Herr Lutz, Sie sind einer der ganz wenigen Schweizer, die es zu einem renommierten internationalen Game-Entwickler geschafft haben. Wie wurde der «kleine» Schweizer aufgenommen?
Daniel Lutz, Creative Director Square Enix Montreal: Wir werden nicht als Land für Spielentwickler wahrgenommen. Persönlich kenne ich in Montreal keinen einzigen anderen Entwickler aus der Schweiz, auch wenn ich weiss, dass es welche gibt. Die Schweiz ist nicht wirklich ein Exportland für Spiele. Wir haben den Exoten-Faktor. Manchmal erscheint es mir wie ein Markennamen (lacht).
Wie arbeitet es sich für einen der bekanntesten Game-Entwickler der Welt?
Es ist cool. Unser Studio ist mit rund 40 Mitarbeitern relativ klein. Man geniesst aber dennoch den Vorteil einer grossen Firma, die Spiele wie «Hitman» rausbringt. Gleichzeitig profitiert man als kleines Studio davon, dass jeder einzelne wesentlich stärker involviert ist.
Ein Traumberuf, also?
Redet man mit Freunden, haben viele sehr komische Vorstellungen wie die Spielindustrie wirklich funktioniert. Wie jeder andere Job ist es weniger speziell, als man es sich vielleicht vorstellt. Ich würde es zwar nicht als Traumberuf bezeichnen, aber trotzdem als etwas, wovon man als Kind geträumt hat. Es ist aussergewöhnlich und spannend an solchen Projekten zu arbeiten, besonders bei positivem Feedback. Sind die Rezensionen der Kritiker gut und die Fans zufrieden, gibt einem das ein wahnsinnig gutes Gefühl.
Die Spielbranche gilt als knallhartes Pflaster. Trifft dieses Vorurteil zu?
Teilweise stimmt das sicher. Bei einigen Unternehmen im Triple-A-Bereich (Blockbuster-Games wie «GTA V», Anm. d. R.) kann es schon sehr hart werden. Gewisse Firmen sind für ihre Sieben-Tage-Woche bekannt. Bei uns ist dies zum Glück nicht der Fall. Es hängt auch mit dem Umfang und der Planung zusammen. Je grösser ein Projekt, desto schwieriger wird es zu managen. Bei riesigen Projekten mit viel Marketing-Budget steht viel auf dem Spiel.
Ubisoft hat im vergangenen Herbst sein Zürcher Studio geschlossen. Damit sinkt die Zahl der grossen Game-Entwickler hierzulande wieder auf null. Woran liegt das?
Die Kosten für Lebensunterhalt und dergleichen sind extrem hoch. Für eine Firma mit mehreren hundert Leuten, die an Konsolentiteln arbeiten, ist es eher unwahrscheinlich in die Schweiz zu kommen. Der Talentpool ist trotz ZHDK (Zürcher Hochschule der Künste) und ETH viel zu klein. Für derartige Spiele macht es momentan einfach keinen Sinn, in der Schweiz entwickelt zu werden. Firmen wie EA oder Ubisoft sind riesige Maschinen für die es schwierig ist, an einem neuen Ort anzufangen. Dafür sehe ich im Casual- oder Start-up-Bereich Potenzial. Man müsste eine spezielle Nische finden, auf die sich Schweizer spezialisieren könnten. Wie wär's zum Beispiel mit einem Game, das mit Schweizer Klischees spielt? Wichtig ist einfach, dass man seinen Platz in der Branche findet.
«Hitman GO» ist das erste Projekt von Square Enix Montreal und Teil einer unter Gamern bekannten und beliebten Serie. Worum geht es genau?
«Hitman GO» ist eine Neuinterpretation des klassischen «Hitman», allerdings für Mobile-Geräte. Anstatt aus der dritten Person schleicht und meuchelt man aus der Vogelperspektive – wir haben uns dabei vom Brettspiel-Design inspirieren lassen. Wie im Original kann man sich verkleiden. Diverse Figuren aus den bisherigen Games haben auch in «Hitman GO» einen Auftritt.
Was war Ihre Aufgabe?
Ich bin der Creative Director, also eigentlich der, der das Spiel erfunden hat. Anfangs haben wir lediglich zu viert Levels entworfen und an einer Demo gearbeitet. Nach und nach kamen dann immer mehr Mitarbeiter hinzu, bis am Ende rund 15 Personen in das Projekt involviert waren.
«Hitman GO» basiert auf einer bekannten Marke. War der Erfolgsdruck dadurch höher?
Es war eine schwierige Aufgabe. «Hitman» ist eine Hardcore-Marke. Das Spiel um den Auftragskiller mit der ganzen Brutalität und den Morden hat eine grosse Fankultur. Die reine PC- und Konsolen-Fangemeinschaft machte die Entwicklung eines Mobile-Games schwierig. Der Druck war hoch. Umso schöner ist nun das positive Feedback. Das ist fast der grösste Erfolg. Durch das Internet, Twitter etc. gibt es keinen Filter mehr, alles kommt direkt und ungeschönt. Am stärksten spürt man das bei den negativen Kommentaren, die teilweise sehr persönlich sind. Das ist die Schattenseite.
Wie sind Sie auf die Idee mit dem Brettspiel-Stil gekommen?
Es gab eine offene Ideen-Runde. Da machte ich den Vorschlag, doch ein Spiel zu entwickeln, das für Mobile-Geräte angepasst ist. Leute spielen mobile völlig anders als auf Konsolen oder PCs. Als Gestalter finde ich es sehr interessant, wenn man den Spielfluss von Smartphones und Tablets beobachtet. Die Leute spielen nur ein paar Minuten und legen das Game dann wieder beiseite. Das war eine grosse Herausforderung für ein Spiel wie «Hitman», bei dem Missionen schon mal eine Stunde dauern können. Irgendwann kam dann die Idee mit dem Brettspiel-Design. Mir hat diese Ästhetik schon immer gefallen. Wie in einem Architekturmodell hat man die Kombination zwischen Details und Reduktion. Es hat auch etwas von einer Eisenbahnlandschaft.
«Hitman GO» ist ab sofort für iOS-Geräte erhältlich. Die Android-Version soll in Kürze nachgereicht werden.