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Ludmila Balkanovic

Call-Center-Mitarbeiter aus dem Balkan sollen ihre ic-Namen ändern. Nein!

Den Namen ändern, weil eine Endung auf «ic» nicht gut ankommt? Für Ludmila Balkanovic keine Option.
Den Namen ändern, weil eine Endung auf «ic» nicht gut ankommt? Für Ludmila Balkanovic keine Option.Bild: flickr.com/bailey weaver
Ludmila Balkanovic

Ich soll meinen Jugo-Namen ändern? Ihr habt sie doch nicht mehr alle!

Kürzlich wurde bekannt, dass die Versicherung Swiss Life ihren Call-Center-Mitarbeitern mit ausländischem Namen rät, sich ein Schweizer Ego zuzulegen. Hier erzählt Ludmila, warum sie eher nackt die Langstrasse hoch und runter joggen würde, bevor sie ihr «-ic» gegen ein «Meier» oder «Müller» eintauschen würde.
03.07.2017, 11:2404.07.2017, 04:43
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Lasst uns Tacheles reden. Einen Namen zu haben, der mit «ic» endet, kann scheisse sein. Bei der Wohnungssuche zum Beispiel. Würde ich Hugentobler, Schweizer oder Schmied heissen, müsste ich nicht stets zum persönlichen Gespräch antraben. Als «ic» aber mache ich genau das.

Eine gute Freundin von mir arbeitet bei einer Verwaltung. Sie hat mir mal off the record gesagt, dass die erste Wahl bei Mietern immer auf Schweizer fällt. Papierlischweizer, wie ich einer bin, ausgenommen. Also habe ich es mir angewöhnt, meine Bewerbungen nicht eingeschrieben zu verschicken, sondern eben persönlich zu überreichen.

«Ein Balkaner im Journalismus? Guet Nacht am Sächsi»
Ein Zürcher Verwalter

Ob mich das wütend macht? Null. Wer selber antrabt, kann nur gewinnen. So habe ich schon einmal einen Verwalter gedatet, ein anderer fand mich «so eine Lustige», dass er mir neue Fenster einbauen liess, und ein Dritter offenbarte, dass er eigentlich kein Fan von Balkanern sei – und wenn die dann auch noch im Journalismus tätig seien, «dänn guet Nacht am Sächsi». Er hat mich trotzdem genommen. «Ich glaube, dass Sie integriert sind. Und solvent.»

Schon klar. Der Spruch ist hohl. So hohl, dass mir der, der ihn rausgelassen hat, mehr leid tut, als dass mich die Aussage wirklich trifft. Der Herr ist weltfremd. Mit mir persönlich hat sein Hinterwäldlertum aber nichts zu tun.

Noch viel hinterwäldlerischer aber finde ich die Swiss Life. Vor Wochenfrist machte die «SonntagsZeitung» publik, dass die Versicherung ihren aus dem Balkan stammenden Call-Center-Mitarbeitern empfiehlt, sich ein Schweizer Pseudonym zuzulegen.

So werden mal schnell aus Goran Stojanovic Dani Sutter und aus Dragana Radic Sandra Hohl. Das, weil es angeblich einfacher sei, mit Schweizer Namen Kunden zu überzeugen, einen Vertrag zu unterschreiben.

Auch Ludmila Balkanovic arbeitete zwei Jahre in einem Call Center und weiss: ein Jugo-Name stellt keine unüberwindbare Barriere dar.
Auch Ludmila Balkanovic arbeitete zwei Jahre in einem Call Center und weiss: Ein Jugo-Name stellt keine unüberwindbare Barriere dar.Bild: flickr.com/state farm

Bloss: Was, wenn Goran und Dragana einen Akzent haben? Der deutschen Sprache nicht zu 100 Prozent mächtig sind? Ist man da nicht doppelt verarscht? Als Mitarbeiter und Kunde? Die ganze Chose stinkt meiner Meinung nach sowieso von A bis Z zum Himmel. Sie unterstellt Kunden Rassismus und schafft künstlich ein Zwei-Klassen-Gefühl unter Mitarbeitenden.

