Digital
Apple

Swatch vs. Apple – oder: Wer hat Angst vor der iWatch?

Nick Hayek blickt scheinbar zuversichtlich in die Smartwatch-Zukunft.
Nick Hayek blickt scheinbar zuversichtlich in die Smartwatch-Zukunft.Bild: KEYSTONE
Kommentar

Swatch vs. Apple – oder: Wer hat Angst vor der iWatch?

Es kann nur eine geben. Oder würden Sie wie der Swatch-Chef Nick Hayek zwei Uhren tragen? Ein Kommentar zum Kampf ums Handgelenk, der von Apple neu lanciert wird.
23.08.2014, 07:0825.08.2014, 21:42
Mehr «Digital»
No Components found for watson.monster.

Einst galten Armbanduhren als «weibisch». Die Herren der Schöpfung widersetzten sich dem Mode-Trend am Handgelenk und zogen weiterhin an der Kette.

Die Taschenuhr herrschte bis ins 20. Jahrhundert hinein vor. Sie erwies sich aber in den Schlachten des Ersten Weltkriegs als unpraktisch und verstaubte bald in den Schubladen.

Keine hundert Jahre später sind auch die Armbanduhren dort gelandet. Von den meisten Handgelenken sind sie verschwunden oder werden nur noch mit spezieller Motivation getragen, als Schmuck oder Status-Symbol. 

Ändert sich die Situation mit dem Aufkommen der sogenannt «schlauen Uhren»? Noch deutet wenig darauf hin. Die verfügbaren Smartwatches sind vorsichtig ausgedrückt kein «Game Changer». Der moderne Mensch zückt weiterhin in allen Lebenslagen das Handy.

Das könnte sich in naher Zukunft ändern. Zwar fehlt noch die offizielle Bestätigung, doch deutet alles darauf hin, dass Apple in den Kampf ums Handgelenk einsteigt.

Geht die i-Revolution weiter?

Die Konkurrenz hätte allen Grund, beunruhigt zu sein. Erinnern wir uns an die jüngere Wirtschaftsgeschichte:

2001 brachte Apple den iPod heraus – und wurde belächelt. 2007 präsentierte Steve Jobs das erste iPhone – und die Konkurrenz, allen voran Marktführer Nokia, machte sich darüber lustig.

Was folgte, ist bekannt. Apple stellte mit seinen i-Geräten und dem damit verbundenen Ökosystem (iTunes/App Store) die Musikindustrie auf den Kopf und überrollte die gesamte Mobilfunkbranche. 

Nun sind die Anzeichen da, dass es wieder passiert. Neben der Uhrenindustrie wird es die Gesundheits- und Fitnessbranche treffen.

Mit dem Handgelenk sprechen? Irgendwie schräg.
Mit dem Handgelenk sprechen? Irgendwie schräg.Bild: Getty Images 

So setzt sich die iWatch durch

Der Chefredaktor des Apple-Fachmagazins Macwelt.de brachte es in einem Kommentar auf den Punkt: Damit sich die iWatch als Massenprodukt durchsetzt, muss Apple zwei Dinge richtig machen: 

1. Es gilt diejenigen Menschen zu überzeugen, die aus Prinzip keine Armbanduhr tragen, sich wieder ein Stück Technik ans Handgelenk zu schnallen.

2. Überzeugt werden müssen auch die Uhrenträger. Sie sollen ihr angestammtes Modell gegen eine Apple-Uhr eintauschen. Denn: Die iWatch wird nicht zusätzlich zu einer zweiten Armbanduhr getragen. «Wenn, dann kann es nur eine geben!»

Gelingen könne so etwas nur mit einem cleveren Spagat, meint der Apple-Kenner. Zum einen müsse die iWatch die technikinteressierten Geeks ansprechen. Zum anderen müsse sie rein optisch ausreichend «retro» sein, damit sie als Ersatz für herkömmliche Uhren infrage komme.

Kann dies Apple schaffen?

