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Der radiophone Ärger mit den Pilgern der Nation

Die fünf Pilger mit Ralph Wicki in der Mitte. Bild SRF 1.
Die fünf Pilger mit Ralph Wicki in der Mitte. Bild SRF 1.
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Autsch! Das SRF «pilgert» direkt in die Arme der katholischen Kirche

Bei den Übertragungen auf Radio SRF 1 wurde ein kindliches Gottesbild gezeichnet.
05.08.2017, 09:5017.09.2019, 15:21
Hugo Stamm
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Radio SRF 1 nervte in den letzten zwölf Tagen! Man konnte den Sender einschalten, wann immer man wollte, stets überfiel einen der Begriff «pilgern». Und zwar in allen Formen: Der Pilger, die Pilger, Pilgerweg, Pilgerreise, Pilgerstart, Pilgerziel usw.

Gefühlt jede Stunde mindestens eine penetrante Ankündigung, die eines dieser Wörter enthielt. Begleitet von regelmässigen Liveschaltungen zu den Pilgern der Nation, die wie vor 500 Jahren zur Zeit der Reformation auf heiligen Pfaden von Basel nach Freiburg wanderten.

Mit von der Partie war auch die Sendung Schweiz aktuell des TV-Senders SRF 1, deren tägliche Beiträge aber wesentlich geniessbarer waren, weil sie ruhiger und unaufgeregter daherkamen.

Motor der Truppe war der Radiomann Ralph Wicki («Nachtclub»). An ihm lag es aber nicht, dass die Reise – an sich ein attraktiver Stoff – der fünf Pilger penetrant gepuscht wurde. Verantwortlich war das Moderatorenteam, das mit seiner gespielten Begeisterung suggerierte, die Nation sei exklusiver Zeitzeuge einer Sensation der höheren Art.

Radiomoderator Ralph Wicki bei seinem "Nachtclub" auf SRF 1.Video: YouTube/SRF DOK

Ärgerlich war auch, wie die Radiogemeinde mit frommen Themen berieselt wurde. Unsere Pilger übernachteten oft an «heiligen» Orten, wie es bei Pilgerreisen zum Programm gehört. Dort wurden sie von Geistlichen, Mönchen und Nonnen empfangen, wie die geneigten Radiohörerinnen und -hörer miterlebten.

Gern gesehene Gäste in Klöstern

Dabei durften auch die frommen Wünsche nicht fehlen. Gott möge die tapferen Pilger beschützen, sie begleiten, ihnen beistehen, ihnen Kraft und Zuversicht geben.

Das war schwer verdauliche Kost beim Zähneputzen am Morgen oder während der Autofahrt. Der Radiosender lieferte immer wieder ein Gottesbild, das man allenfalls noch Kindergartenschülern zumuten kann. Da wurde einem breiten Publikum suggeriert, Gott werfe stets ein waches Auge auf die fromme Truppe und beschütze sie vor Gefahren. (Nur: vor welchen? Etwa vor Wölfen und Bären?)

Hätte sich ein schwerer Unfall ereignet, wäre die Rega schneller zur Stelle gewesen als Gott. Menschliche Hilfe – nämlich im Operationssaal – wäre dann wohl effizienter gewesen als himmlische.

Kräuterfrau Marie-Therese Zgraggen hilft Ralph Wicki beim Anziehen der mittelalterlichen Kleider.
Kräuterfrau Marie-Therese Zgraggen hilft Ralph Wicki beim Anziehen der mittelalterlichen Kleider.Bild srf.

Die katholische Kirche freute sich ungemein über die flächendeckende Radioaktion. Tagelange PR von morgens früh bis abends spät. Ein unbezahlbarer Werbespot. Die gebeutelte Kirche, die nach ihren Skandalen gegen Imageverlust und Exodus kämpft, konnte sich von ihrer schönen Seite zeigen. Die Nonnen und Mönche wirkten denn auch fürsorglich und sympathisch.

Fehlte nur noch die Abmoderation «Präsentiert von Gott persönlich» oder «gesponsert von Bischof Vitus Huonder». Dumm nur, dass das Kirchenleben und die Kirchenpolitik kein Pilgerweg sind. Und schon gar nicht wie vor 500 Jahren, als die Kirche noch ein politischer Machtfaktor war und die Gläubigen das Fürchten lehrte.

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Davon vernahmen die Radiohörerinnen und Fernsehzuschauer kaum etwas. Es hätte die Idylle zwischen Basel und Freiburg gestört.

PS: Ralph Wicki hätte übrigens bei einem historischen Film den perfekten Jesus abgegeben – bis hin zu seiner markanten sonoren Stimme.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Maria B.
05.08.2017 12:50registriert Februar 2015
Im Allgemeinen lese ich die Kommentare von Hugo Stamm nicht ungern, wenngleich ab und an mit gewissen Einschränkungen.

Hier aber finde ich seine Aussagen recht grotesk, geht es doch in dieser Serie von TV + Radio um Berichte darüber, wie der Mensch bei uns im Mittelalter gelebt, gewohnt und grossteils auch seine Religion praktiziert hat. Empfehlungen auf die Gegenwart bezogen, waren für mich dabei beim besten Willen nicht erkennbar - wie auch :-)?!

Ein harmloses Spiegelbild alter Sitten und Gebräuche also, und wer sowas nicht zuordnen und interpretieren kann, tut mir schon etwas leid....
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Luca Brasi
05.08.2017 10:31registriert November 2015
Ok, und wenn der Dalai Lama eines seiner unzähligen Interviews gibt, dann ist das Buddhisten-Propaganda oder wie?
Kleiner Tipp: Wenn einem eine Sendung nicht passt, kann man ab- oder umschalten.
Mache ich auch, wenn ich im Fernsehen oder im Radio einen Atheisten höre, der völligen Quatsch über Religionen rauslässt oder einen Gläubigen, der historische und wissenschaftliche Fakten negiert.
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rodolofo
05.08.2017 11:29registriert Februar 2016
Oh da ist aber jemand allergisch auf das Wort "Pilger"...
Dabei gibt es heute auch weniger altmodische Varianten von Pilgern!
Beatles-Fans, die an einen berühmten Fussgänger-Streifen in London pilgern zum Beispiel.
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