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Rettet Bill Gates die Welt? 4 beunruhigende Fakten zur Stiftung des Microsoft-Milliardärs

So kennen wir den Microsoft-Gründer und dessen Frau Melinda.
So kennen wir den Microsoft-Gründer und dessen Frau Melinda.
Bild: MONEY SHARMA/EPA/KEYSTONE

Rettet Bill Gates die Welt? 4 beunruhigende Fakten zur Stiftung des Microsoft-Milliardärs

Mit einem Software-Monopol wurde er zum reichsten Mann der Welt. Nun inszeniert sich der Windows-Erfinder mit anderen Superreichen als Wohltäter. Doch die Wahrheit ist weniger schön. Es geht um Konzern-Interessen und gewaltige Profite.
03.02.2016, 14:3204.02.2016, 19:06
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Bill und Melinda Gates investieren über ihre gleichnamige Stiftung mehr Geld in Gesundheits-, Bildungs- und Ernährungsprojekte als jede demokratisch gewählte Regierung der Welt.

Aber macht sie das zu wahrhaftigen Wohltätern?

«Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch die Chance haben sollte, ein gesundes und produktives Leben zu führen.»
Zitat auf der Website der Bill & Melinda Gates Foundation
quelle: gatesfoundation.org

Im Januar erklärten Bill und Melinda am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, dass sie gemeinsam mit den Vereinten Nationen den weltweiten Hunger besiegen wollen. Und zwar bis 2030.

Die britische Nicht-Regierungs-Organisation Global Justice Now zeichnet in einer unabhängigen Studie ein kritisches Bild. Die Bill & Melinda Gates Foundation, kurz BMGF, unterstütze nicht die notleidenden Menschen, sondern etliche multinationale Konzerne und deren Profitinteressen.

Der unabhängige Journalist Patrick Spät hat die wichtigsten Erkenntnisse der gut 50-seitigen Studie in einem Beitrag für den Polit-Blog Telepolis zusammengefasst. Sein Fazit: Bill Gates sei kein Heilsbringer, der seine Milliarden zum Wohle der Menschheit spende. Unter dem Deckmantel der Stiftung würden knallharte Geschäfte laufen.

Verschenkt Bill Gates sein Vermögen?
Die Gates-Stiftung hat laut eigenen Angaben bis heute 34,5 Milliarden Dollar für Projekte in über 100 Ländern ausgegeben. Der Eindruck, Bill Gates verschenke sein Vermögen für wohltätige Zwecke, täuscht aber laut Studie. In den letzten vier Jahren wuchs das persönliche Vermögen auf heute 80 Milliarden Dollar an. Interessantes Detail: 2014 machte die Microsoft-Aktie einen kleinen Sprung, was Gates fast 16 Milliarden zusätzlich einbrachte. Im gleichen Zeitraum finanzierte die Stiftung Hilfsprojekte für 3,6 Milliarden.

Die Gates-Stiftung investiert viel Geld in multinationale Konzerne mit «zweifelhaftem Ruf»

Bill Gates mag gemäss eigener Darstellung gemeinnützige Zwecke verfolgen, doch wenn es ums Business geht, rücken die ethischen Ansprüche in den Hintergrund.

Laut Studie hat die Stiftung beträchtliche Summen in Grosskonzerne «mit zweifelhaftem Ruf» investiert. Hinzu kommen Millionen-Spenden für Chemie- und Agrarkonzerne sowie für einflussreiche Lobby-Organisationen.

Zu den Branchen und Partnern gehören:

  • Erdöl & andere fossile Brennstoffe
    (BP, ExxonMobil)
  • Süssgetränke & Fast Food
    (Coca-Cola, McDonald's)
  • Detailhandel
    (Procter & Gamble, Wal Mart)
  • Nahrungsmittel- und Agrar-Industrie
    (Néstle, Monsanto, Cargill, weltgrösster Hersteller von genmanipuliertem Soja)
  • Medikamente & Impfstoffe
    (Merck, GlaxoSmithKline, Novartis und Pfizer) 
  • Chemische Industrie
    (Dow Chemicals, BASF, Bayer)

Grundsätzliche Kritik übt die NGO-Studie an einer zentralen Einnahmequelle der Gates-Stiftung. Es geht um das viele Geld, das von Microsoft in die Taschen des grössten Einzelaktionärs fliesst. Das Problem: Der Software-Konzern schleuse jährlich mehrere Milliarden Dollar am amerikanischen Fiskus vorbei und werde, was den Erfolg der Steuer-Tricks betreffe, nur noch von Apple und Google übertroffen.