Skeptischer Professor

In den vergangenen Monaten haben sich die skeptischen Stimmen gemehrt. Fast unisono lassen Experten verlauten, dass Apple mit der iWatch zwar kommerziellen Erfolg haben werde. Mit einer Tech-Revolution sei aber nicht zu rechnen.

Die Smartwatch stelle keinen «technologischen Schock wie die Quarzuhr» dar, sagte der Neuenburger Wirtschaftsprofessor Pierre-Yves Donzé  gegenüber dem «Tages-Anzeiger». «Es geht nicht darum, die Uhr neu zu erfinden, sondern daraus eine technische Spielerei zu machen, die eine Verbindung ins Internet gewährleistet.»

Damit liegt der Professor meines Erachtens falsch. Oder genauer: Die Aussage mag für die bisherigen Smartwatch-Lancierungen zutreffen. Doch bei Apple wird es definitiv anders sein: Die Kalifornier «müssen» die Uhr neu erfinden. Erst wenn sich die Führungsriege sicher ist, dass ein solches Produkt vorliegt, erfolgt die Lancierung.

Die Schlüssel zum Erfolg

Wie der Schweizer Smartwatch-Experte Pascal Koenig im watson-Interview sagte, gibt es zwei Schlüssel für den Erfolg der iWatch: nützliche Funktionen und ein deutlich besseres Design. 

Analysiert man die bisherigen ernstzunehmenden Hinweise, dann wird sich Apple mit der iWatch genau in diesen Bereichen von der Konkurrenz abheben. Mit nicht absehbaren Auswirkungen für den noch jungen Markt der Smartwatches, aber auch für herkömmliche Alltagsuhren.

1. Das Design

Apple hat mit dem Chefdesigner Jonathan («Jony») Ive einen Trumpf im Ärmel. Der Brite, der gerne das Team in den Vordergrund stellt, zeichnete schon für einige geniale Würfe verantwortlich. Ausserdem gilt er – wie auch der Apple-Chef Tim Cook – als Uhren-Fan.

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Jony Ive mit iMac und Uhr.
Ein Bild aus vergangenen Tagen: Jony Ive mit iMac und Uhr.Bild: EPA PA

Ive war ein enger Vertrauter von Steve Jobs und verfolgt seit jeher einen Ansatz, der die Apple-Produkte von der Konkurrenz abhebt. Die Käufer sollen nicht nur ein edel gestyltes Gerät mit vielen praktischen Funktionen für den Alltag kaufen. Sie sollen sich darin verlieben. 

Technologie sei etwas Intimes, sagte der Apple-Chefdesigner. «Die Kopfhörer in den Ohren, das Handy neben dem Bett – das sind sehr enge Beziehungen.» Das gilt natürlich noch viel stärker für ein Gerät, das Tag (und Nacht?) auf der Haut getragen wird.

«I think for something to work here, you first have to convince people it's so incredible that they want to wear it.»
Tim Cook über ein Apple-Gerät fürs Handgelenk.D11 conference, 2013

Seit vielen Jahren beschäftigen sich Ive und sein Team mit der Idee einer Computer-Uhr. Durchgesickert ist bislang wenig, abgesehen von öffentlich zugänglichen Patent-Anträgen. Die zum Teil mehrere Jahre alten Dokumente sind allerdings kaum aussagekräftig, was das Aussehen der Apple-Uhr betrifft. So lässt etwa ein kürzlich genehmigter Patent-Antrag ein – oh Wunder! – gewölbtes Display erwarten.

Das Design der iWatch gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen der Tech-Welt. Was wir mit Bestimmtheit sagen können: Die Optik wird auch jene (modebewusste) Hälfte der Bevölkerung ansprechen, die sich von den bisherigen Geräten kaum abgeholt fühlen dürfte: die Frauen.

2. Die Killerfeatures

Das attraktive Äussere ist das eine, noch viel wichtiger sind aber die inneren Werte der iWatch. Wobei sich dies auf die geschickte Kombination von Hardware und Software bezieht. 

