Die knappe Wiederwahl der linken Präsidentin Dilma Rousseff hat die Finanzmärkte Brasiliens erschüttert. Wegen Zweifeln an ihrer Wirtschaftspolitik verkauften viele Investoren am Montag ihre Aktien.
Der Index der Börse in Sao Paulo gab fast vier Prozent ab. Die Landeswährung fiel zeitweise auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren.
Die Investoren hatten auf den Rivalen Aecio Neves gesetzt, weil sie von ihm eine wirtschaftsfreundlichere Politik erwarteten. Rousseff selbst und auch Vertraute haben den Pessimismus der Märkte als Übertreibungen von Spekulanten abgetan. So sagte ihr langjähriger aussenpolitischer Berater Marco Aurelio Garcia während der Siegesfeiern, Investoren sollten sich entspannen und «Beruhigungsmittel nehmen».
Mit Spannung warten die Märkte nun, wer den scheidenden Finanzminister Guido Mantega ersetzen soll. Sie hoffen auf einen wirtschaftsfreundlicheren Politiker, der das Staatsdefizit unter Kontrolle bringen soll. Mantega versuchte am Montag, die Märkte zu beruhigen: In den kommenden vier Jahren habe die Budgetdisziplin Vorrang, sagte er.
Dabei steht Rousseff jetzt vor der Herausforderung, ihre Wahlversprechen umzusetzen und die Sozialleistungen auszuweiten. Etwa 40 Prozent der 200 Millionen Brasilianer leben in Haushalten, die mit umgerechnet weniger als 660 Franken im Monat auskommen müssen.
Mit dem Ausbau des Sozialstaates ist das Land in den vergangenen Jahren zum Vorbild für einige Regierungen in Lateinamerika geworden. Dabei konnte sich Rousseff auf den Rohstoffboom und steigende Steuereinnahmen verlassen.
Das Wachstum ist allerdings abgekühlt: Betrug es im Jahr vor Rousseffs Amtsantritt noch 7,5 Prozent, wird die Wirtschaft in diesem Jahr wohl um weniger als ein Prozent zulegen - für Schwellenländer wie Brasilien ein ungewöhnlich niedriger Wert. So erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) für Indien in diesem Jahr eine Rate von 5,6 Prozent und für China 7,4 Prozent.
Experten zufolge müsste Rousseff nun Steuer- und Arbeitsmarktreformen durchsetzen, um die Wirtschaft produktiver zu machen. Grössere Veränderungen werden sich aber nur schwer durchsetzen lassen, weil ihre Koalition nach den Parlamentswahlen in beiden Kammern Sitze abgeben muss. (aeg/sda/reu)