Die Stiftung übt grossen Einfluss auf die globale Gesundheitspolitik aus

Keine Regierung der Welt überweist so viel Geld an die Weltgesundheits-Organisation (WHO) wie die Gates-Stiftung, hält der Verfasser der Studie fest.

Im Gegenzug «empfehle» die Stiftung der WHO, ihre Aufträge an Pharmakonzerne zu vergeben. Hier schliesst sich der Kreis: Auch die besagten Unternehmen erhalten offenbar Millionenspenden von Bill und Melinda Gates.

Melinda Gates, 2014, vor der WHO in Genf.
Melinda Gates, 2014, vor der WHO in Genf.
Bild: PIERRE ALBOUY/REUTERS
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Die Stiftung setzt zu einseitig auf Technologie, wie zum Beispiel Impfungen und Smartphones

Impfungen retten viele Menschenleben, vor allem auch die von unterernährten Kindern in der Dritten Welt, das steht ausser Frage. Impfstoffe sind aber auch ein Bombengeschäft für die Hersteller, das sind wenige multinationale Pharma-Konzerne.

Zwar steige inzwischen die Impfrate, heisst es in der Studie, doch gleichzeitig würden die Gewinne der beteiligten Konzerne steigen: «Eine vollständige Impfung eines Kindes kostete 2015 bis zu 68 mal mehr als noch im Jahr 2005 – mit denselben Medikamenten.»

Die Gates-Stiftung hat sich nachweislich dagegen gewehrt, Druck auf die Pharma-Unternehmen auszuüben, die Preise zu senken. Begründung: Dies könnte die Akteure abschrecken und kontraproduktiv sein.

Ein anderes negatives Beispiel ist die Förderung der Agrar-Industrie. Statt in Afrika die umweltfreundlichen Kleinbauern zu unterstützen, wird stattdessen Landwirtschafts-Konzernen ermöglicht, mit teurem Saatgut Kasse zu machen. Die weltweit bekannte Umweltaktivistin Vandana Shiva nannte die Stiftung die «grösste Gefahr für die Bauern in den Entwicklungsländern». Grüne Revolution: Fehlanzeige.

Reiche und mächtige Männer, die sich in Davos als Retter inszenieren.
Reiche und mächtige Männer, die sich in Davos als Retter inszenieren.
Bild: AP

Viel wichtiger wäre, die Gesundheits-Infrastruktur in armen Ländern zu verbessern. Ebola beispielsweise konnte sich nur so stark verbreiten, weil die medizinische Versorgung in schlechtem Zustand war.

Die Stiftung ist zu eng mit der Industrie verbandelt

Im Direktorium der Gates-Stiftung sitzen Manager wie Sam Dryden, die früher für den amerikanischen Biotechnologie-Konzern Monsanto tätig waren, den Weltmarktführer bei gentechnisch verändertem Saatgut.

Weitere personelle Verflechtungen und Netzwerke hochrangiger Vertreter aus Politik und Wirtschaft werden in der Studie genannt.

Die 56-seitige Studie kann auf der Website von Global Justice als PDF-Dokument abgerufen werden.
Die 56-seitige Studie kann auf der Website von Global Justice als PDF-Dokument abgerufen werden.
screenshot: globaljustice.org

Wie konnte es so weit kommen?

Laut der deutschen Journalistin und Buchautorin Kathrin Hartmann (siehe Buchtipp am Ende des Artikels) hat die Politik kläglich versagt. Daran seien aber nicht zuletzt die Superreichen Schuld.

«Die Stiftung konnte nur deshalb so viel Macht und Einfluss auf die WHO gewinnen, weil in den vergangenen 20 Jahren die 194 Mitgliedsstaaten wegen klammer öffentlicher Kassen ihre Beiträge immer weiter gesenkt haben. Hier schliesst sich ein Kreis: Die desolate Haushaltslage der Staaten ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass Reiche und Superreiche nicht oder zu wenig per Vermögenssteuer zur Kasse gebeten und darüber hinaus nicht daran gehindert werden, ihr Vermögen in Steueroasen zu schaffen, und dass grosse Konzerne wie Microsoft maximale Steuervermeidung betreiben. Auch die Steuerbegünstigung der Spender und der Stiftung selbst schmälert das öffentliche Budget. Und schwächt so die Demokratie.»
Kommentar: «Bill Gates und die Macht seiner Milliarden-Stiftung»
quelle: ende-der-maerchenstunde.de

Ist Bill Gates böse?

