Elon Musk gab am Wochenende erstmals zu, dass Tesla mit dem versprochenen Model 3 für 35'000 Dollar bei den aktuellen Produktionsmengen «Geld verlieren und sterben» würde. Der Tesla-Chef pries deshalb eine neue, hochgerüstete Premium-Version mit zwei Motoren an, die ab Juli verkauft werden solle. Das leistungsstärkere Model 3 kostet 78'000 Dollar, allerdings ist bei diesem Preis der Fahrassistent nicht enthalten.
Tesla versucht mit einer neuen Luxus-Version des Model 3 endlich Geld zu verdienen. Wirtschaftlich ist dies verständlich, doch damit ist das Preisschild wieder weit entfernt von einem Tesla für die Massen. Eigentlich wollte Musk mit dem Model 3 ab 35'000 US-Dollar erstmals in den Massenmarkt vordringen. Produktionsprobleme haben dies bislang verhindert.
Das einflussreiche US-Konsumentenmagazin «Consumer Reports» verweigert Teslas neuem E-Auto die begehrte Kaufempfehlung. Zwar sei der Fahrspass im Model 3 gross und vieles am neuen Tesla gefalle, aber der zentrale Touchscreen sei schwer zu bedienen und daher gefährlich. Der gravierendste Kritikpunkt betrifft die Bremsen: Das Model 3 hat im Schnitt 46 Meter gebraucht, um aus 100 Kilometern pro Stunde zum Stehen zu kommen. Der durchschnittliche Bremsweg für Luxus-Kompaktlimousinen werde um mehr als sechs Meter übertroffen, heisst es im Testbericht.
Explizit gelobt von den Testern werden das Handling des Model 3, die extrem gute Beschleunigung und die von anderen E-Auto-Herstellern unerreichte Reichweite. Aber die Tests offenbarten auch schwerwiegende Defizite:
Ein Tesla-Sprecher sagte, eigene Tests hätten einen durchschnittlichen Bremsweg von 40,5 Metern ergeben, je nach Bereifung sogar von nur 38,4 Metern. Selbst diese Werte vermögen Auto-Kritiker indes nicht zu überzeugen: Für moderne Fahrzeuge dieser Klasse sei der gemessene Bremsweg nicht mehr zeitgemäss, schreibt der Auto-Redaktor bei «Spiegel Online».
Tesla-Chef Elon Musk reagierte auf Twitter auf das Testergebnis und sagte, dass die Bremsprobleme vermutlich mit einem Software-Update behoben werden können. Ein Update sei «in einigen Tagen verfügbar». Man werde weiter daran arbeiten, die Bremsleistung zu verbessern.
Gemäss «Consumer Reports» wurden die Testreihen mit zwei Fahrzeugen gemäss internationalen Industrie-Standards durchgeführt und mehrmals wiederholt. Dabei wird beispielsweise darauf geachtet, dass die Bremsen zwischen jeder Vollbremsung wieder abgekühlt sind. Zuvor hatte bereits das Automagazin «Car and Driver» das Bremsverhalten des Model 3 kritisiert.
Die Tester von «Consumer Reports» kritisieren zudem, dass fast alle Einstellungen über den zentralen Touchscreen vorgenommen werden müssen – selbst simple Dinge wie die Rückspiegel verstellen oder den Luftstrom der Klimaanlage regulieren bräuchten so teils mehrere Klicks. «Consumer Reports» schreibt: «Die komplexe Interaktionen mit dem Touchscreen kann den Fahrer ablenken, da jede Einstellung den Fahrer dazu zwingt, den Blick von der Strasse und eine Hand vom Lenkrad zu nehmen.»
Starke Windgeräusche bei Autobahngeschwindigkeit und die für die gehobene Autoklasse unbequemen Rücksitze sind weitere Kritikpunkte, die in der Summe die Kaufempfehlung der US-Konsumentenschützer verhindern.
«Consumer Reports» gilt in den USA als einflussreiche Konsumentenschutzorganisation, die keine Angst vor grossen Namen kennt. 2017 hat sie beispielsweise Apple und Microsoft die Kaufempfehlung für deren Notebooks verwehrt. Die grosse Resonanz in den Medien führt dazu, dass die kritisierten Hersteller meist rasch reagieren und ihre Produkte überarbeiten bzw. mit Updates verbessern.
(oli)