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Warum das einheitliche Ladekabel ein Traum bleibt

MacBook, Windows-Tablet, iPhone und Nokia Lumia: Vier Geräte, vier Ladekabel. Muss das sein? Die klare Antwort: Jein.
MacBook, Windows-Tablet, iPhone und Nokia Lumia: Vier Geräte, vier Ladekabel. Muss das sein? Die klare Antwort: Jein.Bild watson
Kabelsalat

Warum das einheitliche Ladekabel ein Traum bleibt

Das Thema Universal-Ladegerät ist wieder auf dem Tisch: Smartphones aller Hersteller sollen bis 2017 mit einem gemeinsamen Ladegerät kompatibel sein, fordert die EU. Zwei Technikexperten erklären, warum der gut gemeinte Vorschlag zum Scheitern verurteilt ist.
27.03.2014, 10:0523.06.2014, 17:13
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Seit Jahren wird bei Ladegeräten für Smartphones um einen Standard gerangelt. Nokia, Sony, Samsung und weitere Hersteller haben sich 2009 auf Druck der EU auf den Micro-USB-Anschluss geeinigt. Apple hält an einem eigenen Ladekabel fest. Nun unternimmt die EU einen neuen Anlauf: «Mobiltelefone sollen bis 2017 mit einem gemeinsamen Ladegerät kompatibel sein», heisst es im jüngsten Gesetzentwurf. Das sei zum Nutzen der Konsumenten und der Umwelt notwendig.

«Es dürfte auf ein gemeinsames Netzteil mit USB-Anschluss hinauslaufen, in das Hersteller ihre eigenen Ladekabel stecken. Apple und Samsung könnten so weiterhin unterschiedliche Kabel anbieten. »

Was aber ist unter einem «kompatiblen Ladegerät» zu verstehen? «Es geht nur um Netzteile, nicht um Kabel», erklärte der Branchenverband Digitaleurope in der NZZ. Dem Verband gehören Unternehmen wie Apple und Samsung an. Setzen sich die Hersteller durch, sind auch künftig lediglich die Netzteile kompatibel – und das ist bei Smartphones schon jetzt der Fall. Apple und die anderen Hersteller nutzen alle Netzteile mit USB-Anschluss. Weitgehend uneinheitlich ist und bliebe dagegen der Anschlussstecker am Smartphone selbst. 

In der EU gibt es aber auch Stimmen, die Nägel mit Köpfen machen wollen und darüber hinaus einheitliche Ladekabel fordern. Diese Richtlinie könnte gar auf Tablets ausgeweitet werden. Was auf den ersten Blick vernünftig klingt, offenbart im Alltag eklatante Nachteile: Ein grosses Tablet lässt sich nur sehr langsam mit einem Micro-USB-Kabel für Smartphones laden.

Wohl auch deshalb lässt der Gesetzentwurf noch vieles offen. Insbesondere die Frage, ob der weit verbreitete Micro-USB-Stecker, Apples Lightning-Stecker oder ein neuer Standard ab 2017 gelten soll. Der Ball liegt nun bei den Herstellern. Sie haben drei Jahre Zeit, eine konsumentenfreundliche Lösung zu finden.

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Bild: watson

Ist ein universelles Ladekabel, das für sämtliche Smartphones und Tablets genutzt werden kann, möglich und sinnvoll?
Jürg Luthiger und Chris Yereaztian von der Fachhochschule Nordwestschweiz:
 Grundsätzlich haben sich mittlerweile alle grossen Hersteller mit Ausnahme von Apple auf den Micro-USB Standard geeinigt. Der Gedanke dahinter ist offensichtlich: Ladekabel sowie Ladegeräte können herstellerübergreifend eingesetzt werden. Das heisst zum Beispiel, dass ein Samsung-Smartphone mit einem Ladegerät von einem HTC-Gerät aufgeladen werden kann und umgekehrt.

