Blogs
Yonnihof

Du huere Brot

«Du huere Brot!»

Bild: shutterstock
Yonnihof
Über den Niedergang der abendländischen Kultur durch «die heutige Jugend». Not.
04.03.2016, 12:1704.03.2016, 13:08
Mehr «Blogs»
Bild

Gestern Mittag war ich unterwegs von Zürich nach Schwerzenbach und wurde Zeugin einer kurzen Unterhaltung zweier circa 15-jähriger Jungs. Der eine, in Trainerhose und mit strahlend pinkem Käppi, kam die Treppe herunter in den unteren Stock der S-Bahn, entdeckte dort seinen Freund, der ganz in Weiss gekleidet war, und schrie laut: «Altäää! Ich suech dich im ganze Zug, du huere Brot!»

«Muesch halt rüefe, du verdammti Missgeburt», entgegnete sein Freund, die beiden lachten, gaben sich ein High Five und setzten sich.  

Ich fand diese Unterhaltung so grossartig, dass ich sie auf meine Facebook-Page stellte. Ich meine: «Du huere Brot», sowas Lustiges habe ich schon ewig nicht mehr gehört.  

Entgegen meiner Erwartung kam da aber nicht nur Amüsement, sondern auch allerlei anderes. Manche Menschen prophezeiten uns eine düstere Zukunft, man fragte sich, wo das noch enden würde, und diese Jungen seien doch «krank und würden ohne Hirn labern».  

Also ich weiss ja nicht, wo ihr aufgewachsen seid – in meinen Teenagerjahren passierte unter anderem Folgendes:  

Als ich circa zwölf Jahre alt war, hatte ein findiger Geschäftsmann die Idee, man könnte aus billigstem Plastik Nuggi-förmige Anhänger fertigen, die sich dann an einem Lederband um den Hals junger Menschen hängen liessen. Die Idee kam an und meine Freunde und ich verschlissen x Lederbändeli, weil daran kiloweise Plastik in Nuggiform baumelte. Es ist ein Wunder, dass wir alle keine Nackenfehlstellungen bekamen. Zeugt das von mehr Verstand als «Du huere Brot»? Nicht wirklich.  

Dann kam der Buffalo-Schuh. Das Kind eines Elefantenfusses und eines Pneus. Dazu trugen wir Netzstrümpfe und sehr kurze Röckli. Und brauchten Ausrücke wie «Alles Salametti?» und «Alles Adidas?» Letzteres zogen wir thematisch weiter, denn als ich in die Sek kam, war es eine Weile lang in – and I kid you not – Adiletten zur Schule zu tragen. Gepaart wurden diese mit Hosen derselben Marke und ja, ich meine die mit den Knöpfen an der Seite. Haben wir deshalb unser Land in den kulturellen Ruin getrieben? Wohl kaum.  

Zeitgleich hatten fast alle Kinder zuhause denselben Streit: «GEIL SEIT MER NÖD!» Und über uns alle wurde ein Redbull-Verbot verhängt, weil das illegal war, weshalb wir es natürlich umso öfter tranken. Wir Badasses! Dachten damals weniger Menschen als heute, «die Jungen» seien ausser Rand und Band? Nope.

Wahrscheinlich liegt es in der Natur des Menschen, die ihm nachfolgende Generation nicht oder nur teilweise zu verstehen. Teenager sind Teenager und Teenager machen seltsame Sachen. Manchmal staune auch ich und es gab auch schon Momente, wo ich dachte: «Die sind jetzt aber wirklich schlimmer als wir!» Dann aber erinnere ich mich an oben Erwähntes zurück und muss zugeben: Wir waren genauso schlimm – einfach anders. 

Bevor wir uns also das nächste Mal Sorgen über den kurz bevorstehenden Niedergang der abendländischen Kultur machen, weil Teenie-Jungs Teenie-Sprache reden, sollten wir uns unserer eigenen Jugend entsinnen.  

Und dänn chill’s mal, du huere Brot!

Yonni Meyer
Yonni Meyer (34) schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt. 

Pony M. auf Facebook

Yonni Meyer online

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
53 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sheez Gagoo
04.03.2016 15:17registriert November 2015
Mir ist der gleiche, respektlose Umgangston bei flyerverteilenden Jugendlichen aufgefallen:
"Da isch chläber uf Briefchaschte, Homonutte". "Schiis druuf, du Missgeburt."
Mir ist vor lauter Entsetzen der Joint aus dem Mund gefallen.
1332
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zürischnurre
04.03.2016 20:57registriert Februar 2016
Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.
Aristoteles, gr. Philosoph, 384-322 v. Chr.

Den find ich super :-))
1115
Melden
Zum Kommentar
avatar
Wandtafel
04.03.2016 12:55registriert März 2015
Wenn ich als Ex-Jugoslawe Schweizer Teens höre, welche sich gegenseitig Brate oder verschweizerdeutscht «Brätli» nennen, da lache und weine ich gleichzeitig. Aber man muss mit der Zeit gehn, sonst geht man mit der Zeit. Ultradeep, ich weiss.
721
Melden
Zum Kommentar
53
Fuck you, Finn!
Valentina ist verliebt. Nicht in mich. In Finn. Der Loser der Situation: ich.

Valentina war endlich wieder Single. Also, sie war immer Single, aber eine Weile gab's ja neben mir noch einen anderen Typen, Marcel. Dass es Marcel gab, fand ich nicht gut, aber ich durfte es natürlich nicht «nicht gut» finden, weil, Valentina und ich haben ja keine monogame Beziehung, wir haben gar keine Beziehung, was wir beide gut finden, aber wir haben auch nicht nichts, was auch gut ist, aber wenn dann da noch so ein Horst, respektive Marcel, ist, dann ist, was wir haben, natürlich bisschen weniger gut. Aus verschiedenen Gründen. Sie war öfter, wenn ich sie treffen wollte, «busy». Was sie machte, sagte sie nie, musste sie auch nicht, wusste ich eh: Marcel. Sie war auch eher mal «zu müde». Warum, war mir ebenfalls klar. Ich fand die Situation, je länger sie gedauert hat, nicht besser, aber ich habe mich damit abgefunden.

Zur Story