Als am Freitag gegen 13 Uhr der schwer bewaffnete Attentäter Amédy Coulibaly den jüdischen Supermarkt «Hyper Casher» an der Pariser Porte de Vincennes stürmt und das Feuer eröffnet, entkommen mehrere Kunden und ein Angestellter in Panik über eine Treppe in das Untergeschoss. Der 24 Jahre alte Angestellte Lassana Bathily aus Mali öffnet ihnen die Tür zum Kühlraum, wo sie sich verstecken.
«Ich habe die Schüsse gehört und gesehen, wie mein Kollege und die Kunden nach unten rannten», berichtet der junge Mann, nach eigenen Angaben ein praktizierender Muslim. «Ich habe ihnen gesagt: ‹Kommen Sie, kommen Sie› und ihnen Zugang zu dem Kühlraum verschafft.» Anschliessend schaltet Bathily das Kühlsystem ab.
Schliesslich entkommt der Malier und gibt den Polizisten die Pläne des Supermarkts. Bei dem Zugriff der Sicherheitskräfte wird der Attentäter getötet, der zuvor in dem Laden vier Menschen erschossen hatte. «Wir sind alle Brüder. Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime», sagt Bathily später. Frankreichs Staatspräsident François Hollande und der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu danken ihm.
Ungewöhnlichen Mut hat auch Michel Catalano bewiesen, der Chef einer Druckerei in der Ortschaft Dammartin-en-Goële nördlich von Paris. Dort waren am Freitagmorgen die flüchtigen Brüder Chérif und Said Kouachi aufgetaucht – zwei Tage nach dem Terroranschlag auf «Charlie Hebdo».
Der Firmenchef sieht die beiden von einem Fenster aus. Er habe nicht gewusst, ob es die Attentäter waren, berichtet der 47-Jährige der Nachrichtenagentur AFP. «Aber ich habe die Kalaschnikow und einen Raketenwerfer gesehen.» Catalano warnt sofort seinen Angestellten, den 26-jährigen Lilian Lepère. Der Grafiker versteckt sich unter einer Spüle, während sein Chef die schwer bewaffneten Männer auf der Treppe begrüsst. Er habe ihnen sogar einen Café angeboten, sagt er. «Ich habe vor allem an Lilian gedacht.»
Einem Kunden, der zu einem Termin vorbeikommt und den Franzosen mit den bewaffneten Attentätern antrifft, sagt Catalano lediglich, er solle ein anderes Mal wiederkommen. Die Brüder Kouachi lassen den Firmenchef schliesslich unbehelligt. Sein Grafiker übermittelt per SMS den Gendarmen der Elite-Einheit GIGN wichtige Informationen. Diese greifen am Nachmittag ein und töten die Terroristen. Catalanos Mut bringt ihm viel Lob ein, doch der 47-Jährige winkt ab: «Ich bin kein Held.»
Der Polizist algerischer Herkunft hat seinen Einsatz mit dem Leben bezahlt. Der Beamte ist einer der ersten, der am Mittwoch kurz nach dem Anschlag auf «Charlie Hebdo» am Tatort eintrifft. Merabet wird zunächst verletzt und anschliessend kaltblütig mit einem Kopfschuss hingerichtet – einen Monat vor seinem 41. Geburtstag.
Besonders tragisch ist, dass Merabet am Mittwoch Abschied vom Kommissariat des 11. Pariser Bezirks nehmen sollte, in dem sich die Redaktion von «Charlie Hebdo» befindet. Er sei befördert worden und sollte zur Kriminalpolizei wechseln, berichtet ein Bruder des Getöteten.
Im Internet und bei den zahlreichen Kundgebungen zollen viele Menschen dem Einwanderersohn mit dem Slogan «Ich bin Ahmed» Respekt – nicht zuletzt, um daran zu erinnern, dass unter den Opfern der islamistischen Attentäter auch Muslime sind. (whr/sda/afp)