Was trug der Apple-Chef 2013 am Handgelenk? Ein Fitnessband.
Was trug der Apple-Chef 2013 am Handgelenk? Ein Fitnessband.Bild: Getty Images

Wie kein anderes Tech-Unternehmen ist Apple dank vertikaler Integration in der Lage, Tech-Produkte aus einem Guss zu schaffen. Oder wie es ein Manager im Buch «Inside Apple» ausdrückte: Apple ist nicht von anderen abhängig, um die eigenen Visionen in die Tat umzusetzen.

Damit die iWatch bei Nicht-Uhren-Trägern einschlägt, muss sie mehr sein als ein am Handgelenk getragener «Satellit» des Smartphones. Sie muss zum unverzichtbaren Begleiter in allen Lebenslagen werden. 

Ein wahrscheinliches Killerfeature sind Funktionen zur Überwachung (und Verbesserung) der Gesundheit. Die in das Armband und/oder Gehäuse integrierten Sensoren könnten medizinisch relevante Daten aufzeichnen. Ein Schrittzähler, wie ihn viele Fitnessbänder bieten, wird nicht reichen. Wie wär's zum Beispiel mit der automatischen Kontrolle der Herzleistung? Bei drohendem Infarkt würde Alarm geschlagen.

Welche Sensoren tatsächlich in die erste iWatch eingebaut werden, bleibt vorläufig ein Geheimnis. Fakt ist: Apple hat in den letzten Jahren viele Fachleute aus unterschiedlichen Branchen abgeworben, darunter Mode-Profis, Medizinaltechnik-Experten, Ärzte und Wissenschaftler.

Was die Software betrifft, ist die Vorarbeit geleistet. Mit dem für Herbst erwarteten neuen Betriebssystem iOS 8 wird Apple die Healthkit-Plattform einführen. Auf dem iPhone, iPad oder iPod Touch wird eine neue App vorinstalliert sein. Damit lassen sich persönliche Gesundheitsdaten zentral und sicher verwalten.

Die Uhr als Portemonnaie und Fernbedienung

Die Schweizer Smartwatch Group hat die 20 wichtigsten Anwendungsgebiete für schlaue Uhren zusammengefasst. Dazu gehört das bargeldlose Bezahlen, ohne Zücken des Smartphones.

Möglich, dass Apple nach Jahren des Abwartens auf den Zug aufspringt und neben Bluetooth 4.0 wie die Konkurrenz auf NFC (Near Field Communication) setzt. Diese Technologie zur kontaktfreien Datenübermittlung (über wenige Zentimeter Distanz) hat sich bislang nicht auf breiter Basis durchgesetzt. Nun werden aber auch in Europa immer mehr Kassenterminals aufgerüstet.

Nicht unerwähnt bleiben soll ausserdem das Internet der Dinge. Immer mehr Häuser und Haushaltsgegenstände sind vernetzt. Apple hat an der diesjährigen Entwicklerkonferenz WWDC die Smarthome-Plattform HomeKit vorgestellt. Die iWatch wäre die ideale Fernbedienung.

Immer noch eines der besten iWatch-Konzepte.quelle: youtube

Ein oft zitiertes Killerfeature ist auch die Akkuleistung. Laut Prognosen wird die iWatch nur Erfolg haben, wenn sie im Dauerbetrieb mehrere Tage durchhält. Dies könnte dank Fortschritten bei der Batterietechnik möglich sein. Gleichzeitig sollte man das Argument aber auch nicht überbewerten. Vom Alltag sind wir uns gewohnt, unser wichtigstes Mobilgerät, das Smartphone, fast jeden Abend aufzuladen. Wenn dies bei der iWatch ohne lästiges Kabel funktioniert, umso besser.

«Es ist nicht nötig, dass wir uns beeilen»

Und was sagt der Chef des grössten Schweizer Uhrenkonzerns, der Swatch Group? Er glaube an die Smartwatch, aber nicht als Ersatz für Uhren, wurde Nick Hayek von den Medien zitiert. Und weiter: «Smartwatches können uns neue Chancen ermöglichen. Aber es ist nicht nötig, dass wir uns beeilen und diesen Markt erschaffen.»

