An einer Schule in Parkland erschoss letzte Woche der 19-jährige Nikolas Cruz 17 Schüler und Lehrer. Normalerweise ebbt die Kritik an den laschen Waffengesetzen in den USA nach wenigen Tagen ab. Doch diesmal kommen die Politiker mit dem üblichen Lippenbekenntnis «unsere Gedanken und Gebete sind bei Euch» nicht so einfach davon. Die emotionalen Aussagen und Proteste überlebender Schüler, also der direkt betroffenen, sind auf allen TV-Sendern zu sehen. Sie bringen Trump und die Waffenlobby in grössere Schwierigkeiten, als es (linken) Waffengegnern je gelingen könnte.
Ob es Trump gefällt oder nicht, er muss sich weiter mit dem Schulmassaker beschäftigen. Gestern sagte er bei einem Treffen zum Thema Gewalt an Schulen im Weissen Haus:
At meeting on school safety, President Trump says violence in video games and movies is responsible for shaping young people’s thoughts: “We have to do something about maybe what they’re seeing” https://t.co/VfXvVkwQmq pic.twitter.com/vbt2t0dhtm
— CNN (@CNN) 22. Februar 2018
Trump spricht den Fakt an, dass Kinder und Jugendliche in den USA – anders als bei uns – nicht vor gewalttätigen Filmen oder Games geschützt werden, während sexuelle Szenen strikt tabu sind. Gewaltspiele dürfen in den USA ohne Einschränkungen an Minderjährige verkauft werden. Das höchste US-Gericht wollte Gewaltspiele für Jugendliche 2011 nicht verbieten. Die Richter entschieden, dass man bei medialer Gewalt in Büchern, Filmen oder Games «nicht mit verschiedenen Ellen messen» dürfe.
Dass die USA ein strenges Bewertungssystem für sexuelle Szenen haben, jedoch Gewalt in Filmen oder Videospielen überhaupt kein Thema ist, wirkt insbesondere aus europäischer Perspektive absurd.
In der Sache hat der Präsident bestimmt nicht unrecht, wenn er die Laissez-faire-Politik in den USA gegenüber Gewalt in Medien hinterfragt. Trotzdem sticht Trump in ein Wespennest, da er mit seiner Aussage den Fokus weg von den Waffen und der mächtigen Waffenlobby nimmt – und stattdessen Games und die weit weniger einflussreiche Game-Branche in die Kritik rückt. Die präsidiale Schelte gegen Filme und Games wirkt so heuchlerisch.
Trump setzt auf eine altbekannte Strategie der Waffenlobby: Nicht Gewehre seien Schuld an den Massakern, sondern der Geisteszustand der jungen Täter. Die mentale Gesundheit wiederum werde von gewalttätigen Videospielen oder Filmen negativ beeinflusst.
Videospiele für Schulmassaker verantwortlich zu machen, ist für Trump nichts Neues: Nach der Amoktat an der Sandy-Hook-Schule im Jahr 2012 schrieb er auf Twitter:
Video game violence & glorification must be stopped—it is creating monsters!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 17. Dezember 2012
In manchen Kreisen ist dies gewiss eine populäre Forderung. Aber ist sie auch sinnvoll?
Glaubt man der Wissenschaft, haben Gewaltspiele auf Jugendliche, die in einem intakten Umfeld leben, kaum einen negativen Einfluss. «Eine generelle Gefährdung Heranwachsender durch den Konsum von Gewaltdarstellungen in neuen Medien muss aus wissenschaftlicher Sicht als kaum existent angesehen werden.» Zu diesem Schluss kam etwa der Expertenbericht des Bundesamtes für Sozialversicherungen.
Anders sieht dies aus bei Kindern, die bereits Schwierigkeiten haben. Mehrere Studien konnten bei jungen Männern, die oft brutale Games spielen, eine Abstumpfung gegenüber Gewalt und den Folgen für die Opfer ausmachen. Der Mangel an Einfühlungsvermögen und Mitleid muss sich nicht in Gewalt äussern, erschwert aber die zwischenmenschlichen Beziehungen der Betroffenen.