Anstelle eines günstigen Micro-USB-Kabels hat Apple diverse Adapter und Ladekabel im Angebot: Der Lightning auf Micro-USB Adapter (Bild) schlägt mit 19 Franken zu Buche.
Anstelle eines günstigen Micro-USB-Kabels hat Apple diverse Adapter und Ladekabel im Angebot: Der Lightning auf Micro-USB Adapter (Bild) schlägt mit 19 Franken zu Buche.Bild: Apple

Warum nutzt Apple eigene Ladegeräte?
Apple verwendet immer gerne eigene Stecker-Standards, da sie mit dem Verkauf von Ladekabeln sowie der Lizenzierung des Steckers für Zubehör Geld verdienen. Auf der anderen Seite bietet der neue Lightning-Stecker gegenüber Micro-USB auch handfeste Vorteile: So gibt es kein oben oder unten. Das heisst, man kann den Stecker nicht verkehrt anschliessen. Damit werden Beschädigungen von Steckern am Smartphone und Tablet verhindert. 

Da alle neuen Apple-Geräte den Lightning-Stecker besitzen, kann ein iPhone auch mit einem iPad-Ladegerät aufgeladen werden und umgekehrt. Die Stromstärke reicht offenbar aus, um ein iPad selbst im Betrieb in kurzer Zeit aufzuladen. 

Das klingt gut, Micro-USB wäre trotzdem viel verbreiteter.
Mit Micro-USB lassen sich offiziell nur 500 Milliampere (mA) Strom über das Ladekabel übertragen. Für Smartphones reicht das, für Tablets ist es viel zu wenig. 

Tablets von Sony und Samsung haben einen Micro-USB-Anschluss. Sie können so über das Smartphone-Ladekabel geladen.
Mit dem geringen Ladestrom benötigt man mehrere Stunden, um das Tablet zu laden. Falls das Gerät während dem Laden noch genutzt wird, kann es sogar sein, dass die Batterie gar nicht geladen wird. Die Stromzufuhr reicht oft nur gerade aus, um das Gerät zu betreiben, aber eben nicht, um den Akku zu laden. 

Kleine Tablets können also über Micro-USB geladen werden, grosse nicht?
Bei grossen Tablets wie das Surface von Microsoft oder Galaxy Tab Pro von Samsung reicht der Ladestrom nicht aus. Die Hersteller haben daher zwei Möglichkeiten: Microsoft und Samsung setzen bei ihren Tablets nicht auf den verbreiteten Micro-USB-Anschluss, sondern auf einen eigenen Stecker, mit dem sie mehr Strom an das Gerät senden können. 

Asus hingegen verwendet auch für seine Tablets Micro-USB, sendet aber mehr Strom über das Kabel, als der Standard offiziell zulässt. Der Vorteil bei dieser Lösung: Man benötigt keinen zusätzlichen Stecker, sondern kann weiterhin den günstigen Micro-USB-Stecker nutzen.

Auch das Surface von Microsoft kommt mit einem eigenen Netzteil und Ladekabel. Vorteil: Das grosse Tablet lässt sich schneller aufladen als über Micro-USB. Nachteil: Der Nutzer braucht ein weiteres La ...
Auch das Surface von Microsoft kommt mit einem eigenen Netzteil und Ladekabel. Vorteil: Das grosse Tablet lässt sich schneller aufladen als über Micro-USB. Nachteil: Der Nutzer braucht ein weiteres Ladekabel. Bild: watson

Wie kann man mehr Strom über das Micro-USB-Kabel senden? 
Asus, Apple und andere verwenden einen simplen Trick für diesen höheren Ladestrom. Die Tablets nutzen unbenutzte Pins im Ladekabel, um spezifische Signale an das Ladegerät zu senden. Das Ladegerät kann dann mehr als die eigentlich vorgesehenen 500 mA an das Gerät senden. Maximal sind so bis zu 1800 Milliampere (mA) möglich. 

Wenn man mehr Strom über das Micro-USB-Kabel senden kann, als es der Standard vorsieht, warum machen dies nicht alle Hersteller?
Der Haken ist, dass der Nutzer das Tablet nur noch mit dem spezifischen Ladegerät des Herstellers sinnvoll betreiben kann. Ein anderes Ladegerät würde das Signal des Tablets, das nach mehr Strom verlangt, nicht verstehen und deshalb nie mehr als 500 mA an das Gerät sendet. Ein Ladegerät von einem anderen Hersteller würde das Tablet daher nur langsam oder gar nicht aufladen. 

Wird der Akku nicht beschädigt, wenn man mehr Strom über das Kabel schickt, als bei Micro-USB eigentlich vorgesehen ist?
Offenbar nicht, sonst hätte man das über die Medien erfahren.

