Das Geschrei war gross, als Apple im Herbst das iPhone X präsentierte. Von Design-Fail war die Rede.
Spott und Hohn regnete es wegen des auffälligen schwarzen Balkens am oberen Rand des Displays.
Ohne das X auch nur eine Stunde genutzt zu haben, glaubten die Kommentatoren zu wissen, dass die Ausbuchtung ein unverzeihlicher Fehlgriff von Chefdesigner Jony Ive sei.
Und fünf Monate später?
Apple hat dank dem iPhone X einen neuen Einnahmerekord vermeldet und die «Notch» ist zum unverzichtbaren Feature geworden – für die Hersteller von Android-Handys ...
Der Fairness halber ist zu sagen, dass viele der oben gezeigten Android-Geräte billige iPhone-X-Klone sind. Doch zeigt sich der Trend auch bei bekannteren Namen:
Wir halten fest: Was Design-Puristen befürchtet hatten, wurde am Mittwoch durch Android-Entwickler Google offiziell bestätigt:
2018 ist das Jahr der Monobraue.
Die gestern vorgestellte Entwickler-Version von Android P beinhaltet einen «Display Cutout Support». Sprich: Google hilft den diversen Android-Herstellern, die Geräte mit Monobraue lancieren, unschöne Bildschirm-Darstellungen zu vermeiden.
Dass sich Android-Hersteller vom iPhone «inspirieren» lassen, ist nichts Neues. Und natürlich hat auch Apple immer wieder unter dem Gartenzaun hindurchgefressen.
Ausserdem gilt festzuhalten, dass das allererste Smartphone mit Monobraue das Essential Phone (PH-1) war. Mit dem Ende Mai 2017 vorgestellten Gerät kam Android-Co-Gründer Andy Rubin Apple zuvor. Das iPhone X folgte drei Monate später.
Fakt ist: Die Monobraue war in beiden Lagern unvermeidbar. Schuld ist die unnötige Hast der Hersteller, möglichst schnell angeblich «rahmenlose» Handys auf den Markt zu bringen.
Hinter der Monobraue des iPhone X verbirgt sich kein Geniestreich von Jony Ive, sondern Pragmatismus und technischer Zwang. Unter dem Sicherheitsglas steckt die «TrueDepth» genannte 3D-Kamera mit diversen Sensoren. Sie ermöglichen die bislang beste automatische Gesichtserkennung, die in einem Mobilgerät verbaut ist. Sei dies zur relativ sicheren biometrischen Authentifizierung oder für Augmented Reality (AR).
Bei der Konkurrenz sieht man die Braue hingegen auch als Design-Element bzw. Verkaufsargument für Leute, die ein Android-Gerät im iPhone-Look möchten.
Ausgerechnet Samsung macht nicht mit im Reigen der asiatischen Hersteller, die die kalifornische Monobraue kopieren. Das neue Flaggschiff, das Galaxy S9, kommt «oben ohne».
Dafür folgt Samsung dem anderen gewichtigen Smartphone-Trend. Oder ist diesem voraus, wie wir gleich sehen ...
Nokia und Asus tun es. LG, Huawei und OnePlus auch. Sie alle statten ihre diesjährigen Smartphone-Topmodelle mit einem Gehäuse aus Glas aus. Vlad Savov von The Verge konstatiert, dass 2018 alle grossen Hersteller auf das edle Material setzen. Die Zeit der Aluminium-Handys sei offiziell vorüber ...
Bleibt die Frage zu klären, welches Unternehmen den aus Kundensicht teuren folgenschweren Trend einleitete?
Wir erinnern uns, dass Sony (mit dem Xperia Z, ab 2013) und Samsung (mit dem Galaxy S6, 2015) schon seit ein paar Jahren auf Flaggschiffe mit Glasrücken setzen.
Noch früher daran war Apple. 2010 lancierten die Kalifornier das iPhone 4, dessen Vorder- und Rückseite aus Spezialglas des Herstellers Gorilla Glass besteht.
Warum Glas statt Aluminium oder Kunststoff? Dafür gibt's aus Herstellersicht mehrere Gründe:
Aus Kundensicht sieht's anders aus.
Die zerbrechlichen «Rücken» dürften vielen Usern Ärger und Mehrkosten bereiten. Selbst wenn es sich um Sicherheitsglas handelt, nehmen die Gehäuse bei Stürzen Schaden.
Dass das Ersetzen der Glasrückseite beim iPhone X dermassen viel kostet, ist mit seiner Bauweise zu erklären. Das Gerät muss praktisch komplett auseinandergenommen werden (im Gegensatz zum iPhone 8 und 8 Plus, die auch aus Glas sind).
Mein persönliches Fazit: Die Smartphone-Hersteller haben einen wenig kundenfreundlichen Weg eingeschlagen und die Design-Maxime «Form follows function» vernachlässigt. Freuen kann sich die Zubehör-Industrie, die tonnenweise Schutzhüllen, Folien und Sicherheitsglas für die teuren Geräte verkauft. Nicht zu reden von den Versicherungen ...
Diese waren so ziemlich die ersten mit randlosem Display (und ohne Monobraue).
Beispiel Mi Mix 2
P.S. Ja die Kamera unten ist wohl Gewöhnungssache :)