Würdet ihr, liebe Chefs, Leggins mit Büsis drauf anziehen?

Ich erinnere mich an meine Zeit im Call Center eines grossen Mobilfunkanbieters. Vor 14 Jahren war ich selber während zwei Jahren am Telefon tätig. In dieser Zeit habe ich es nur zwei Mal erlebt, dass man mich einen «Schiss-Jugo» schimpfte und mich dahin zurückschicken wollte, woher ich ursprünglich komme.

Ludmila Balkanovic
Unsere Kolumnistin Ludmila wuchs zwischen Mani Matter, Kettenrauchern, harten Schweizer Schulregeln und einer «Fuck the System»-Kultur auf. Hier erzählt die Mittdreissigerin aus ihrem Leben zwischen Schweizer Bünzli- und dem Jugotum.

Waren Kunden sauer, schrieen mich an oder drohten mit dem «Kassensturz», dann ging's grundsätzlich nicht um meine Person, sondern um die Umstände und das Unternehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Swiss Life anders ist.

Die Herren, das sind Katzen-Leggins!

Und selbst wenn. Es ist das Letzte, Angestellte dazu anzuhalten, ihre Identität zu verheimlichen. Ich würde eher nackt die Langstrasse hoch und runter joggen, statt meinen Namen herzugeben. Mal Hand aufs Herz, liebe Swiss-Life-Chefetage: Würdest du dich anders nennen? Oder als Businessmann mal Leggins mit Büsis drauf anziehen? Oder ein Band-Shirt von Slayer oder Mötley Crue?

Eben.

Also hört bitte auf, von euren Angestellten zu erwarten, dass diese sich in jemanden verwandeln, der sie nicht sind.

Und bitte traut euren Kunden etwas mehr zu. Nicht alle da draussen sind rassistische Idioten. Und falls doch, überdenkt eure Kundschaft.

Mit freundlichen Grüssen,
Eure Ludmila – for ever and ever – Balkanovic

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99 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ylene
03.07.2017 11:45registriert Januar 2016
Soweit ich weiss, wurde die ganze Namensänderungsache ja freiwillig angeboten und zwar, weil die gemerkt haben, dass Mitarbeiter mit ausländischem Nachnamen messbar weniger Abschlüsse machen (und damit weniger Provision kriegen - darum ging's ja) als die mit einem Schweizer Nachnamen. Natürlich ist das scheisse und völlig unfair, aber wenn du zu Hause ein paar Mäuler zum füttern hast, dann würde ich meinen Nachnamen für die paar Stunden also auch ändern. Ich liesse mich doch nicht gleich doppelt verarschen von rassistischen Idioten.
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Luca Brasi
03.07.2017 12:57registriert November 2015
Keine Sorge. Ich mag Call Center-Mitarbeiter überhaupt nicht, weil sie alle nervige Hausierer sind. Mir ist es dabei egal, ob sie Eggenberger, Barzini oder Jankovic heissen.
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na ja
03.07.2017 17:47registriert März 2016
Mir egal, wie die Leute vom Callcenter heissen. Ich HASSE Werbeanrufe!
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99
Der Ort, an dem die Frauen baggern
Ich war für ein Wochenende in Davos und habe eine kleine Analyse und eine Nummer für euch mitgebracht.

Wer in Zürich jemanden kennenlernen will, so im echten Leben, in einer Bar oder einem Club, ich rede hier nicht von den ganz verrückten Dingen, die nur in Filmen passieren, wo sich Leute am helllichten Tag auf dem Trottoir kreuzen und so verzaubert sind, dass sie umdrehen und einander auf der Stelle ehelichen, nein, ich rede hier vom billigbanalen, promillebedingten Ansprechen an Orten, wo man sich kaum sieht und hört, davon rede ich, und auch das passiert in Zürich nie. Mir nicht, meinen Freundinnen und Freunden nicht und dir ganz bestimmt auch nicht. Ausser vielleicht, du siehst aus wie Jennifer Lawrence. Aber wer sieht schon aus wie Jennifer Lawrence? Eben.

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