Warum einigen sich die Hersteller nicht auf den neuen Lightning-Stecker von Apple, wenn er gegenüber dem alten Micro-USB-Stecker Vorteile hat?
Das ist wohl alles eine Frage des Geldes. Samsung und Co. müssten Apple für die Nutzung des Lightning-Steckers Lizenzgebühren zahlen. Dementsprechend ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese freiwillig Geld an den grössten Konkurrenten abgeben. Ohne einen gesetzlichen Zwang gibt es hier kaum eine Möglichkeit, dass sich alle Hersteller auf einen Standard einigen. ​

Angenommen die EU drückt das Universal-Ladegerät durch: Würde Apple mitspielen?
Selbst mit einem gesetzlichen EU-Zwang wird Apple kaum neue iPhone und Tablets mit Micro-USB Stecker verkaufen. Stattdessen werden sie einen Lightning-to-Micro-USB-Adapter zu jedem Gerät in der EU beilegen, so dass das iPhone und iPad auch über Micro-USB geladen werden können.

Die EU fordert bis 2017 einheitliche Ladegeräte. Hat sich bis dann nicht bereits das kabellose Laden durchgesetzt? 
Ob sich kabelloses Laden bis 2017 überall durchgesetzt hat, ist unwahrscheinlich. Kabelloses Laden ist weniger effizient, da ein Teil der Ladeenergie als Wärme verloren geht. Dies führt dazu, dass das Aufladen länger dauert. Ausserdem wird für das kabellose Aufladen in Smartphones und Tablets mehr Elektronik benötigt, was die Geräte verteuert. Deswegen wird das induktive, kabellose Laden vorerst nur im Hochpreissegment ein unabdingbares Feature sein. Bei den billigeren Smartphones wird Micro-USB oder welcher Standard die EU auch immer wählen wird, immer noch aktuell bleiben.

«Mit kabellosem Laden ist die ganze Diskussion über einheitliche Ladestecker überflüssig.»
Unterstützt ein Gerät kabelloses Aufladen muss es nur auf ein entsprechendes Ladegerät gelegt werden. 
Unterstützt ein Gerät kabelloses Aufladen muss es nur auf ein entsprechendes Ladegerät gelegt werden. Bild: Nokia

Auch beim kabellosen Laden gibt es mehrere rivalisierende Standards. Wird das einheitliche Ladegerät also ein Traum bleiben?
Der Vorteil des kabellosen Ladens liegt auf der Hand. Die ganze Diskussion über einheitliche Aufladestecker wäre dann überflüssig. 

Es gibt Anzeichen, dass sich die grossen Interessengruppen hinten dem Wireless-Charging-Standard zusammenschliessen wollen. Jedoch wird der rivalisierende Qi-Standard von einer anderen Interessengemeinschaft verwaltet. Deswegen ist es schwer zu sagen, ob wir eines Tages nur noch ein universelles Ladegerät für alle Smartphones und Tablets unterschiedlicher Marken haben werden.

Chris Yereaztian ist wissenschaftlicher Assistent an der er Fachhochschule Nordwestschweiz.
Chris Yereaztian ist wissenschaftlicher Assistent an der er Fachhochschule Nordwestschweiz.Bild: zvg
Prof. Dr. Jürg Luthiger ist Leiter des Instituts für Mobile und Verteilte Systeme an der Fachhochschule Nordwestschweiz. 
Prof. Dr. Jürg Luthiger ist Leiter des Instituts für Mobile und Verteilte Systeme an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Bild: zvg
Das sagen die Smartphone-Hersteller
Auf Anfrage betonen die Hersteller, dass sie «ein Universalladegerät unterstützen». Sony schreibt: «Wir haben bereits zu Gunsten unserer Kunden und der Umwelt unsere Smartphones und -Tablets mit einem Micro-USB-Anschluss ausgestattet.» Samsung antwortet, dass man sich der Vorteile einheitlicher Ladegeräte bewusst sei. Microsoft verweist darauf, dass man noch keine Smartphones anbiete und der Tablet-PC Surface einen ähnlichen Stecker habe, wie die MacBooks von Apple. Nicht geäussert haben sich Nokia und Apple. 

Die EU macht endlich Druck, doch hinter den Kulissen dürften die Hersteller weiter für ihre Interessen lobbyieren, denn Fakt ist: Mit unterschiedlichen Ladekabeln und den dadurch notwendigen Adaptern lässt sich gutes Geld verdienen. (oli)
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