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Gratis-Streaming statt Pay TV: Live-Piraterie erobert das Internet

Manny Pacquiao (links) gegen Floyd Mayweather: Ein Kampf, der Millionen Internetnutzer interessierte.
Manny Pacquiao (links) gegen Floyd Mayweather: Ein Kampf, der Millionen Internetnutzer interessierte.Bild: John Locher/AP/KEYSTONE

Gratis-Streaming statt Pay TV: Live-Piraterie erobert das Internet

Bis zu hundert Dollar bezahlten Pay-TV-Kunden für den «Jahrhundert-Boxkampf» Mayweather gegen Pacquiao. Viele andere sahen sich den Kampf kostenlos an – über Twitters Streaming-App Periscope.
04.05.2015, 14:1404.05.2015, 15:03
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Filme wie «Avengers: Age of Ultron» sind dafür gemacht, in einem grossen Kinosaal zwei Stunden lang für audiovisuelle Ganzkörpermassage zu sorgen. Trotzdem werden sogenannte «Cam»-Versionen von aktuellen Titeln – trotz aller Gegenmassnahmen – verlässlich innerhalb kürzester Zeit nach dem Kinostart verfügbar und teils Hunderttausende Male heruntergeladen.

Der erste «Avengers»-Film beispielsweise wurde dem auf solche Fragen spezialisierten Blog «TorrentFreak» zufolge in den ersten Tagen nach dem Kinostart 2012 über eine halbe Million mal als «Cam»-Version heruntergeladen.

Wie sehr diese abgefilmten, illegalen Kopien den Kassenerfolg neuer Titel beeinflussen, ist umstritten. «The Avengers» beispielsweise spielte 2012 trotz der «Cam» weltweit über 1,5 Milliarden Dollar ein und liegt damit auf Platz drei der umsatzstärksten Filme der Geschichte. Ärgerlich und schmerzhaft aber sind die illegalen Versionen für Hollywood in jedem Fall.

Nun kommt auf die Unterhaltungsbranche ein völlig neues Problem zu: Live-Piraterie. Für den am Wochenende ausgetragenen Boxkampf von Floyd Mayweather gegen Manny Pacquiao mussten Pay-TV-Nutzer in den USA hundert Dollar bezahlen, Sky-Kunden hierzulande immerhin 30 Euro. Doch es gab den Kampf auch kostenlos zu sehen – und zwar über Periscope.

Boxen oder Schwertkampf?

Diverse US-Journalisten berichten freimütig, sie hätten den sogenannten Kampf des Jahrhunderts mit Hilfe von Twitters eben erst erworbener Video-Streaming-App gesehen. Die Zahl der kostenlosen Livestreams sei «fast überwältigend» gewesen, berichtet etwa «Mashable». Auch die Konkurrenz-App Meerkat wurde offenbar zu diesem Zweck genutzt.

Manche Nutzer filmten sich und ihre Freunde bei Boxpartys im Wohnzimmer, andere ihren Computermonitor oder ihren Fernsehbildschirm – ähnliche Live-Aufnahmen kennt man von wichtigen Fussballspielen, die nicht im Free-TV übertragen werden.

Zwar machten die Periscope-Betreiber offenbar immer wieder besonders populäre Streams dicht, schliesslich verbieten die Nutzungsbedingungen des Dienstes Urheberrechtsverletzungen. Doch die Masse der freiwilligen Weiterverbreiter war augenscheinlich zu gross, um zahlungsunwillige Boxfans tatsächlich abzuhalten.

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«Die Bildqualität von Periscope ist stark»

Der Boxkampf ist nicht der erste spektakuläre Fall solcher Echtzeit-Piraterie mit Periscopes Hilfe. Auch beim Start der fünften Staffel der HBO-TV-Serie «Game of Thrones» liessen offenbar viele Nutzer andere an ihrem persönlichen Fernseherlebnis teilhaben. «Livestreaming ist als Piraterierisiko nie so ernstgenommen worden wie Torrent-Sites oder Filehoster, aber es sieht aus, als ob sich das bald ändert», so Andrew Wallenstein, der stellvertretende Chefredakteur des Branchenblattes «Variety».

Tatsächlich ist die Echtzeit-Piraterie vermutlich vor allem ein Problem für all jene, die mit der Vermarktung von Live-Veranstaltungen Geld verdienen wollen. Gerade in diesem Bereich, in dem es eher ums Dabeisein als um audiovisuelle Perfektion geht, dürften die Pixeligkeit und der schlechte Ton einer vom TV-Gerät abgefilmten Übertragung weniger ins Gewicht fallen.

Jetzt auf

Schon bald werden die Unternehmen der Unterhaltungs- und TV-Branche an die neuen Dienste wohl mit einer alten Forderung herantreten: Vorab-Filterung von Inhalten statt der heute gängigen Praxis von «notice and takedown», also dem Löschen von Inhalten erst nach konkreten Hinweisen auf Urheberrechtsverletzungen.

«Variety»-Redakteur Wallenstein, dessen Sympathien zweifellos eher bei der Unterhaltungsbranche als bei Videopiraten liegen, kam bei einem Selbstversuch während des Boxkampfes jedenfalls zu dem Schluss: «Die Bildqualität von Periscope ist stark. Würde ich mir so einen Special-Effects-lastigen Film ansehen? Nein, aber für so etwas wie Boxen ist es mehr als gut genug.»

(cis)

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