Nein, im Gegenteil. Die NGO-Studie hält fest, dass viele der von der Stiftung finanzierten Projekte positiv seien. So konnten Millionen von Menschenleben gerettet werden.

Allerdings dürfe man wegen der erfolgreich verlaufenen individuellen Projekte nicht das Gesamtbild aus den Augen verlieren. Und dieses sei nicht positiv. 

Problematisch ist das Weltbild, das der Microsoft-Gründer mit anderen Superreichen wie Warren Buffet, Elon Musk und Co. teilt. Statt mit ihrem Geld die demokratischen Strukturen zu stärken und für die Durchsetzung der Gesetze zu sorgen, finanzieren die Milliardäre private, nicht kontrollierbare Hilfsprojekte und entziehen sich einer angemessenen Besteuerung.

Der Weltöffentlichkeit werde der Mythos verkauft, dass private Wohltäter (Philanthropen) brauchbare Lösungen für die Probleme der Welt bereithielten. Doch in Wahrheit drängten sie die Welt vielmehr in viele falsche Richtungen.

Die Strategie der Stiftung sehe vor, die Rolle multinationaler Unternehmen im Bereich der globalen Gesundheit und insbesondere in der Landwirtschaft zu stärken, obwohl genau diese Unternehmen massgeblich für die Armut und Ungerechtigkeit verantwortlich seien.

Was muss sich ändern?

Laut Kathrin Hartmann hatte noch nie «eine einzige sogenannte Wohltätigkeitsorganisation so viel globale Macht wie die Bill & Melinda Gates Foundation». Wie ein Krebsgeschwür wachse ihr Einfluss in alle gesellschaftlich relevanten Bereiche hinein und beanspruche dort zunehmend Deutungshoheit und Kontrolle über Gesundheit, Bildung, Klima, Landwirtschaft und Welternährung.

In der aktuellen Studie von Global Justice werden unter anderem folgende «Empfehlungen» abgegeben:

  • Die Gates-Stiftung und ihr Geschäftsgebaren sollten durch ein unabhängiges internationales Gremium überprüft werden.
  • Die Stiftung müsse ihre Unterstützung für das durch Grosskonzerne kontrollierte Landwirtschaftssystem einstellen. Bauern würden sonst immer stärker von teuren Industrie-Produkten abhängig.

Und was sagt Bill Gates zu den Vorwürfen?

Die Gates-Stiftung gab die folgende Stellungnahme ab zur Studie. Darin heisst es, man fühle sich nicht richtig dargestellt. Ziel der Stiftung sei es, die Lebensqualität der ärmsten Menschen zu verbessern. Dies sei eine komplexe Herausforderung, die mehrere Ansätze erfordere. Es sei die Zusammenarbeit von verschiedenen Akteuren nötig.

Zu den umstrittenen Investitionen heisst es, die Mitarbeiter der Stiftung hätten keinen Einfluss auf die Investitions-Entscheidungen.

Bild
screenshot: globaljustice.org

Buchtipp: «Aus kontrolliertem Raubbau – Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren», 2015 erschienen im Blessing Verlag, ISBN: 978-3-89667-532-3.

Bild

via heise.de

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70 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Stefan Rüegger
03.02.2016 23:42registriert Januar 2014
Wie wärs, wenn wir einfach mal alle Steuerschlupflöcher für Superreiche und Konzerne stopfen würden? Dann hätten die Staaten auch wieder genug Geld, um in der Entwicklungshilfe wieder selber den Lead zu übernehmen. Dass es eher suboptimal rauskommt, wenn man alles den Privaten überlässt, ist jetzt nicht wirklich eine neue Erkenntnis.
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The Destiny // Team Telegram
03.02.2016 16:18registriert Mai 2014
Erschreckend, wie kurzsichtig einige kommentierende Leute hier sind.
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aye
03.02.2016 15:46registriert Februar 2014
Die eigentliche Frage ist doch ganz einfach:
Geht es den Menschen durch die Stiftung besser?

Ich würde behaupten ja.
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