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VR-Brille HTC Vive: Wir haben sie aufgesetzt und gestaunt

Die «Vive» lässt den Nutzer wie kein anderes Gerät vollständig in computergenerierte Umgebungen eintauchen.
Die «Vive» lässt den Nutzer wie kein anderes Gerät vollständig in computergenerierte Umgebungen eintauchen.bild: schweiz am sonntag

Wir haben die beste Virtual-Reality-Brille ausprobiert und Bauklötze gestaunt

Die Brille HTC Vive ist das fortschrittlichste System, um in virtuelle Welten einzutauchen. Wir haben sie aufgesetzt und trauten unseren Augen nicht.
02.05.2016, 22:28
Tomislav bezmalinovic / schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Heute ist offene Bühne. Ich betrete den Konzertraum und blicke umher. In diesem Augenblick fliegt eine kugelrunde Drohne herbei und mustert mich. Sie sieht aus wie eine mechanische Version der Biene Maja, also ganz niedlich. Einige humanoide Roboter stehen im Kreis und unterhalten sich, während im Hintergrund Musik spielt. Als ich mich ihnen nähere, vernehme ich Stimmen. Erst jetzt wird mir klar, dass es sich bei all diesen Gestalten um Avatare menschlicher Spieler handelt. Das ist «Altspace VR», das virtuelle Räume bereitstellt, in denen sich Cybernauten aus allen Ecken des Metaversums treffen, um miteinander abzuhängen.

Die virtuelle Social-Community AltspaceVR unterstützt auch die VR-Brillen HTC Vive und Samsung Gear VR.
Die virtuelle Social-Community AltspaceVR unterstützt auch die VR-Brillen HTC Vive und Samsung Gear VR.

Doch fangen wir von vorne an. Vergangenen Freitag klingelte der Pöstler und überbrachte mir eines der derzeit begehrtesten Stücke neuer Technologie: Die «Vive», die den Nutzer wie kein anderes Gerät vollständig in computergenerierte Umgebungen eintauchen lässt. Möglich wird dies mit einer Brille, in der zwei hochauflösende Displays verbaut sind. Ich setze sie auf und ziehe die Kopfgurte an. Besonders bequem ist sie nicht, denke ich mir, zumal aus der oberen Abdeckung der Brille auch noch mehrere Kabel ragen, die über den Kopf hinweg zu einem Verbindungsmodul geführt werden, das wiederum an den Computer und ans Stromnetz angeschlossen werden muss. Immerhin sind die beiden Controller, die den Cybernauten als Hände dienen, drahtlos.

Bevor ich in die virtuelle Realität (VR) eintauchen kann, muss ich in meinem Wohnzimmer noch die zwei mitgelieferten faustgrossen Würfel platzieren. Als ich sie an den Strom anschliesse, beginnen sie, den Raum mit unsichtbarem Infrarotlicht abzutasten. Im Internet erklärt man mir, dass die minimale zeitliche Abfolge, in der das Licht auf die an Brille und Controller angebrachten Sensoren trifft, zur Berechnung der räumlichen Position der Geräte genutzt wird. Dadurch werden Bewegungen es Kopfes und der Hände millimetergenau in die virtuelle Realität übertragen.

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quelle: getty images europe / tim p. whitby
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Raumgreifende Erfahrung

Doch genug der Theorie. Ich lade eine Anwendung namens «Realities», die virtuelle Reisen an real existierende Orte ermöglicht. Als ich die Brille aufsetze, ist mir, als würde ich augenblicklich teleportiert. Ich finde mich in einem Hörsaal der mittlerweile stillgelegten Beelitzer Heilstätte wieder, in denen einst Tuberkulosekranke behandelt wurden. Die meisten Stühle sind herausgerissen, der Boden von Schutt übersät, von den graffitibesprühten Wänden blättert der Putz. Ich trete an einen Schutthaufen heran, betrachte eine zerdrückte Zigarettenschachtel und die herausquellenden Innereien eines Computers. Diesen Detailreichtum möglich macht ein Verfahren namens «Photogrammetrie», bei dem Räume abfotografiert und in virtuell begehbare Modelle umgewandelt werden.

Eine solch raumgreifende Erfahrung bietet derzeit nur die «Vive» – vorausgesetzt, man hat genug Platz zur Verfügung. Mindestens 1,5 auf 2 Meter sollten es nach Angaben des Herstellers sein – noch besser wäre ein Feld von 20 Quadratmetern. Damit ich nicht gegen Objekte in der realen Welt pralle, weist mich in der virtuellen Realität ein feines Gitternetz darauf hin, dass ich an die Grenze meines Bewegungsraumes stosse.

Als Nächstes starte ich «Space Pirate Trainer». Jetzt befinde ich mich auf einer Plattform, unter mir pulsieren die Lichter einer futuristischen Stadt. Aus dem Abgrund schiessen plötzlich zwei kugelförmige Drohnen. Sie haben mich bereits flankiert, als sie beginnen, mit Laserstrahlen auf mich zu feuern. Instinktiv halte ich das Schild in meiner linken Hand hoch, eine Art Kraftfeld, an der eines der Geschosse zurückprallt und die Drohne zerfetzt. Der rechte Angreifer nimmt mich derweil ungehindert ins Fadenkreuz. Kurz bevor deren Laserstrahlen mich treffen, verlangsamt sich der Zeitfluss. Wie Neo aus «Matrix» weiche ich den Geschossen durch Bewegungen des Oberkörpers aus. Schliesslich lade ich meine Laserpistole auf und puste die Drohne vom Himmel. Mir fehlen die Worte. Der Eindruck räumlicher Präsenz ist so überwältigend, dass ich zittere. Dagegen wirkt ein 3-D-Kinofilm wie ein Aufklapp-Bilderbuch.

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«Space Pirate Trainer» ist eines der ersten Games für die HTC Vive.
gif: kotaku

Kunst eines Cybernauten

Die Technologie funktioniert. Dennoch dürften nur Enthusiasten über eine Anschaffung nachdenken. Zu umständlich die Installation, zu unbequem die Brille, zu gross die Fläche, die das System im Wohnzimmer beansprucht.

Hinzu kommt der derzeit noch hohe Preis. Das System kann nur über HTCs hauseigenen Onlineshop bestellt werden und kostet zuzüglich Lieferung in die Schweiz 973 Euro. Ausserdem wird ein entsprechend leistungsfähiger Rechner vorausgesetzt.

Bis zur Massentauglichkeit ist es also noch ein weiter Weg. Aber Virtual Reality ist keine Zukunftsmusik mehr. Die Technologie wird zunächst in Architektur, Kunst, Medizin und Bildung Anwendung finden und danach neue Gebiete erschliessen.

Es besteht kein Zweifel, dass sie über kurz oder lang die Art und Weise verändern wird, wie wir mit Computern und Menschen interagieren.

Einen Vorgeschmack, was damit einmal alles möglich sein wird, bietet die «Tiltbrush», eine von Google entwickelte Anwendung, die dreidimensionales Malen ermöglicht. Hier fühle ich mich wie ein Zauberlehrling, der mit der Hand Pinselstriche nachahmt und dabei leuchtende Figuren in die Luft zeichnet. Nachdem ich mich ausgetobt habe, trete ich einen Schritt zurück und betrachte das im Raum schwebende dreidimensionale Objekt von allen Seiten. So sieht Kunst eines Cybernauten in der virtuellen Realität aus.

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Apps wie Tiltbrush von Google könnten Virtual Reality bei Grafikern beliebt machen.
gif: recode
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