Seit 2002 wird jede Bewegung von Schweizer Handybesitzern ein halbes Jahr lang aufgezeichnet. Insbesondere die Mobilfunkprovider müssen im Auftrag des Bundes von jedem Kunden folgende Rand- bzw. Metadaten ohne Anlass und Verdacht auf Vorrat speichern:
Anfang März 2018 lehnte das Bundesgericht eine Beschwerde des Vereins Digitale Gesellschaft gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, also die generelle Überwachung sämtlicher Bürger ohne Anfangsverdacht, ab. Allerdings hat neu jeder Schweizer das Recht, Einsicht in seine von Swissom, Salt, Sunrise, UPC und Co. auf Vorrat gespeicherten Daten zu erhalten.
Rechtsanwalt Martin Steiger hat seine von Swisscom gespeicherten Vorratsdaten angefordert und diese auf einer CD-ROM erhalten. Das sei «spektakulär», schreibt er auf Twitter. Denn zuvor hatten sich Swisscom, Sunrise und Salt stets geweigert, die gespeicherten Nutzerdaten herauszugegen.
#Vorratsdatenspeicherung – Swisscom ermöglicht Einblick in die eigenen Vorratsdaten der letzten 6 Monate. Spektakulär! https://t.co/hXUG9z1X35
— Martin Steiger (@martinsteiger) 4. Mai 2018
Die CD-ROM enthält laut Steiger «zehntausende von Zeilen an Vorratsdaten über die gesamte Mobilfunknutzung sowohl für den Internet-Zugang als auch für Telefongespräche sowie teilweise auch für Roaming im Ausland».
Der folgende Screenshot zeigt einen kleinen Ausschnitt der Daten, die auf der CD-ROM geliefert wurden.
«Mit den nun verfügbaren Vorratsdaten ist es für jeden Menschen in der Schweiz möglich zu erfahren, was es bedeutet, von der Massenüberwachung mit der Vorratsdatenspeicherung betroffen zu sein», schreibt Steiger.
Der Verein Digitale Gesellschaft, dem auch Steiger angehört, stellt auf seiner Website eine Mustervorlage für ein Datenauskunftsbegehren bei Swisscom und Co. zur Verfügung.
Vor Martin Steiger ist es erst Nationalrat Balthasar Glättli gelungen, von seinem Provider die gespeicherten Vorratsdaten zu erhalten. Obwohl bei der Vorratsdatenspeicherung die Inhalte der Kommunikation nicht gespeichert werden, lässt sich mit den Metadaten (Standorte, Kontakte) ein umfassendes Bewegungs- und Beziehungprofil erstellen. watson hat dies 2014 anhand der folgenden interaktiven Karte aufgezeigt.
Auf Basis seiner Daten kannst du in unserer interaktiven Grafik alle Bewegungen von Nationalrat Glättli in einem Zeitraum von sechs Monaten nachvollziehen. Die Ortungsdaten haben wir zusätzlich mit frei im Internet verfügbaren Informationen aus dem Leben des Parlamentariers (Twitter, Facebook und Webseiten) verknüpft.
Mit der Play-Taste startest du die Reise durch Balthasar Glättlis Leben. Du kannst die Reise an beliebigen Punkten verlangsamen und mit der Pause-Taste anhalten. Zoome in die Karte, um genauer zu verfolgen, wo sich der Politiker befindet. Der Kalender zeigt dir, an welchen Tagen Glättli in welcher Stadt war. Das Netzwerk zeigt dir, mit wem Glättli in Verbindung steht.
Am 1. März 2018 trat das revidierte Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) in Kraft. Im neuen Gesetz wurde die anlasslose Überwachung auf weitere grosse Internet-Provider und Anbieter öffentlicher WLANs wie etwa die SBB ausgeweitet. Viele kleine Internet-Firmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Millionen pro Jahr sind vom BÜPF ausgenommen. Wer jedoch das SBB-WLAN nutzt, muss damit rechnen, dass nicht nur gängige Metadaten (Standort, Zeitpunkt der WLAN-Nutzung etc.), sondern auch die besuchten Webseiten bzw. genutzten Apps gespeichert werden.
Gespeichert werden die Vorratsdaten insbesondere, damit sie im Rahmen eines Strafverfahrens für eine rückwirkende Überwachung genutzt werden können.
Die Direktüberwachung einer verdächtigen Person, sprich das Mithören von Telefongesprächen, Abfangen von E-Mails etc., wird hingegen weiter nur durchgeführt, wenn dies von den Strafverfolgungsbehörden explizit beantragt wird.
Das Bundesgericht hält es für zulässig, wenn Swisscom und Co. Vorratsdaten sechs Monate lang speichern. Es hat eine Beschwerde von sechs Privatpersonen – Mitglieder des Vereins «Digitale Gesellschaft Schweiz» – im März 2018 abgelehnt. Es liege ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Randdatenspeicherung vor, da sie dem Aufklären von Strafdaten und der Suche von vermissten Personen diene.
Die Beschwerdeführer ziehen das Urteil weiter und wenden sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Unter den Beschwerdeführern ist unter anderen Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne/ZH).
Grundlage für die Vorratsdatenspeicherung ist das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Es verpflichtet die Telekomanbieter, die Randdaten der Telekommunikation ihrer Kundschaft zu speichern und sechs Monate lang aufzubewahren. Ein Referendum gegen das BÜPF war nicht zustande gekommen. Dem Referendumskomitee war es nicht gelungen, die notwendige Zahl an beglaubigten Unterschriften rechtzeitig einzureichen.
Der Europäische Gerichtshofs hatte der Speicherung von Metadaten auf Vorrat (wer mit wem, wie lange und von wo aus telefoniert, Textnachrichten schickt bzw. das Internet nutzt) bereits in einem Urteil von 2016 enge Grenzen gesetzt. Konkret wurde die «anlasslose Vorratsdatenspeicherung», also ohne Anfangsverdacht, verboten.
In Deutschland hat die Bundesregierung 2015 ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Telekommunikationsanbieter werden darin verpflichtet, Internet- und Telefonverkehrsdaten jedes Bürgers zehn Wochen lang zu speichern. Im April 2018 hat der deutsche Gesetzgeber beim Tauziehen um die Vorratsdatenspeicherung eine weitere Schlappe erlitten. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ist die Deutsche Telekom nicht verpflichtet, auf Grundlage des Gesetzes Verbindungsdaten ihrer Kunden zu speichern.
Damit bestätigten die Kölner Richter die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für Nordrhein-Westfalen (OVG), das ein entsprechendes Urteil schon im Sommer vergangenen Jahres gefällt hatte. Danach wurde die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung von der deutschen Bundesnetzagentur ausgesetzt.
Das Kölner Verwaltungsgericht entschied im April, die nationale Regelung, die eine «allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierter Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel» vorsehe, stehe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entgegen. Das Urteil bezieht sich nur auf die Klage der Deutschen Telekom, die die Entscheidung begrüsste.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Und wer überprüft wie, ob die Daten nach 6 Monaten gelöscht werden?
Z.B. lässt sich über mein Kommentier-, Umfrage-, (Werbe)-Klick-Verhalten usw. sicher ein gutes Profil generieren können.