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Meine Freundin Lea und ich stehen in der Partymeile der südchinesischen Millionenstadt Kunming. Alte Frauen zupfen an den schicken Hemden junger Chinesen und halten in der Hoffnung auf ein paar Yuan mit traurigen Augen die Hand auf. Ein roter Teppich führt in einen Club, vor dessen Tor ein Schild steht mit der Aufschrift: «Dress Code: Elegant.»
Ich betrachte die herausgeputzten jungen Chinesen, die in den Club laufen, nehme die Turnschuhe und Reisejacke von Lea und mir in Augenschein und meine zu ihr: «Da kommen wir nicht rein.»
«Ach was», erwidert sie. «Wir sind die einzigen Europäer hier, die lassen uns bestimmt rein!»
Sie hat Recht. Der Türsteher beäugt uns zwar kritisch und abschätzig, als wir an ihm vorbeihuschen, hält uns aber nicht auf.
In den Lounges an den Wänden sitzen junge Typen betont cool in ihren Sesseln. Eine Zigarette in der Hand, ein Dutzend Bierflaschen oder eine Flasche Whisky auf dem Glastisch und ein hübsches Mädel neben sich.
Live-Auftritte von Frauen in knappen Outfits scheinen in chinesischen Clubs zum guten Ton zu gehören. Auch als wir in anderen Städten um die Häuser gezogen sind, trafen wir immer wieder auf Angehörige des schönen Geschlechts, die mit ihren Reizen nicht geizten.
Im Club in Xi'an stand allerdings immer ein uniformierter Polizist mit Schlagstock und Helm neben der Bühne und schaute ernst in die tanzende Menschenmasse. Ein köstliches Bild!
Dass englischsprachige Musik läuft, ist ebenfalls keine Ausnahme. Auf chinesische Musik wartet man meist vergeblich. Das ist erstaunlich, schliesslich sind englischsprachige Gäste schwieriger zu finden als Chinesen, die beim Essen nicht schmatzen.
Das hält die Feiernden allerdings nicht davon ab, uns «Kugelaugen» anzusprechen. Meist sagen sie nur «Welcome to China», fragen, woher wir kommen – und wollen dann ein gemeinsames Selfie machen.
Als die Sängerin ihr letztes Lied beendet hat, stürmt ein junger Verehrer auf die Bühne, um ihr einen Blumenstrauss zu überreichen. Danach ist der Laufsteg wieder freigegeben für das gemeine Partyvolk. Hier in Kunming tanzt jeder, wie es ihm passt, genau gleich wie in europäischen Clubs.
In Xi'an war das ganz anders, dort bewegten sich die Gäste immer synchron in einer Schrittfolge, die allen bekannt war – ausser uns.
Während ich noch ein paar Schluck Bier brauche, ist Lea bereit für die Tanzfläche. Obwohl sie im Vergleich zu den aufgestylten Chinesinnen ziemlich underdressed ist und sich fühlt «wie eine Bauernfrau», geht es keine zwei Minuten, bis sie von vier jungen Chinesen umringt ist.
Zu tiefgründigen Gesprächen führen die Kontaktaufnahmen auf der Bühne nicht, aber zumindest zu ein paar Gratis-Drinks für uns. Und das in einem Club, in dem die Preise für chinesische Verhältnisse schwindelerregend hoch sind: Das günstigste Bier kostet 50 Yuan (7,60 Franken). Ein paar Tage zuvor in den Bergen haben wir für diesen Preis noch ein Doppelzimmer bekommen.
Wie sich die teils sehr jungen Gäste das leisten können, bleibt uns ein Rätsel. So mancher leert wahrscheinlich das Portemonnaie des reichen Papas.
Um halb vier Uhr morgens haben wir genug gesehen, wir gehen nach Hause. Der Club und die Strassen sind noch rappelvoll, genau gleich wie einige Partygänger. Auch wir haben am nächsten Tag einen Kater. Das Schöne am Party-Machen in fremden Ländern ist aber, dass die Frage «Hat sich das wirklich gelohnt?» ausbleibt. Man kann das Ganze als Völkerkunde verbuchen – schliesslich lernt man in einer Bar oder einem Club mehr über die Kultur eines Landes als bei jedem Museumsbesuch.