KinoX.to
Movie4K.to
Boerse.sx
MyGully.com
FreakShare.com
BitShare.com
Sie alle sollen zu einem mächtigen Filesharing-Imperium gehören, das seine Ursprünge in Deutschland hat.
Glaubt man den berüchtigten deutschen Piratenjägern von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), dann geht es nun ans Eingemachte.
Am vergangenen Samstag machte SPIEGEL ONLINE publik, dass eine Spezialeinheit der Polizei im Norden Deutschlands ein Wohnhaus gestürmt habe. In einem kleinen Ort nahe Lübeck sollten zwei junge Männer verhaftet werden. Angeblich die Köpfe hinter KinoX.to.
Die GVU hatte nach mehrjährigen Recherchen – seit der Schliessung von Kino.to – Strafanzeige eingereicht. Es sei davon auszugehen, dass die per europäischem Haftbefehl gesuchten Brüder bis zu 30 Online-Plattformen unter ihrer Kontrolle hätten. Dazu gehörten Portal-Webseiten, die auf Kinofilme und andere Streaming- und Download-Angebote verlinken, aber auch Online-Speicherdienste.
Und es soll eine direkte Verbindung zu den Betreibern von Kino.to geben. Angeblich kannten sich einzelne Personen persönlich oder standen zumindest via Internet in Kontakt miteinander. Ausserdem soll zumindest ein Hintermann nicht gefasst worden sein ...
Dass die Internet-Adressen von KinoX.to und andere Streaming-Portale in südpazifischen Kleinstaaten wie Tonga registriert werden, muss laut GVU-Sprecherin nicht verwundern. «Tonga hat im Grunde genommen seine Länder-Domain verkauft.» Der Inselstaat habe die Vergabe der Internet-Adressen mit der Endung «.to» an ein US-Unternehmen abgegeben. Bei Problemen gebe es keine direkte Anlaufstelle. Die GVU-Sprecherin: «Selbst mit Rechtshilfeverfahren ist hier nichts zu machen. Es ist generell unmöglich, dort jemanden anzusprechen.»
Dass KinoX.to und andere Online-Angebote immer noch verfügbar sind, liegt laut der GVU-Sprecherin daran, dass die Hauptverantwortlichen auf der Flucht sind. «Diese haben die notwendigen Passwörter. Nur mit den Passwörtern können die Seiten stillgelegt werden.»
Hingegen stellt sie in Abrede, dass die Webseiten nur noch weiter betrieben würden, um möglichst viele Besucher in die Falle zu locken. «Wir attackieren in erster Linie nicht die Nutzer, sondern richten die Strafanzeigen gegen die verantwortlichen Webseiten-Betreiber.»
Im Juni 2011 hatten Polizisten in mehreren europäischen Ländern einen koordinierten Schlag gegen die Betreiber von Kino.to geführt. Razzien richteten sich gegen die Streaming-Plattform und damit verbundene technische Dienste. Es gab Verhaftungen in Frankreich, Holland und Spanien. Der geständige Kino.to-Chef wurde wegen verschiedener Delikte zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und musste bis zu 3,7 Millionen Euro zurückzahlen. Fünf Mittäter – darunter der Chef-Programmierer – erhielten ebenfalls Gefängnisstrafen, wenn auch zum Teil auf Bewährung.
Kino.to verschwand – und wurde kurz darauf durch KinoX.to ersetzt.
Die GVU-Sprecherin kritisiert die Betreiber der Streaming-Portale und wirft ihnen vor, sie hätten einen schädlichen Einfluss auf die Gesellschaft. «Durch Kino.to sind die Nutzer daran gewöhnt worden, das Urheberrecht zu verletzen. Jetzt werden sie durch KinoX.to auch daran gewöhnt, für illegale Tätigkeiten zu bezahlen.»
Der Vorwurf bezieht sich auf die dubiosen Geschäftsmodelle, die sich hinter den Streaming-Portalen und Filesharing-Diensten verstecken. Die Betreiber animieren Dritte, urheberrechtlich geschütztes Material auf die Server hochzuladen und die Links weiterzuverbreiten. Bei stark nachgefragten Inhalten – zum Beispiel aktuellen Kinofilmen – können die sogenannten Uploader ziemlich viel Geld verdienen: Für 1000 Klicks sollen bis zu 20 Euro ausbezahlt werden. Derweil werden die Nutzer der Streaming- und Download-Portale zur Kasse gebeten. Etwa durch Abo-Modelle und Premium-Accounts, die kürzere Ladezeiten und höhere Qualität versprechen.
Zwei junge Männer auf der Flucht vor der Polizei. Da verwundert es schon ein bisschen, dass übers Wochenende bei KinoX.to eine Stellungnahme aufgeschaltet wurde. Darin rechtfertigen sich angeblich die Betreiber der Seite und wehren sich gegen Zensur: «Wollt ihr als nächstes Google sperren? Ihr zerstört durch sinnlose Forderungen das ganze Internet!», heisst es an die Adresse der GVU, die ja die Interessen der Unterhaltungsindustrie und anderer Inhaber von Urheberrechten vertritt. Und begleitet von einem Smiley bedanken sich die Unbekannten «für die extreme (unbezahlbare) Werbung».
Und an die KinoX.to-Nutzer geht der Aufruf, sich nicht einschüchtern zu lassen. «Lasst euch von der Content-Mafia nicht herumschubsen und lasst euch nicht vorschreiben, welche Seiten ihr besuchen dürft und welche nicht.» Die Betreiber schreiben, sie hätten den Zensurversuchen nicht tatenlos zusehen wollen. Darum hätten sie bereits über 30 Ersatz-Domains mit verschiedenen Internet-Adressen eingerichtet. Für den Anfang sollten die Nutzer KinoX.tv oder KinoX.me besuchen.
In der Schweiz können sich die Nutzer solcher Streaming- und Download-Portale noch beruhig zurücklehnen. Zumindest was die Legalität ihres Tuns betrifft. Hierzulande ist das Herunterladen von urheberrechtlich geschütztem Material nicht verboten.
In Deutschland und dem europäischen Ausland präsentiert sich die rechtliche Situation weniger klar, was das Streaming betrifft. Der Europäische Gerichtshof hat zwar bereits in einem Urteil entschieden, dass das automatische Zwischenspeichern von Daten (im Browser-Cache auf dem Rechner) nicht als Download gelte. Laut juristischen Experten bleibt die Rechtslage aber umstritten und die Gerichte dürften sich noch das eine oder andere Mal mit dem Thema beschäftigen.
Derweil diskutieren in Online-Diskussionsforen beunruhigte Nutzer heftig über die Auswirkungen der jüngsten Polizei-Aktionen. Bei MyGully.com konnte ein Nutzer der Sache etwas Positives abgewinnen: «Wir können weitermachen wie bisher, nur aller Schuld entledigt. Die GVU kann den größten Schlag gegen die Urheberrechtsverletzung vermelden und sich danach mangels weiteren Auftrags auflösen. Nun ja, den beiden Flüchtigen verbliebe der Märtyrern vorbehaltene Trost des ewigen Ruhmes und der Verehrung seitens der Szene.»