«Das Holodeck fürs Wohnzimmer könnte schon 2016 Realität werden», jubelt der deutsche Ableger des Tech-Magazins «Wired». Die Rede ist von Holus, einer Glaspyramide, die angeblich zweidimensionale Bilder in 3D-Hologramme verwandeln kann. Das kanadische Start-up H+ Technology finanziert das Projekt über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter, wo ein Video dem Zuschauer glauben macht, das «Star Trek»-Zeitalter sei angebrochen.
Das Projekt, das Kickstarter in seine Empfehlungen aufnimmt, ist ein voller Erfolg. Grosse Tech-Websiten wie Wired, Engadget und Tech-Crunch berichteten begeistert, ebenso Massenmedien wie die englischen Mirror und Daily Mail. Innerhalb weniger Tage wird das Ziel von 40'000 US-Dollar erreicht, mittlerweile hat H+ 200'000 Dollar zusammen – fünf Mal mehr als angepeilt.
Das Problem: Die Kanadier versprechen der Welt möglicherweise mehr, als sie einhalten können. Wie der Designer Raphaël de Courville auf dem Blog Medium schreibt, wurden im Werbe-Video 3-D-Computergrafiken verwendet – Spezialeffekte, wenn man so will. Das ergibt ein verzerrtes Bild des Produkts und ist gemäss Kickstarter-Richtlinien nicht erlaubt.
Wie De Courville argumentiert, funktioniert Holus mit einem als «Pepper's Ghost» bekannten Spiegel-Illusionstrick aus dem 19. Jahrhundert – in einem später folgenden Video geben das die Holus-Macher auch zu. Damit liess der Rapper Snoop Dogg 2012 seinen verstorbenen Kumpel Tupac auf der Bühne auferstehen.
Das ist zwar ein netter Effekt – aber vom versprochenen 360-Grad 3-D-Erlebnis noch weit entfernt. In der Realität ist es die «Pepper's Ghost»-Illusion auf vier Bildschirmen.
H+ Technology erklärt gegenüber watson, dass man laufend Updates über die Technologie veröffentliche, um die Community auf dem neusten Stand zu halten. Man sehe also nur eine Momentaufnahme eines frühen Entwicklungsstadiums.
Nachdem Kritik laut wird, wird es merkwürdig: Kickstarter entfernt das Projekt aus der Sektion der handgewählten Empfehlungen und die Computer-Spezialeffekte verschwinden aus dem Video (bei «Daily Mail» ist das Original noch zu sehen, es geht um die Stadt bei 0:50 und den Ring bei 0:58).
Wenig später taucht das Projekt wieder in den Kickstarter-Empfehlungen auf – niemand verliert ein Wort darüber. De Courville vermutet, dass das Video auf Druck der Crowdfunding-Plattform editiert wurde. Zu diesem Vorwurf schweigt sich H+ aus.
Der Schaden ist zu dem Zeitpunkt bereits entstanden. Das Video mit den Spezialeffekten löst einen Medienhype aus, die meisten der knapp 400 Unterstützer sagen in diesem Zeitraum ihr Geld zu.
Kickstarter gibt gegenüber watson an, man gebe über Moderation von einzelnen Projekten grundsätzlich keine Auskunft und verweist auf die Richtlinien.
Mit kleineren oder grösseren Schummeleien musste sich die Schweizer Crowdfunding-Plattform Wemakeit noch nicht herumschlagen. «Jedes Projekt und jeder Projektinhaber wird geprüft, bevor eine Kampagne online geht», sagt Wemakeit-Mitgründer Johannes Gees auf Anfrage. So würde man schon im Vornherein merken, falls etwas nicht stimme.
Eine beliebte Masche bei Crowdfunding-Betrügern sei es, eine Kampagne zu starten und mit gestohlenen Kreditkartendaten darauf einzuzahlen. Betrügerische Zahlungsversuche werden jedoch meistens von der Kreditkartenfirma entdeckt und entweder vereitelt und an Wemakeit gemeldet. «Hinzu kommt, dass unsere Software betrügerische Zahlungsmuster entdeckt», ergänzt Gees.
Aber auch vor solchen Versuchen ist Wemakeit im Gegensatz zu grösseren Portalen bislang verschont geblieben. «Es hilft bestimmt, dass bei uns alles etwas überschaubarer ist und wir uns die Zeit nehmen, die Projekte genau anzuschauen», sagt Gees.
Eine andere, etwas ausgeklügeltere Methode ist es, ein Produkt zu erfinden, damit grosse Aufmerksamkeit zu generieren und dann abzukassieren. Ein prominentes Beispiel ist «Kobe Red»: Mit dem Versprechen, Beef Jerky aus mit Bier gefütterten japanischen Rindern zu produzieren, sammelte eine ominöse Gruppe namens Magnus Fun 120'000 Dollar innerhalb einer Woche.
Der Filmemacher Jason Cooper, der sich für eine Doku mit Kobe Red beschäftigte, stellte einige Ungereimtheiten fest und engagierte schliesslich einen Privatdetektiv – das Projekt stellte sich als Betrug heraus, Kickstarter stoppte die Kampagne in letzter Minute. Es wäre der grösste Betrugsfall in der Geschichte der Plattform gewesen, schreibt «Quartz».
Bis jetzt ist es Kickstarter gelungen, die grössten Betrugsversuche zu stoppen, bevor Geld floss. Das grösste Projekt, das unter Betrugs-Verdacht geriet, war «iFind» – ein Bluetooth-Gadget zum Orten von Handys und Tablets, das man nie aufladen müsse. Für das Projekt kamen über 500'000 Dollar zusammen. Nach ernsthaften Zweifeln über die Machbarkeit des Produkts zog Kickstarter jedoch auch hier den Stecker.