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Fromme bekommen kein Geld mehr für Sportlager. Falsch: Lieber Sport als Beten

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Lieber Sport als Beten: Warum Frommen das Geld für Sportlager nicht gestrichen werden darf

29.04.2017, 08:2518.09.2020, 12:26
Hugo Stamm
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Young participants in a floorball class play a match in the sports hall Hardau in Zurich, Switzerland, pictured on February 11, 2008. The course is part of the holiday sports program of the sports boa ...
Lieber Sport ...Bild: KEYSTONE

Ich bin kein Freund der Freikirchen. Diese legen das Wort der «Heiligen Schrift» als von Gott inspirierte «Wahrheit» aus, was zu einem radikalen Glauben und engen Religionsverständnis führt. Exorzismen, Heilungsgottesdienste, Endzeitvisionen und höllische Drohgebärden bestätigen, dass freikirchlicher Glaube nicht frei von Aberglauben ist.

Doch für einmal muss ich Partei für die Freikirchen ergreifen. Der Auslöser ist nicht der Glaube, sondern der Sport: Das Bundesamt für Sport (Baspo) hat neun christlichen Verbänden, die mehrheitlich freikirchlich orientiert sind, mitgeteilt, dass sie ab nächstem Jahr keine Jugend+Sport-Leiter mehr ausbilden dürfen. Das bedeutet faktisch, dass in Zukunft über 200 Jugendgruppen vom J+S ausgeschlossen werden.

Jungschargruppen müssen Sportangebot reduzieren

Konkret: Die freikirchlichen Jugendorganisationen dürfen keine J+S-Lager mehr durchführen und bekommen auch keine finanziellen Unterstützungen mehr. Es ist damit zu rechnen, dass viele Jungschargruppen ihr Sportangebot reduzieren müssen.

Eigentlich müsste ich dem Bundesamt ein Kränzchen winden: Endlich haben die Beamten begriffen, dass Freikirchen primär das Ziel haben, immer und überall zu missionieren. Und dies oft mit fragwürdigen suggestiven Methoden. Die grundsätzliche Argumentation der Beamten ist denn auch richtig. Sie erklären, dass es bei den betroffenen Jugendverbänden nicht primär um eine offene Jugendarbeit gehe, sondern um die Missionierung.

Junge Kirchenbesucher beten als Pier Giacomo Grampa, Bischof von Lugano, am Montag, 4. April 2005 in seiner Kathedrale von Lugano eine Gedenkmesse fuer den am Samstag verstorbenen Papst Johannes Paul  ...
... als beten.Bild: KEYSTONE

Das Baspo hat denn auch nicht alle christlichen Jugendverbände ausgeschlossen, sondern gezielt jene gewählt, die besonders dogmatisch sind: Die Methodisten, die Chrischona-Gemeinden, die freien evangelischen Gemeinden und verschiedene Gruppen des Bundes evangelischer Jungscharen. Weiterhin unterstützt werden aber Cevi und die katholischen Jugendorganisationen Jungwacht und Blauring.

Das falsche Objekt, um ein Exempel zu statuieren und den Frommen auf die Finger zu klopfen.

Es ist richtig und wichtig, dass der Bund endlich auch in religiösen Fragen die Scheuklappen ablegt und genau hinschaut, was unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit so alles wuchert und spriesst. Nur hat das Baspo das falsche Objekt ausgewählt, um ein Exempel zu statuieren und den Frommen auf die Finger zu klopfen.

Konkret: J+S-Lager eignen sich nicht oder nur schlecht, um Jugendliche zu missionieren. Die allermeisten Teilnehmer sind bereits freikirchlich geeicht oder Mitglied einer Freikirche. Somit müssten Sportlager ganz im Sinn der Baspo-Beamten sein, denen das Missionieren ein Dorn im Auge ist: Wenn die jungen Frommen Sport betreiben, haben sie keine Zeit zum Beten. Deshalb kann ein J+S-Lager ein weltliches Gegengewicht zur streng religiösen Sozialisation von Jugendlichen in Freikirchen sein.

Sektenaufklärung wäre sinnvoller

Es wäre besser, der Bund würde sich auf die wirklichen Sektenprobleme konzentrieren und beispielsweise Scientology verbieten, den öffentlichen Raum für Missionszwecke zu benützen. Die Politiker könnten auch eine nationale Sektenberatungsstelle finanzieren und den Aufklärungsunterricht in den Schulen fördern.

Sinnvoll wäre es auch, einen Konsumentenschutz in religiösen Fragen einzurichten und esoterischen Heilern klare Richtlinien aufzuerlegen. So gesehen ist der Ausschluss von freikirchlichen Jugendorganisation vom J+S ein Nebenschauplatz. Oder besser: ein Eigengoal.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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94 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eine_win_ig
29.04.2017 09:18registriert Dezember 2016
Guter Artikel.
Ich war jahrelang als nicht-gläubiger in einer BESJ Jungschar aktiv. Wieso? Weil es keine Pfadi fab bei uns im Dorf. Das Highlight: Sportlager und Unihockeyturniere. Klar wurde da am Morgen gebetet etc., das konnte man als Kind allerdings auch getrost ignorieren. Denn den Rest des Tages waren wir alle nur wegen einem dort: Sport!
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Deutero Nussuf
29.04.2017 09:26registriert Januar 2016
Ich sehe das nicht so.
Ein Lager ist eine der besten Gelegenheiten um Indoktrination tief zu verankern, da die Jugendlichen und Kinder tagelang zusammen sind und sich in einem gefühlsmässigen Ausnahmezustand sind, in dem sie offen und empfänglich für alles sind, was in der Gruppe geschieht, also auch für religiöse Indoktrination.
Wie bei kaum einer anderen Gelegenheit lassen sich durch gut gesteuerte Gruppendynamik Ideologien verfestigen und vertiefen.
Dem muss ein Riegel geschoben werden und da hat der Bund schon die richtige Entscheidung getroffen.
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Hühne Bueber
29.04.2017 11:17registriert Oktober 2016
Um Fördergelder zu erhalten benötigt ein Sportverein von J+S ausgebildete Trainer mit Diplomen. Dabei gibt es die Weiterbildungspflicht für diese Personen. Die Vereine werden in verschiedene Label je nach Leistungsstufe eingeteilt. Dabei müssen Trainingspläne und Anwesenheitslisten geführt und eingereicht werden. Wenn ein Verein Diese Kriterien erfüllt, soll er Geld erhalten und sonst nicht. Schliesslich erheben die Sportvereine auch keine Kirchensteuern.
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