Das in der Schweiz geltende Urheberrechtsgesetz stammt aus dem Jahr 1993, also aus einer Zeit, als das Web für die meisten Menschen Neuland unbekanntes Territorium war.
24 Jahre später hat der Bundesrat am Mittwoch über die geplante Modernisierung des Gesetzes informiert. Es sei Zeit, das Urheberrecht ans Internet-Zeitalter anzupassen, liess die Landesregierung in einer Medienmitteilung verlauten.
Rechtsanwalt Martin Steiger, spezialisiert auf Recht im digitalen Raum, nimmt zur geplanten Revision Stellung*.
Herr Steiger, der «Tages-Anzeiger» schreibt, für den Konsumenten ändere sich nichts. Stimmt das?
Martin Steiger: Es stimmt in Bezug auf den «illegalen», aber straffreien Download, aber das ist infolge Privatgebrauch aus meiner Sicht sowieso eine Selbstverständlichkeit. Die Anführungszeichen verwende ich, weil der Download nicht illegal und deshalb auch nicht strafbar ist.
Ausserdem: Filesharing und Downloads sind von gestern, heute dominiert Streaming, ein Beispiel mit Schweizer Bezug ist Vavoo (stammt von Deniz Cetindag, wie schon Uploaded.net).
Neu wird die «Datenbearbeitung zur strafrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen» zulässig. Was droht uns da?
Es wird möglich sein, das Internet auf mutmassliche Urheberrechtsverletzungen hin zu überwachen, zum Beispiel auf «Tauschbörsen». Aber wie erwähnt geht man damit eigentlich ein Problem an, das längst nicht mehr besonders relevant ist. Allerdings wären damit Massenabmahnungen für Filesharing, wie man sie in Deutschland kennt, grundsätzlich denkbar.
Ich hoffe aber, dass die Unterhaltungsindustrie früher oder später doch noch lernt, dass sie wirtschaftlichen Erfolg in erster Linie mit attraktiven Angeboten erzielt und nicht auf dem Rechtsweg. Aber selbstverständlich sollen Plattformen, die in erster Linie der Verletzung von Urheberrechten dienen (können), rechtlich belangt werden können.
Sie haben bei Twitter kommentiert, dass es «ein trauriger Tag für die Public Domain» sei. Inwiefern?
Mit dem Lichtbildschutz werden alle Bilder geschützt, wenn auch «nur» während 50 Jahren nach Herstellung oder Veröffentlichung. Ausserdem wird bei den Leistungsschutzrechten die Schutzfrist von 50 auf 70 Jahre verlängert. Damit wird eine riesige Zahl von Werken, die heute als Teil der Public Domain der Allgemeinheit und zum Gemeinwohl frei zur Verfügung stehen, privatisiert.
Dieser Punkt betrifft auch Konsumenten und KMU, denn damit werden wesentlich mehr Abmahnungen für die rechtswidrige Verwendung von Bildern möglich sein. Heute betreffen die meisten Abmahnungen Bilder, die in der Schweiz keinen Schutz geniessen, zum Beispiel Essensbilder und Produktbilder.
Oder: Ein trauriger Tag für die Public Domain in der Schweiz, ein freudiger Tag für die Abmahnindustrie. Und auch ein trauriger Tag für Fotografen, die sich zu Recht als Schöpfer verstehen. #URG
— Martin Steiger (@martinsteiger) 22. November 2017
Was hat es mit der «Stay-Down»-Pflicht für Hosting Provider auf sich?
Ich halte die Regelung für einen Papiertiger zur Besänftigung der Amerikaner. Etablierte Schweizer Anbieter bieten keine Hand zu Urheberrechtsverletzungen, die paar wenigen schwarzen Schafe könnte man heute schon lahmlegen, was aber – wieso auch immer – nicht geschieht. «Follow the data» und «Follow the money» wären die Mittel für die Strafverfolgung.
* Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.
Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) hat an einer Medienkonferenz den Gesetzesentwurf vorgestellt. Die wichtigsten vorgesehenen Änderungen gibt's in diesem Artikel hier.