Ganz wohl scheint es Hayek mit der abwartenden Haltung nicht zu sein. Vor wenigen Wochen kündigte er in der «NZZ am Sonntag» vorsorglich an, dass sein Unternehmen 2015 eine neue Version der «Swatch Touch» herausbringen werde: eine Fitnessuhr. 

Keine Partnerschaft

Swatch verfügt zweifellos über das Know-how in Sachen Uhren-Konstruktion und gehörte zu den Smartwatch-Pionieren. Allerdings war die 2004 zusammen mit Microsoft lancierte Swatch Paparazzi ihrer Zeit voraus und entpuppte sich als Ladenhüter.

Zehn Jahre später wären die Schweizer wieder auf einen starken Partner aus der Techbranche angewiesen. Nur wenn eine Smartwatch an ein attraktives Ökosystem angebunden ist und eine sichere Speicherung der persönlichen Daten garantiert, wird sie sich auf breiter Basis durchsetzen. Infrage kämen Apples iOS oder Android Wear von Google. Im Hintergrund soll aber auch Microsoft an einer schlauen Uhr basteln.

Der Swatch-Chef im Frühjahr 2014.
Der Swatch-Chef im Frühjahr 2014.Bild: KEYSTONE

Eine enge Partnerschaft von Apple und Swatch scheint ausgeschlossen. Der Schweizer Uhren-Konzern bekämpft die Eintragung des bis heute wahrscheinlichsten Namen iWatch in die Markenregister. Ende Juli schliesslich dementierte der Swatch-Chef das Gerücht, dass beide Unternehmen gemeinsam an einer Smartwatch arbeiten.

Für die Schweizer Volkswirtschaft ist zu hoffen, dass sich der Alleingang nicht rächt. Angestammte Uhrenfirmen dürften sich nur allzu gut an die schwere Krise erinnern, als die Japaner in den 70er-Jahren mit günstigen, aber präzisen Digitaluhren auf den Markt drängten. Damals brauchte es das Genie eines Nicolas Hayek, um das Steuer herumzureissen. Nun ist der Sohn des 2010 gestorbenen Swatch-Gründers gefordert ...

Da war Swatch schneller

Zumindest in einem Punkt ist Swatch Apple zuvorgekommen. Die Schweizer haben sich die Exklusivrechte an der Liquidmetal-Technologie für Uhren gesichert. Das heisst, nur Swatch darf Uhren, respektive Uhrenbestandteile, mit der speziellen Legierung fertigen und tut dies auch bereits, wie das Beispiel Omega Seamaster zeigt. Abgesehen von Uhren besitzt hingegen Apple die Exklusivrechte für die Verwendung von Liquidmetal in Geräten der Unterhaltungselektronik.

Ob Apple die iWatch bereits mit dem iPhone 6 am 9. September enthüllen wird, ist offen. Laut dem asiatischen Finanzanalysten Ming-Chi Kuo, der schon verschiedentlich richtig lag, könnte sich die Lancierung wegen technischer Schwierigkeiten verzögern – allenfalls bis 2015. Im Kontrast dazu stehen die jüngsten Hinweise aus den USA, dass Apple die Massenproduktion von künstlichem Saphirglas diesen Monat anlaufen lässt. Das besonders robuste und kratzfeste Material wäre perfekt geeignet, um den Touchscreen der iWatch schützen. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
8
Darum würde Roger Schawinski keinen Tesla mehr kaufen
Er ist ein Tesla-Fahrer der ersten Stunde, doch nun schüttelt Roger Schawinski den Kopf über das Benehmen von Elon Musk. Wirken sich dessen Eskapaden auf die Absätze der Elektroauto-Marke Tesla aus?

Die Marke Tesla hat ein Chef-Problem. Elon Musks Eskapaden auf X häufen sich, das geht von Hitlervergleichen bis zur plötzlichen Hinwendung Richtung Putin, nachdem er zu Kriegsbeginn die Ukraine noch mit seinen Internet-Satelliten Starlink unterstützt hatte.

Zur Story