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Liebe Kafi Freitag. Was veranlasst eigentlich viele Frauen dazu, aggressiv zu reagieren, wenn eine weibliche Bekannte oder Mitarbeiterin in irgendeiner Art erfolgreich(er) ist? 

Kafi holt nach.
Kafi holt nach.Bild: Kafi Freitag
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Liebe Kafi Freitag. Was veranlasst eigentlich viele Frauen dazu, aggressiv zu reagieren, wenn eine weibliche Bekannte oder Mitarbeiterin in irgendeiner Art erfolgreich(er) ist? 

Und wie können solche Frauen mehr Gelassenheit und Zufriedenheit für sich selbst und/oder Solidarität und Freude für die andere kultivieren? Herzlichst. Susanna, 35
09.04.2015, 23:2219.04.2015, 10:08
Kafi Freitag
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Liebe Susanna 

Was Sie hier so taktvoll und diplomatisch umschreiben, nenne ich gern kurz und bündig Stutenbissigkeit. Ein sehr treffender Begriff, weil ich dieses Verhalten tatsächlich nur von Frauen kenne. Und es geschieht ja nicht nur, wenn eine Frau erfolgreicher ist. Sie kann auch einfach nur die schöneren Haare, längeren Beine oder den tolleren Typen an ihrer Seite haben. Das Repertoire ist da beinahe unerschöpflich und längst nicht nur auf Leistung beschränkt. Zumal ich lange Beine nicht wirklich als Leistung ansehen kann. (Ausser natürlich man hat sie strecken lassen, dann läuft es für mich durchaus auch unter Leistung. (Also die Beine meine ich. Gestrecktes Haar würde ich nämlich wiederum eher nicht als grosse Leistung bezeichnen, obwohl ich das nicht wirklich beurteilen kann, habe ich mein Haar doch noch nie strecken lassen.))

Im Gegenteil, ich beobachte das Phänomen fast noch mehr im Nichtleistungsbreich, als im erkämpften Erfolg. Aber diese Wahrnehmung muss nicht stimmen. Vermutlich würde ich dieser Form von Zickigkeit auch mehr begegnen, wenn ich in einem Betrieb zwischen vielen Frauen arbeiten würde.

Aber wie dem auch sei, ich denke der Grund liegt – wie so oft – in unserer Kindheit, resp. der Erziehung. Mädchen werden in aller Regel dazu erzogen, hübsch und nett zu sein. Das war früher so. Und das ist heute so. Und da können Sie, meine geschätzten Leserinnen jetzt wild fuchteln, wie Sie wollen. Es ist nämlich trotzdem so. Wir kaufen unseren Mädchen härzige niedliche Kleidchen damit sie härzig aussehen. Wir frisieren ihnen härzige niedliche Zöpfchen und Frisürli, damit sie härzig und niedlich aussehen. Wir umgeben sie mit Spielzeug, das darauf ausgerichtet ist, möglichst härzig und niedlich zu sein und mit Puppen, die härzig und niedlich sind.

Das Leben kleiner Mädchen dreht sich darum, möglichst hübsch, adrett und wohlgeformt zu sein. Und zwar in jeglichem Sinne. Mütter hübscher Töchter präsentieren diese stolz im Sandkasten. Väter hübscher Töchter lassen sich um den Finger wickeln und tun wie verliebte Teenies.

Jungs wachsen anders auf. Die sollen möglichst cool, möglichst stark und in einem sozial verträglichen Rahmen unangepasst sein. Jungs messen sich auch mit den anderen, aber nicht in erster Linie über Äusserlichkeiten, sondern über Fähigkeiten wie Mut, Stärke und Draufgängertum. Ihre Vergleiche finden weniger auf der Identitätsebene statt (BIN ich schön???), sondern eher auf der Verhaltensebene. Wenn sich Männer später miteinander messen, dann geht es auch dann weniger um Äusserlichkeiten, sondern eher um Erfolg, Leistung und um Status. Wenn man auf dieser Ebene kritisiert wird, ist es besser verdaulich, weil es ja kein wirklicher Persönlichkeitsanteil ist, sondern ein TUN, ein HABEN.

Viele erwachsene Frauen schleppen einschränkende Glaubenssätze mit sich herum, die sich ums "nicht genügen" und "zu wenig wert sein" drehen. Sie wollen immer noch gefallen und gern gehabt werden, auch wenn das den wenigsten bewusst ist. Aus diesem Defizit heraus kann man schwerlich gelassen mit sich und Konkurrenz umgehen. Es ist immer irgendeine NOCH schöner, NOCH erfolgreicher, als man selbst. Wer nicht wirklich in sich ruhen gelernt hat, kann das ganz schön in die Sätze bringen. Und in ein unsouveränes Verhalten, das sich dann eben in Keifen und herumzicken äussert.

Ich hatte als Mädchen keine herzige Frisur, ich durfte mein Haar noch nicht mal lang tragen. Und in meinem Schrank lagen nur praktische Kleider, kaum ein schönes Röckli. Damit hätte ich im Werkzeugwarenlager, in dem ich bis zum Kindergartenalter aufwuchs, auch nicht allzu viel anfangen können. Barbie hatte ich eine Einzige und die hatte angesengtes Haar. Damals habe ich das als grosse Ungerechtigkeit empfunden. Wie gerne wäre ich auch in rosa und mit Schleifen im Haar herumgelaufen. (Was auch mein Profilbild hier bei watson erklärt.) Wie gern hätte ich auch, wie alle anderen, Prinzessinnenkleidli gehabt und Puppen zum Frisieren. Damals habe ich das alles nicht verstanden.

Heute bin ich dankbar für diese klischeefreie Art von Erziehung. (Nicht, dass dahinter ein ausgeklügeltes Konzept gestanden hätte, es war eine rein praktische Angelegenheit.) Denn sie hat mich auf dieser Ebene eher wie ein Junge aufwachsen lassen und davon profitiere ich heute. Natürlich vergleiche ich mich auch mit anderen Menschen. Aber eher auf der Ebene von Fähigkeit und Verhalten, als auf der Ebene von Identifikation und Äusserlichem. Das ist für mich angenehmer so, weil ich mich im Verhalten und meinen Fähigkeiten verbessern oder verändern kann, wenn ich es will, während Veränderungen auf der Ebene des Seins eine grössere Baustelle sind.

Frauen sollten anfangen, mit sich selber zufriedener zu sein. Sich zu mögen. Sich zu lieben, wie sie sind. Dann werden sie automatischer auch gelassener im Umgang mit anderen Frauen. Denn dann sind diese auch keine so grosse Gefahr mehr für sie. Wie so oft ist auch hier der Schlüssel die Selbstliebe. Und die kann man sich nur selber schenken.

 Alles Liebe, Ihre Kafi.

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.ch.



Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines zehnjährigen Sohnes.



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