Die amerikanische Telekommunikations-Aufsicht FCC hat die strikten Regeln zur Gleichbehandlung von Daten im Internet abgeschafft. Drei Mitglieder der fünfköpfigen Kommission stimmten am Donnerstag in Washington einem Vorschlag zu, der die Aufhebung der bisherigen konsequenten Umsetzung der sogenannten Netzneutralität vorsieht.
Die Entscheidung ist höchst umstritten. Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen. Netzneutralität bedeutet konkret, dass Videos, Musik und Webseiten von Giganten wie YouTube, Facebook und WhatsApp oder kleineren Anbietern wie watson, Wilmaa oder Threema von den Internetprovidern gleich schnell über ihre Datennetze transportiert und nicht blockiert werden.
Bislang war es Internetprovidern in den USA wie AT&T, Verizon oder Comcast untersagt, bestimmten Datenverkehr zu blockieren oder zu verlangsamen, um anderen Inhalten Vorrang im Netz zu geben. Die strikten Regeln waren von der Regierung unter Barack Obama eingeführt worden.
Nach dem neuen Prinzip können Webdienste nun für eine bevorzugte Behandlung bezahlen. Die Netzbetreiber müssen offenlegen, ob sie bestimmten Anbietern höhere Geschwindigkeiten einräumen.
Online-Dienste wie Google, Facebook, Amazon und Netflix fürchten, dass sie von den Internetprovidern nun stärker zur Kasse gebeten werden könnten. Kritiker warnen auch, dass es gerade für grosse Internet-Firmen leichter sein wird, sich eine Überholspur im Netz zu kaufen – während junge Start-ups dafür kein Geld haben und benachteiligt wären.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass grosse Netzbetreiber wie etwa Comcast auch selbst Inhalte-Anbieter sind – und eigenen Internet-Diensten den Vorzug geben könnten. Zum Beispiel würde Netflix ausgebremst, wenn Netflix nicht bezahlt, während das eigene Streaming-Angebot bevorzugt durch das Netz fliesst. Ausserdem gibt es in vielen Regionen in den USA nur einen Breitband-Anbieter, so dass Verbraucher keine Alternative haben.
Der FCC-Vorsitzende Ajit Pai verspricht hingegen durch die Änderung höhere Investitionen in die Telekom-Infrastruktur. Er war von Präsident Donald Trump zum Chef des Gremiums gemacht worden. Die Republikaner haben dort die Mehrheit. Die beiden demokratischen Mitglieder stimmten gegen den Vorschlag.
Wie fast immer geht es um Geld, sehr viel Geld. Mit dem Ende der Netzneutralität können die Provider zusätzliche Einnahmen generieren, wenn grosse Internetfirmen wie Netflix für die Netznutzung zusätzlich bezahlen müssen, damit ihre Daten (Videos, Musik etc.) störungsfrei zu den Nutzern transportiert werden. Gegner der Netzneutralität argumentieren, das Zwei-Klassen-Internet sei notwendig, da so Datenpakete zeitkritischer Dienste wie Internettelefonie gegenüber nicht-zeitkritischen Diensten wie E-Mail bevorzugt übertragen werden können. Für die bevorzugte Übertragung sollen Anbieter zeitkritischer Dienste wie etwa Internettelefonie (Skype) oder Streamingdienste (Youtube) entsprechend bezahlen.
Die Internetprovider drängen schon seit Jahren auf das Zwei-Klassen-Internet, um ihre Dienste stärker zu monetarisieren. Dies sei notwendig, um den rasant wachsenden Datenverkehr bewältigen zu können. Verfechter der Netzneutralität sagen hingegen, es gehe darum, sowohl den Internetfirmen als auch den Konsumenten das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Vor der Entscheidung hatte es auch Wirbel um Reaktionen aus der Bevölkerung in dem Verfahren gegeben. Bürger konnten sich mit Kommentaren einbringen und Gründe für oder gegen die Abschaffung der Regeln nennen.
Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman sagte, dass dieser Prozess durch Millionen gefälschter Kommentare manipuliert worden sei. Bei zwei Millionen dieser Kommentare seien gestohlene Identitäten benutzt worden.
Hey, @AjitPaiFCC, today my mom would have turned 71. But she didn't. Because she died in March of 2016. Can you please take the time to explain to me how she made three separate comments in support of ending #NetNeutrality more than a year after she died?
— Mackenzie Astin (@MackenzieAstin) December 15, 2017
cc: @SeanAstin pic.twitter.com/VtdLaB0eGp
Schneiderman und mehrere andere Generalstaatsanwälte forderten deswegen, die Abstimmung zu verschieben. Am Donnerstag kündigte er eine Klage an.
Was ist Netzneutralität überhaupt? Und welche Bedeutung hat ein «freies Internet» für uns Konsumenten? Die einfachste Erklärung liefert unser Video.
This 2009 chart on a Net Neutrality nightmare scenario is effectively our present https://t.co/PSDw6GdOVG pic.twitter.com/zNGJjcnCpb
— Jonathan Poritsky (@poritsky) 9. August 2017
(oli/sda/dpa)
Wenn nicht durch das FCC selbst, dann letztendlich durch den feuchten Traum eines Executive Orders.
Je nach Marktstellung gewisser kleinerer US Anbieter und Netzwerklast werden sogar wir das vielleicht selbst bis hier spüren.