Es war wohl nicht Gott, der Tao und seine vier thailändischen Mönchskollegen zu mir geführt hat. Denn die buddhistische Lehre kennt im Gegensatz zum Christentum oder dem Islam keinen allmächtigen Gott.
Nennen wir es also einfach Glück, dass die Männer mit den orangefarbenen Gewändern am Stadtrand von Nakhon Ratchasima an mir vorbeifahren und mich mitnehmen – nur um gleich wieder umzukehren und zurück ins Stadtzentrum zu fahren.
«Wieso drehen wir um?», frage ich Tao, der als einziger der Mönche etwas Englisch spricht. Ich bin verwirrt, denn ich habe gedacht, sie hätten verstanden, dass ich die Stadt Richtung Süden verlassen will. «Keine Sorge», sagt der 39-Jährige. «Wir müssen nur nochmals kurz zurück zum Tempel, weil wir etwas vergessen haben.»
Zwei Ordensbrüder holen ein Formular, das sie brauchen, um ein Visum für Indien zu beantragen. Im März reisen sie in das Ursprungsland des Buddhismus.
Mönche sind bürokratischen Quälereien genau gleich ausgeliefert wie wir. Und manche haben gar die gleichen menschlichen Schwächen: Tao und ein junger Mönch, auf dessen entblösster Wade sowie dem Handrücken Tattoos prangen, zünden sich beim Warten eine Zigarette an.
Doch nicht nur ihrem eigenen Körper tragen einige buddhistische Mönche keine Sorge, auch das Herz für Tiere scheint nicht bei allen überdurchschnittlich gross zu sein. Als nämlich eine streunende Hündin beim Vorbeilaufen einen Welpen wirft, interessiert sie das nur mässig.
Sie heben das Neugeborene zwar vom heissen Asphalt auf und legen es in den Schatten, danach fahren sie aber ohne zu zögern los. Eine Säuglingsstation für Welpen wird nicht eingerichtet.
Ich bin etwas enttäuscht, hatte ich betreffend Umgang mit Tieren im Buddhismus doch immer den Film «Sieben Jahre in Tibet» im Kopf, in dem Brad Pitt bei einem Bauprojekt schier verzweifelt, weil die Einheimischen jeden einzelnen Regenwurm in Sicherheit bringen wollen.
Während der Fahrt fragt mich Tao nach Familie und Freundin. Ich hole die Fotos aus meinem Portemonnaie und stelle ihm alle der Reihe nach vor. Die anderen schauen neugierig herüber.
Am Foto von Andrea, der zweitältesten meiner drei Schwestern, ist der Tattoo-Mönch besonders interessiert. «Er will wissen, ob sie verheiratet ist», übersetzt Tao lachend. «Noch nicht, aber schon bald», begrabe ich die Hoffnungen des Tattoo-Mönchs.
Beim Halt an einer Tankstelle zeigt der gleiche Mönch erneut sein ausgeprägtes Interesse am anderen Geschlecht. Er packt einen noch jüngeren Mönch auf dem Rücksitz an der Schulter und deutet durch das Fenster hindurch auf eine hübsche junge Frau, die auf einem Roller sitzt. «Das wär' doch eine», ist seine Botschaft, die ich auch ohne Thai-Kenntnisse verstehe.
Der Tattoo-Mönch ist wohl einer der vielen jungen Männer, die nur zeitweise (enthaltsam) im Kloster leben. Es ist in Thailand üblich, dass Mönche nach ein oder zwei Jahren ins normale Leben zurückkehren – dann dürfen sie auch auf Frauensuche gehen und heiraten.
Auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder Tinder könnten die Mönche theoretisch schon während ihrer Zeit im Kloster auf Partnersuche gehen – die passenden Smartphones dazu haben sie zumindest. Auf der 170 Kilometer langen Fahrt schauen sie die meiste Zeit auf ihren Bildschirm. Meditieren war gestern.
Eigentlich haben sich die Bettelmönche ja einem Dasein in Armut verpflichtet. Sie leben von Almosen, die sie von Gläubigen erhalten. Geld und Schmuck dürfen die Mönche nicht annehmen, ein nigelnagelneues Smartphone ist aber offensichtlich kein Problem. Die Spender erhoffen sich von ihrer Grosszügigkeit gutes Karma.
Die Mönche haben keine Hemmungen, die teuren Gaben in der Öffentlichkeit zu zeigen. Sie machen mehr Fotos und Selfies als ich, als sie mit mir zusammen einen Tempel besichtigen.
Was der historische Buddha Siddhartha Gautama von ihrem Treiben halten würde, weiss ich nicht. Ich persönlich habe mit dem Lebensstil seiner Schüler aber kein Problem. Ich hoffe, ihre gute Tat – mich mitzunehmen und gar einen 50 Kilometer langen Umweg zum Tempel zu fahren – bringt sie ihrem Ziel der Erleuchtung näher. Und sonst war es zumindest gut für ihr Karma.