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Neues Urheberrechtsgesetz: Schweizer Internet-Nutzern drohen Abmahnungen

Torrent-Seiten sind wegen Streaming-Diensten längst nicht mehr so populär. Nun droht Nutzern neues Ungemach.
Torrent-Seiten sind wegen Streaming-Diensten längst nicht mehr so populär. Nun droht Nutzern neues Ungemach.bild: shutterstock
Interview

Wenn plötzlich der Abmahn-Anwalt schreibt: Das musst du zum neuen Urheberrecht wissen

Der Rechtsanwalt und Digital-Experte Martin Steiger sagt, was Schweizer Internet-Nutzer erwartet, wenn das Urheberrechtsgesetz geändert wird.
23.11.2017, 07:1723.11.2017, 08:46
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Das in der Schweiz geltende Urheberrechtsgesetz stammt aus dem Jahr 1993, also aus einer Zeit, als das Web für die meisten Menschen Neuland unbekanntes Territorium war.

24 Jahre später hat der Bundesrat am Mittwoch über die geplante Modernisierung des Gesetzes informiert. Es sei Zeit, das Urheberrecht ans Internet-Zeitalter anzupassen, liess die Landesregierung in einer Medienmitteilung verlauten.

Rechtsanwalt Martin Steiger, spezialisiert auf Recht im digitalen Raum, nimmt zur geplanten Revision Stellung*.

Herr Steiger, der «Tages-Anzeiger» schreibt, für den Konsumenten ändere sich nichts. Stimmt das?
Martin Steiger: Es stimmt in Bezug auf den «illegalen», aber straffreien Download, aber das ist infolge Privatgebrauch aus meiner Sicht sowieso eine Selbstverständlichkeit. Die Anführungszeichen verwende ich, weil der Download nicht illegal und deshalb auch nicht strafbar ist.

Ausserdem: Filesharing und Downloads sind von gestern, heute dominiert Streaming, ein Beispiel mit Schweizer Bezug ist Vavoo (stammt von Deniz Cetindag, wie schon Uploaded.net).

Verwirrender Titel: Urheberrechtlich geschützte Songs und Filme dürfen – wie bis anhin – für den Privatgebrauch heruntergeladen werden, Software nicht.
Verwirrender Titel: Urheberrechtlich geschützte Songs und Filme dürfen – wie bis anhin – für den Privatgebrauch heruntergeladen werden, Software nicht.screenshot: tagi

Neu wird die «Datenbearbeitung zur strafrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen» zulässig. Was droht uns da?
Es wird möglich sein, das Internet auf mutmassliche Urheberrechtsverletzungen hin zu überwachen, zum Beispiel auf «Tauschbörsen». Aber wie erwähnt geht man damit eigentlich ein Problem an, das längst nicht mehr besonders relevant ist. Allerdings wären damit Massenabmahnungen für Filesharing, wie man sie in Deutschland kennt, grundsätzlich denkbar.

Ich hoffe aber, dass die Unterhaltungsindustrie früher oder später doch noch lernt, dass sie wirtschaftlichen Erfolg in erster Linie mit attraktiven Angeboten erzielt und nicht auf dem Rechtsweg. Aber selbstverständlich sollen Plattformen, die in erster Linie der Verletzung von Urheberrechten dienen (können), rechtlich belangt werden können.

«Ich halte die Regelung für einen Papiertiger zur Besänftigung der Amerikaner.»

Sie haben bei Twitter kommentiert, dass es «ein trauriger Tag für die Public Domain» sei. Inwiefern?
Mit dem Lichtbildschutz werden alle Bilder geschützt, wenn auch «nur» während 50 Jahren nach Herstellung oder Veröffentlichung. Ausserdem wird bei den Leistungsschutzrechten die Schutzfrist von 50 auf 70 Jahre verlängert. Damit wird eine riesige Zahl von Werken, die heute als Teil der Public Domain der Allgemeinheit und zum Gemeinwohl frei zur Verfügung stehen, privatisiert.

Dieser Punkt betrifft auch Konsumenten und KMU, denn damit werden wesentlich mehr Abmahnungen für die rechtswidrige Verwendung von Bildern möglich sein. Heute betreffen die meisten Abmahnungen Bilder, die in der Schweiz keinen Schutz geniessen, zum Beispiel Essensbilder und Produktbilder.

Was hat es mit der «Stay-Down»-Pflicht für Hosting Provider auf sich?
Ich halte die Regelung für einen Papiertiger zur Besänftigung der Amerikaner. Etablierte Schweizer Anbieter bieten keine Hand zu Urheberrechtsverletzungen, die paar wenigen schwarzen Schafe könnte man heute schon lahmlegen, was aber – wieso auch immer – nicht geschieht. «Follow the data» und «Follow the money» wären die Mittel für die Strafverfolgung.

Zu diesen Hosting Providern hat Google am meisten Hinweise auf angebliche Copyright-Verstösse erhalten

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* Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.

Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) hat an einer Medienkonferenz den Gesetzesentwurf vorgestellt. Die wichtigsten vorgesehenen Änderungen gibt's in diesem Artikel hier.

So erklärt Justizministerin Simonetta Sommaruga die geplante Gesetzesänderung

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37 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dracului
23.11.2017 08:03registriert November 2014
Ich finde es gut, wenn Künstler für ihre Leistungen angemessen bezahlt werden. Zwei Dinge finde ich an der ganzen Industrie jedoch stossend: 1. Die Dominanz der Amerikaner als „Besitzer“ des Internet ist leider auch in anderen Bereichen spürbar und so müssen die Horden an Anwälten laufend „besänftigt“ werden. 2. Der Industrie geht es nicht um die Kunst oder die Künstler, sondern einzig und allein um Profitoptimierung. Mir ist deshalb je länger desto mehr die omnipräsente, amerikanische Dominanz und die unstillbare Raffgier zuwider und ich zahle gerne für Nicht-Amerikanischen Produkte!
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Scaros_2
23.11.2017 08:18registriert Juni 2015
Tauschbörsen sind ein alter Schuh? Really? Bullshit :D

Ich lade über Uploaded so viel Zeug runter, das ich anschaue weil Netflix, Swisscom TV, Amazon Prime und wie sie alle heissen es NICHT ZEITNAH in der Schweiz liefern können. Daher werden über Uploaded von meiner Seite aus etliche Serien auf English geladen weil ich es JETZT schauen will und nicht gefühlte 1000 Jahre später auf Deutsch.

Klar, was ich auf Netflix gucken kann, stream ich mir aber das mach vielleicht 5% aus.

Und natürlich Pornos, dafür bezahlt man schliesslich nicht ;-)
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Sinthobob
23.11.2017 07:49registriert August 2016
Der Titel ist etwas zu viel auf Panikmache ;)
Er sagt ja selbst, dass der reine Download legal und straffrei bleibt. Da können sie noch so Abmahnen, wenn man nichts rauflädt hat man kein Problem. Der Upload ist ja schon ewig strafbar.
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