Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat offenbar das Bedürfnis vieler Nutzer erkannt, sich im Netz unter einem Pseudonym über heikle Themen zu unterhalten. Entwickler von Facebook arbeiten derzeit an einer Smartphone-App, die Anwender miteinander vernetzen soll, die sich nicht mit ihrem Klarnamen anmelden wollen. Das berichtet die «New York Times» und beruft sich auf Eingeweihte, die eigentlich nicht über die Pläne sprechen dürfen. Die App soll in den kommenden Wochen erscheinen.
Mit der Anwendung sollen Mitglieder des Online-Netzwerks öffentlich über «Gesprächsthemen, die sie nur ungern mit ihren Klarnamen in Verbindung bringen wollen» diskutieren können, heisst es in dem Bericht. Die Nutzer sollen dabei zumindest für die breite Öffentlichkeit anonym bleiben. Ob Facebook auf eine Anmeldung mit einem «echten» Facebook-Konto besteht, ist noch unklar.
Als Projektleiter ist dem Bericht zufolge Josh Miller verantwortlich, ein Produktmanager bei Facebook, der mit der Übernahme des Start-ups Branch ins Team des sozialen Netzwerks gewechselt ist. Branch hatte sich vor allem auf die Kommunikation innerhalb von Online-Diskussionsgruppen spezialisiert. Angeblich arbeitet er mit seinem Team bereits seit einem Jahr an der neuen App.
Offenbar will Facebook eine Zielgruppe für sich gewinnen, die seither vernachlässigt worden ist. Die Regeln des Konzerns schreiben vor, dass sich jeder mit seinem Klarnamen anmelden muss. Aus Sicht des Konzerns ist das nachvollziehbar. Schließlich lassen sich Werbeanzeigen am besten auf Nutzer zuschneiden, deren richtiger Name bekannt ist und der auch auf anderen Internetseiten benutzt wird.
Doch Facebook ist mit dieser Politik immer wieder angeeckt. So wurden etwa Transvestiten, die ihren Klarnamen unter Verschluss halten wollten, des Netzwerks verwiesen. Aktivisten stehen regelmässig vor der Entscheidung, sich und andere womöglich zu gefährden – oder die Sperrung ihres Accounts zu riskieren, wenn das Versteckspiel auffliegt.
Um die Klarnamenpflicht durchzusetzen, ruft Facebook seine Nutzer bisweilen zum Petzen auf: Wer Freunde mit Pseudonym statt Klarnamen entdeckt, soll das dem Unternehmen melden. Der plötzliche Erfolg des Konkurrenz-Netzwerks Ello wird in Teilen auf den Klarnamenstreit bei Facebook zurückgeführt. Mittlerweile entschuldigte sich ein Facebook-Mitarbeiter sogar bei Mitgliedern, die aufgrund ihres Künstlernamens ausgesperrt worden waren.
Mit Snapchat wollte sich der Konzern bereits eine App einverleiben, die sich mit Pseudonym nutzen lässt und mit sich selbst löschenden Nachrichten Nutzer anzieht. Die Snapchat-Betreiber schlugen einen Milliardendeal aus, Facebook startete daraufhin mit Slingshot eine eigene App für flüchtige Kommunikation. (jbr/ore)