Wir haben den Schweizer Rechtsanwalt Martin Steiger über den Einsatz von privaten Sicherheitskameras befragt. Seine Antworten sind in ein umfangreiches FAQ eingeflossen.
Dieses FAQ dreht sich um den privaten Einsatz von Überwachungskameras, auch Sicherheitskameras genannt.
Der Markt für Heim-Überwachungstechnik ist riesig, wir konzentrieren uns hier auf die sogenannten Netzwerkkameras oder IP-Kameras. Das sind Geräte, die sich mit dem Internet verbinden lassen, um Fotos oder Videostreams zu übertragen.
Private Personen dürfen Überwachungskameras nicht beliebig einsetzen, zum Beispiel nicht zur Befriedigung ihrer Neugier.
Der Einsatz von Sicherheitskameras ist heikel, weil die Ton- und Bildaufnahmen die Rechte Dritter verletzen können.
Gespeicherte Aufnahmen von Überwachungskameras zeigen häufig Personen, das bedeutet in der Sprache der Juristen, dass «Personendaten bearbeitet werden».
Eine solche Datenbearbeitung ist nur rechtmässig, wenn sie unter Einhaltung des schweizerischen Datenschutzrechts erfolgt. Dazu zählt unter anderem, dass die Videoüberwachung erkennbar ist, zum Beispiel durch entsprechende Hinweisschilder.
Wichtig: Nicht nur Videoaufnahmen sind problematisch! In strafrechtlicher Hinsicht muss man beachten, dass das unbefugte Aufnehmen von Gesprächen und die Verletzung des Geheim- und Privatbereichs durch Aufnahmegeräte strafbar sind.
Nein.
«Arbeitgeber dürfen ihre Angestellten grundsätzlich nicht systematisch überwachen», heisst es aus dem Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB).
Ob im Büro oder in den eigenen vier Wänden.
Nicht erlaubt.
Bezahlte Babysitter sind Arbeitnehmer. Wer Kinder hütet, sollte mindestens 13 Jahre alt sein (hier gibt's die Details).
Nein. Es sei denn, man fragt die betroffene Person vorher und holt ihre Einwilligung zur Videoüberwachung ein.
Bei Aufnahmen von Kindern ist immer besondere Zurückhaltung geboten, betont Martin Steiger. In Bezug auf ihre eigenen Kindern tragen die Eltern die Verantwortung:
Wenn man fremde Kinder filmen möchte, sind grundsätzlich deren Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Ansprechpartner – und je nach Alter die Kinder selbst.
«Wer Aufnahmen von fremden Kindern erstellt, setzt sich ausserdem dem Verdacht aus, pädophil zu sein», warnt der Anwalt.
Die Eltern dürfen nicht beliebig entscheiden, was sie mit den Aufnahmen tun, denn auch Kinder haben das Recht am eigenen Bild. Eine Verhaltensüberwachung ist nicht zulässig.
Ja. Mit wichtigen Einschränkungen.
«Private Videoüberwachung von öffentlichem Grund ist grundsätzlich rechtswidrig», hält Martin Steiger fest. Die Kamera muss zwingend so ausgerichtet sein, dass keine Passanten auf dem Trottoir oder vorbeifahrenden Autos gefilmt werden.
Kommt darauf an, in welchem Land die Server stehen. Problematisch sind aus Sicht der Datenschutzbehörden zum Beispiel US-Rechenzentren. 😳
Der Datenschutz in den Vereinigten Staaten gilt aus schweizerischer Sicht grundsätzlich nicht als angemessen, erklärt Digital-Experte Martin Steiger. Eine Ausnahme bestehe, wenn sich ein Unternehmen gemäss den neuen amerikanisch-schweizerischen «Privacy Shield»-Vorgaben zertifizieren liess.
In der «Privacy Shield List» kann man auf Anraten von Martin Steiger online nachschauen, ob sich das US-amerikanische Unternehmen XY bereits für die Schweiz zertifizieren liess.
Im Zweifelsfall sollten Kamera-Betreiber darauf verzichten, Aufnahmen in der Cloud von US-Firmen speichern. Leider gibt es in Europa und in der Schweiz kaum Alternativen.
Die Datenbearbeitung im Ausland ohne angemessenen Datenschutz verletzt das schweizerische Datenschutzrecht und kann eine Persönlichkeitsverletzung darstellen.
Betroffene können sich dagegen mit einer zivilrechtlichen Klage wehren oder den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) bitten, sich der Angelegenheit anzunehmen. Eine solche Klage würde sich insbesondere gegen den Kamera-Betreiber richten. Der EDÖB könnte Abklärungen tätigen und danach eine Empfehlung abgeben.
Martin Steiger erklärt: «Ein Beispiel dafür war der Rechtsstreit um Google Street View, der mit einem Bundesgerichtsurteil gegen Google endete – und Google Street View in der Schweiz in weiten Teilen unbrauchbar werden liess».
Laut Rechtsanwalt Steiger sind datenschutzrechtliche Klagen selten, denn sie seien aufwendig.
Rechtsschutzversicherungen deckten solche Kosten, wenn überhaupt, in vielen Fällen nur teilweise. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDÖB) könne sich aber wegen «knapper Ressourcen» nicht um Einzelfälle kümmern.
Auf der EDÖB-Website können zahlreiche Merkblätter kostenlos heruntergeladen werden, die nicht nur die Videoüberwachung in und um Privathäuser und Wohnungen betreffen:
Oder man zieht einen Anwalt bei.
Wie bei allen alltäglichen Problemen ist es ratsam, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, bevor man die Rechtsschutzversicherung oder einen Anwalt bemüht.