derweilen ich stilles Schweigen ernte. Anfangs dieser Woche machte ich den Fehler zu fragen: Liebst du mich denn? Die Antwort: Merkst du denn nicht, dass ich dich liebe, wenn ich dich nicht lieben würde, wäre ich nicht mit dir zusammen. Meine Erwartungen: «Philipp. Ja ich liebe dich. Ich habe dich so lieb. Ich möchte mit dir» usw. Weisst du, ich hatte die letzte Beziehung auch gefragt. Und als dieselbe Antwort kam, habe ich nach ein paar Wochen Schluss gemacht. Ich höre nun nichts mehr von ihr. Ausser dass sie das Gesagte nun verdauen, sich sortieren müsse. Am Telefon hat sie nun gemeint, dass sie die Trennung überlegt. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich derartige Fragen überhaupt gewagt habe zu stellen. Was meinst du dazu? Darf Mann fragen? Ist es normal, dass es Frauen gibt, die zusammen sind und lieben, ohne es zu sagen? Philipp, 45
16.05.2014, 08:2316.05.2014, 13:27
Kafi Freitag
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Lieber Philipp 

Eigentlich wollte ich ja nicht mehr so viele «dann habe ich gesagt, dann hat sie gesagt, dann habe ich gemacht, dann hat sie gemacht, dann ist sie gegangen und seither ruft sie nicht mehr ­an»-Fragen beantworten. Aber bei Ihnen muss ich eine Ausnahme machen. Weil Sie 45 sind und es langsam Zeit wird, dass Ihnen jemand erklärt, wie es läuft. Weil unter uns, so kann es ja nicht weiter gehen, oder?

Also. Wo fange ich am besten an. Das wird jetzt vermutlich nicht ganz einfach für Sie. Aber ich werde jetzt sehr ehrlich zu Ihnen sein. Verstehen Sie das bitte nicht falsch. Jemand muss das machen. Und Sie haben mich gefragt. Selber schuld also. Gut.

Wollen Sie wissen, was ich tun würde, wenn mein Mann mir derweilen Liebeserklärungen machen würde, die fünf Minuten oder ähnlich lang dauern würden? Ich würde nach Minute drei gehen, meine allerliebsten Sachen und mein Hochzeitskleid in eine Tasche packen, meinen Sohn von der Schule abholen, mein Bankkonto plündern und ins Ausland abhauen. Vermutlich würde ich noch mein Gesicht umoperieren und meinen Namen ändern lassen. Ich würde all das tun, was man tun muss, wenn man als Kronzeugin in einem Prozess gegen die Mafia ausgesagt hat und dann ins Zeugenschutzprogramm kommt. Vermutlich sogar noch mehr und noch ein bisschen nachhaltiger.

Mich würden Sie mit solchen Aktionen killen, wirklich. Für mich gibt es vermutlich nichts Schlimmeres, als solch überdosierte Liebesbekundungen, die mit der inneren Stoppuhr abgegeben werden. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie Sie sich ins Zeug legen und noch einen draufsetzen und noch einen! Und dann erwarten, dass ein mindestens gleich langes und heroisches, wenn nicht sogar bitzli längeres und noch triefenderes Geständnis zurückkommt. Aber das wird es nicht. Weil das kann kein Mensch aushalten. Und auch keine Frau.

Und das Problem ist noch nicht einmal, dass Sie keine Grenzen kennen, wenn es darum geht, ihr Herz zu öffnen. Es geht viel mehr darum, dass Sie das Gleiche von Ihrer Freundin erwarten. Und das ist Nötigung. Wirklich. Das können Sie nicht. Das ist jenseits. Sie können meinetwegen eine Frau suchen, sie auf Liebesschwüre in diesem Umfang steht (vermutlich gibt es die sogar), aber Sie dürfen auf gar keinen Fall erwarten, dass das von Ihnen Gesagte im Kurs 1:1 zurückkommt. Schon gar nicht 1:1,5.

Sie müssen anders mit Ihrer Unsicherheit umzugehen lernen. Oder diese einfach akzeptieren. Es ist vollkommen natürlich und menschlich, dass man unsicher und ängstlich ist, wenn man neu mit jemandem zusammen ist. Das geht ALLEN so. Schliesslich kann man nicht in den anderen hinein sehen und abschätzen, ob die Begeisterung auch wirklich gegenseitig ist. Aber das ist nun mal part of the game. Indem Sie es aus Ihren Freundinnen verbal herausprügeln, werden Sie auch nicht schlauer.

Fangen Sie darum an davon auszugehen, dass jemand, der mit Ihnen zusammen ist, auf Sie steht. Wir Frauen sind in vielen Belangen sicherlich etwas seltsam. Aber wir vergeuden unsere Zeit nicht vorsätzlich mit Männern, die nichts in uns auslösen. Ob es die grosse Liebe wird, oder vielleicht nur eine Schwärmerei, finden Sie heraus, indem Sie die Beziehung leben, anstatt sie totzureden. Lassen Sie Ihrer Freundin Raum und Platz. Den braucht jeder Mensch. 

Es geht nicht darum, zusammen zu sein, ohne sich zu lieben. Das will vermutlich kein Mensch und das müssen Sie auch nicht. Aber wenn Sie solch konkrete Vorstellungen haben, wie die Antwort lauten müsste, dann ist das Druck in Reinkultur. Warum schreiben Sie nicht gleich ein Drehbuch und geben Ihrer Freundin den Text in die Hand, den Sie von Ihr erwarten? Nehmen Sie sich zurück. Sonst wird keine Frau bleiben.

Sie sind nun 45 und es ist höchste Eisenbahn, dass Sie an sich arbeiten. Vielleicht schaffen Sie es grad noch, den Fehler bei der aktuellen Freundin wieder gutzumachen. Wenn nicht, sollten Sie erst wieder eine Beziehung eingehen, wenn Sie dem Thema «Raum lassen» und Vertrauen etwas mit sich selber ventiliert haben. Vielleicht wäre auch ein Coaching sinnvoll. Suchen Sie sich jemanden in Ihrer Nähe, der lösungsorientiert mit Ihnen daran arbeitet. Das Muster scheint schon etwas älter zu sein, das braucht bitzli Geduld, um es durch ein unterstützenderes zu ersetzen. Gönnen Sie sich ruhig Hilfe von aussen dafür. Wir sind alle mit ein paar Gewohnheiten unterwegs, die nicht wirklich zum Ziel führen. Es ist sehr sinnvoll, wenn man diese mit einem Aussenstehenden mal genauer anschaut.

An Ihrer Liebe ist nichts falsch, lieber Philipp. Sie haben viel zu geben und das ist ein Geschenk für eine Frau. Jetzt müssen Sie nur noch an der Kunst feilen, dass Sie die Frau nicht unter dem Geschenk begraben. Weniger ist mehr. Das gilt für fast alles im Leben. Und so auch für die Liebe. Packen Sie es an!

Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi.


P.S. Wenn Sie an sich arbeiten und eines Tages vor dem Traualtar stehen sollten, dürfen Sie Ihr Fünf-Minuten-Plädoyer hervorkramen und als persönliche Hochzeitsrede bringen. Aber Sie müssen mir hoch und heilig versprechen: Bekundungen in diesem Umfang nicht vorher und auch nie wieder danach!

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines neunjährigen Sohnes.





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