Wie sehen Smartphones in zwei, drei oder vielleicht fünf Jahren aus? Auf jeden Fall rahmenlos. Das sieht man nirgends so deutlich wie diese Woche am Branchentreffen Mobile World Congress in Barcelona. Samsung hat den Trend zu immer kleineren Rahmen ums Display vor wenigen Jahren losgetreten. Inzwischen versuchen sich fast alle Smartphone-Hersteller an mehr oder weniger rahmenlosen Geräten. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Bislang haben aber alle quasi-rahmenlosen Smartphones gewaltige Nachteile: Sie sind zum Beispiel extrem zerbrechlich.
Samsungs Galaxy S9 hat oben und unten deutlich sichtbare Ränder – für die Kamera, den Lautsprecher und weitere Sensoren. An den Seiten geht das abgerundete Display fliessend in den Rahmen über. Das sieht zwar elegant aus, da aber der Platz für den Fingerabdruckscanner fehlt, musste dieser auf der Rückseite platziert werden, was längst nicht jedem passt.
Apples iPhone X hat am oberen Rand eine markante Aussparung für die Kamera- und Sensorenleiste. Unten und auf den Seiten wird das Display von einem relativ dünnen, aber gut sichtbaren Rahmen eingefasst. Auch hier fehlt der Platz für den Fingerabdruckscanner, da es auch Apple nicht geschafft hat, die Fingererkennung in das Display zu integrieren.
Apple und Samsung setzen daher auf die Gesichtserkennung per Frontkamera und weitere Sensoren, um den Nutzer zu identifizieren. Dies wiederum verunmöglicht nicht nur ein völlig rahmenloses Display, viele Menschen wollen ihr Gesicht schlicht nicht scannen lassen.
Wiko und andere Hersteller wie Essential gehen noch einen Schritt weiter und lassen lediglich eine kleine Aussparung für die Kamera. Das kann man so machen, wirklich überzeugend sieht dies aber auch nicht aus.
Here's a weird one... Wiko View2 Pro - I'll have a video up shortly. pic.twitter.com/r6C8sQm1ml
— Roland Quandt (@rquandt) February 26, 2018
Der in China beliebte Smartphone-Hersteller Xiaomi verzichtet am oberen Rand auf eine Kamera.
Richtig rahmenlos ist auch dieses Smartphone nicht. Beim Mi Mix 2 wurde die Kamera im unteren Rahmen platziert. Ob das wirklich sinnvoll ist?
Mehr oder weniger rahmenlose Smartphones wie das Galaxy S9, iPhone X oder Mi Mix 2 bestehen aus lauter Kompromissen: Entweder ist der Fingerabdruckscanner auf der Rückseite oder er fehlt ganz. Der Touchscreen wird durch das randlose Design noch zerbrechlicher und die Frontkamera im unteren Rahmen zu platzieren, ist auch keine überzeugende Lösung. Am Mobile World Congress hat Vivo nun ein funktionierendes Konzept-Smartphone vorgestellt, das die meisten Probleme bisheriger «randloser» Smartphones lösen soll.
Das Interessante an diesem Konzept-Smartphone ist nicht etwa, dass der Bildschirm praktisch die gesamte Vorderseite bedeckt, sondern, dass die Sensoren unter dem Display verborgen sind. Es reicht also, einen Finger auf das Display zu legen, um es zu entsperren. Der untere Drittel des Displays ist quasi ein gigantischer Fingerprintscanner.
Vivo hat bereits Anfang Jahr das erste Smartphone mit einem im Display integrierten Fingerabdruckleser gezeigt. Das Ziel ist aber, dass man nicht einen bestimmten virtuellen Button bzw. ein kleines Icon treffen muss, sondern die untere Hälfte oder das untere Drittel des Displays als Fingerabdruckscanner dient. Dies macht das Entsperren vermutlich deutlich intuitiver, weil man den Finger nicht präzise platzieren muss.
Für zusätzliche Sicherheit kann man den Scanner so einstellen, dass er zwei Finger gleichzeitig erkennen muss, um das Gerät zu entsperren. Beim gezeigten Konzept-Smartphone funktioniert dies ziemlich gut, allerdings ist der Scanner noch etwas langsamer als bisherige Scanner, die nicht im Display integriert sind (siehe folgendes Video).
Die Kamera ist im Gehäuse verborgen und wird nur bei Bedarf innerhalb von 0,8 Sekunden oben ausgefahren.
Ob diese Lösung im Alltag überzeugt, wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall ist es ein interessanter Ansatz, um breite Rahmen oder Aussparungen um die Kamera zu vermeiden.
Übrigens: Auch Huawei zeigt am Mobile World Congress eine ausklappbare Kamera, allerdings in einem Notebook. Konkret ist die winzige Kamera in einer Tastaturtaste verborgen.
Weil sie so knuffig ist: Hier noch mal ein Closeup von der Tastaturkamera im Huawei Matebook X Pro. pic.twitter.com/tbTteun1mc
— Matthias Kremp (@mkremp) February 26, 2018
Der fehlende Rahmen bei Vivos Konzept-Smartphone verhindert auch einen klassischen Lautsprecher, der genutzt wird, wenn man das Handy zum Telefonieren direkt ans Ohr hält. Der Schall wird daher über Vibrationen des Bildschirms erzeugt. Laut Tech-Portal The Verge funktioniert das einigermassen gut, ein Gespräch über einen traditionellen Lautsprecher klinge aber besser. Alle Probleme randloser Smartphones hat also auch Vivo noch nicht restlos gelöst.
Vivo betont denn auch, dass das Apex ein Konzept-Smartphone ist, sprich eine Machbarkeitsstudie. Ob und welche Funktionen des Apex je in ein marktreifes Smartphone gelangen, wollen die Verantwortlichen natürlich noch nicht verraten. Fest steht zumindest: Der ins Display integrierte Fingerabdruckscanner funktioniert. Die ausfahrbare Kamera funktioniert. Und der Lautsprecher über die Vibrationen des Bildschirms funktioniert ebenfalls. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis wir diese Funktionen auch bei anderen Herstellern in so ähnlicher Form sehen werden.
In unseren Breitengraden ist Vivo so gut wie unbekannt. In China hingegen verkauft die Firma mehr Smartphones als Samsung und Apple.
Platz drei in China reicht, um sich auch global hinter Samsung, Apple, Huawei und Oppo als fünftgrösster Smartphone-Hersteller einzureihen. Vivo ist somit alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, sondern ein Smartphone-Riese, der der Welt gerade bewiesen hat, dass China nicht mehr nur kopiert, sondern innoviert.