Im Jahr 1517, vor genau 500 Jahren, startete die Reformation. In Zürich wurde die Erneuerung der Kirche von Huldrych Zwingli angestossen. Wie Martin Luther in Deutschland begann der Reformator bei uns eine neue Auslegung der Bibel zu verkünden. Die Reformation veränderte die Welt.
600 Jahre später, also im Jahr 2117, braucht es eine neue, digitale Reformation. Nicht die Kirche, sondern der fast allmächtige Konzern LIBRIA Corp. kontrolliert die Bevölkerung. Eine junge Programmiererin namens Alice versucht sich ins Netzwerk des Konzerns zu hacken und die Wahrheit über LIBRIA ans Licht zu bringen.
Hier beginnt die Handlung des ambitionierten Smartphone-Games «(re)format Z», das vom Schweizer Game-Studio Blindflug entwickelt worden ist. Wir konnten kurz vor dem heutigen Start des Spiels mit dem Co-Gründer von Blindflug Studios, Moritz Zumbühl, sprechen (siehe Interview im zweiten Teil des Artikels).
Moritz, am Donnerstag erscheint euer bislang grösstes Spiel für iOS und Android. Wie geht es den Nerven so kurz vor der Veröffentlichung?
Wenn ein Spiel von uns quasi zur Welt kommt, ist das immer ein sehr spezieller, emotionaler Moment. Als Chef bin ich momentan einfach verdammt stolz auf mein Team. Für uns ist «(re)format Z» ein Meilenstein. Persönlich bin ich auch sehr gespannt, wie das Schweizerdeutsche ankommt. Und ja, der Stresspegel ist natürlich auch sehr hoch.
Was machen du und dein Team in den letzten Stunden vor dem Launch?
Primär Medienanfragen beantworten und die allerletzten Dinge aufpolieren. Wir arbeiten bereits am ersten Bugfix-Update. Nach so viel Arbeit sind wir aber vor allem erschöpft. Das wird natürlich aufgewogen mit der Freude, dass hoffentlich bald viele Menschen das eigene Werk spielen und hoffentlich viel Spass daran haben.
Zürich als Ort der Handlung ist durch das Thema Reformation vorgegeben, aber wie seid ihr auf die Hacker-Story in einer dystopischen Zukunft gekommen?
Puh, wer, wann genau die ursprüngliche Idee hatte, wissen wir selbst nicht mehr genau – und es spielt auch keine grosse Rolle, da unsere Arbeit auf Teamarbeit basiert.
«(re)format Z» spielt im Jahr 2117. Die Bevölkerung wird nicht mehr von der Kirche, sondern von einem fast allmächtigen Konzern namens LIBRIA Corp. kontrolliert. Kannst du die Analogie zur Reformation vor 500 Jahren etwas erklären?
Der Grundgedanke der Reformation geht über einen kirchlichen Hintergrund hinaus und stellt gesellschaftliche Fragen. Deshalb war uns klar, dass eine weitere Reformation in der Zukunft digital sein wird. Der Grundgedanke der Reformation muss also auf eine moderne Gesellschaft übertragen werden.
Ein historisches Spiel, das im Jahr 1517 zur Reformation spielt, wäre für uns auch schwieriger umzusetzen als eine Spielhandlung in der Zukunft. Auch deshalb haben wir uns für das Jahr 2117 entschieden. Wir versuchen dabei, das komplexe Thema Reformation mit einer Parabel künstlerisch umzusetzen. Wir wollen das historische Thema so angehen, dass es möglichst viele Leute begeistern kann.
Wie verwandelt man das aktuelle Zürich in ein düsteres Zukunfts-Zürich von 2117?
Die Ausgangslage war das aktuelle 3D-Modell der Stadt Zürich. Dann kommt viel Imagination dazu und natürlich etwas Willkür. Wir haben ja keine Kristallkugel und wissen nicht, wie die Zukunft aussieht. Als Zürcherin oder Zürcher erkennt man seine Stadt aber auch im Jahr 2117 wieder.
Interessiert wie der Hirschenplatz in hundert Jahren aussieht? (re)format Z: zeigt es dir!#reformatZ #zürich #hirschenplatz pic.twitter.com/8p81GA42Jd
— Blindflug Studios 👾 (@BlindflugStudio) 25. Oktober 2017
Als ich «(re)format Z» zum ersten Mal spielte, kamen mir spontan «Blade Runner», «Tron», die Umbrella Corporation oder auch Datensammler wie Google und Facebook in den Sinn.
Wir sind Nerds und lieben Science-Fiction. Es verbergen sich zahlreiche Zitate und Referenzen aus Film, Literatur und anderen Games in unserem Spiel, zum Beispiel «A Brave New World», «Resident Evil», «République» oder «Ghost in the Shell».
Mit «(re)format Z» haben wir versucht, ein mögliches Abbild der Zukunft zu erschaffen. Das Sammeln von Daten und Überwachung ist ja keine Fiktion. Wir haben dabei nicht konkret an Techfirmen wie Google gedacht, man kann es aber sicher so interpretieren. Doch wer weiss, ob es Google dann noch gibt?
Euer neuster Wurf ist die bislang grösste Blindflug-Produktion: Was heisst das genau?
Am Spiel direkt haben rund zehn Leute gearbeitet. Bisher haben wir mehr als 3000 Stunden Arbeit ins Spiel gesteckt. Der Hauptteil der Arbeit wurde in diesem Jahr geleistet. Die Idee und die Bewerbung um finanzielle Unterstützung beim Kanton und der Stadt Zürich gehen aber bereits auf das Jahr 2014 zurück.
Ist das Spiel also eine Auftragsarbeit zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation? Wer genau ist der Auftraggeber?
Das Spiel ist keine Auftragsarbeit, sondern ein Werk von Blindflug Studios, das vom Verein «500 Jahre Zürcher Reformation» finanziell unterstützt wird. Für den Inhalt des Spiels sind wir alleine verantwortlich.
Euer Spiel ist gratis und werbefrei: Wie wollt ihr so Geld verdienen?
Ja, das Spiel ist werbefrei und gratis – für immer und für alle. Zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation haben Kanton und Stadt Zürich, die Evangelisch-reformierte Landeskirche und andere Akteure den Verein «500 Jahre Zürcher Reformation» ins Leben gerufen. Abgesehen von der finanziellen Unterstützung durch diesen Verein verdienen wir nichts am Spiel.
Schwebt euch ein Ziel vor, wie viele App-Downloads ihr erreichen möchtet?
All unsere Spiele wurden von mehr als 10'000 Leuten gespielt. Alles darunter wäre folglich eine Enttäuschung, aber man weiss es im Voraus natürlich nie. Das Game Business ist ein Hitbusiness und manchmal entscheiden ganz unerklärliche Gründe über den quantitativen Erfolg oder Misserfolg eines Spiels.
«First Strike» ist zweifellos euer bekanntestes Spiel. Wie viele Menschen haben es bis heute gespielt?
«First Strike» wurde bislang von mehr als drei Millionen Menschen gespielt. Diese Woche waren es alleine auf der Mobilen-Version 17'000 Spieler, obwohl das Game bereits 3,5 Jahre alt ist. Es wäre natürlich ein Traum, wenn dies mit «(re)format Z» auch passiert, aber träumen ist ja erlaubt. Schön wäre, wenn wir Leute, die sonst keine Handy-Games spielen, mit unserem neuen Werk zum Spielen bewegen könnten. Die Feedbacks von Non-GamerInnen sind immer etwas Spezielles und freuen uns ganz besonders.