Murphys Gesetz trifft mich mit voller Härte. Mein Velo hat einen Platten, mein Akku ist leer und ÖV fahren schon lange nicht mehr. Es schifft in Strömen, ich bin genervt, friere und will nur noch nach Hause.
200 Meter weiter vorne gibt's einen Taxistand. Ich steige in einen dunkelblauen Audi. Mein Fahrer geht auf die 60 zu, ist griesgrämig, atmet laut und telefoniert noch lauter. Die ganze Geräuschkulisse wird zusätzlich von der Musik, einem Ländler-Special, übertönt.
Was der Fahrer nicht weiss: Ich verstehe jedes Wort, das er sagt. Und seine Parolen haben es in sich. «Mamicu mu jeben», plärrt er echauffiert ins Handy. Er ficke die Mutter der Person, um die es geht. Den Sachverhalt habe ich noch nicht ganz raus.
Der Fahrer ist so hässig, dass er eine Zigi anzündet. Er fragt mich nicht, ob's mich stört. Er macht aber das Fenster einen Spalt weit auf. Mich stört's nicht. Jetzt beendet er das Telefonat.
Ich frage ihn auf Jugo, wer ihm das Leben so schwer macht. Viel zu indiskret, magst du jetzt denken. Ist es nicht. Unter Balkanern gilt nonverbal die Null-Distanz-alles-geht-Regel. In dem Moment, in dem wir die gleiche Sprache reden, sind wir Family.
Innert Sekunden – und einem illegalen U-Turn – hat mich Slavoljub* schon gefragt, woher meine Eltern kommen, was sie beruflich machen, womit ich mein Geld verdiene und ob ich Kinder habe. Standard-Smalltalk-Fragen.
Ich stehe Slavoljub Red und Antwort, bevor ich ihm Gegenfragen stelle. Er sei aus einem Kuh-Kaff in der Nähe von Montenegro. Eingewandert ist er mit seiner Frau vor 39 Jahren. Taxi fährt er seit 20 Jahren. Aber Achtung: Viele Arschlöcher im Business. Seit Uber sei's ganz schlimm.
Slavoljub ist lustig. So lustig, dass wir vor meinem Haus noch gut zehn Minuten weiterreden. Bis er sagt, er habe Feierabend und gehe seine Frau Svetlana in der Jugo-Schnellimbiss-Bude in Altstetten holen und noch rasch was essen. Ob ich mitkommen will. Ich will.
Es ist zirka halb vier, als wir ankommen. Im sehr überbelichteten Mini-Lokal dröhnt Jugo-Sound aus den Boxen, vorwiegend Männer in Grüppli trinken Schnaps, singen und reden aneinander vorbei.
Svetlana empfängt uns mit Cevapcipi, Ajvar – einem vorzüglichen Mus aus Paprika –, Brot, Käse und rohen Zwiebelringen. Mich hat sie ab Sekunde 1 adoptiert. Dass sie keinen Single-Sohn für mich hat, beschäftigt sie sehr.
Sie zeigt auf den Tisch in der linken Ecke. «Da sitzen die Junggesellen, such dir einen aus», sagt sie. Mir ist das peinlich. Sie hat mich aber schon alles andere als galant zu den Typen geschoben, wo sie mich auf einen Stuhl setzt.
«Ein Super-Mädchen», ermahnt sie Slavoljub. «Sieht viel jünger aus, als sie ist!» wir erinnern uns: Null-Distanz-alles-geht-Regel. Ich lache. Die Männer auch. Wir kommen ins Gespräch. Trinken zu fünft einen türkischen Kaffee, bevor mich Slavoljubs und Svetlanas Neffe – «ein Klasse Mann», flüstert mir Svetlana ins Ohr – nach Hause fährt.
Mich hat dieser ganze Trip 0 Franken und nur dieses eine Sternli gekostet: *. Es steht dafür, dass ich wegen des illegalen U-Turns und der Zigi, die Slavoljub rauchte, seinen und Svetlanas Namen, sowie den Standort der Imbiss-Bude geändert habe.
So läuft das mit dieser Jugo-Ehre.
<3
Eure Ludmila