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Israel, Gaza, Propaganda – der Gazakrieg in den sozialen Netzwerken

Diese Grafik gibt eine Übersicht über die Twitter-Accounts, die auf die Bombardierung der UNO-Schule Ende Juli im Gazastreifen reagiert haben: Vorwiegend internationale Medien (grau), kaum israelische Medien (blau).Bild: Gephi/globalvoicesonline
Datenanalyse

Israel, Gaza, Propaganda – der Gazakrieg in den sozialen Netzwerken

Wir leben in einer Filterblase – und sind selbst schuld daran. Dieses Fazit zieht Gilad Lotan, der den Social-Media-Krieg zwischen proisraelischen und propalästinensischen Internetnutzern analysiert und grafisch dargestellt hat.
06.08.2014, 18:5526.05.2020, 22:53
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«In der Gesellschaft, in der klassische Medien dominierten, gab es Gatekeeper [Pförtner], die Redaktoren, die den Informationsfluss kontrollierten. Dann kam das Internet und es spülte sie weg. Es erlaubte es uns, dass wir uns alle vernetzen und das war grossartig. Aber das ist nicht das, was wirklich passiert.»
Eli Pariser, Gründer von Avaaz und Upworthy

Früher konnten wir den Medien die Schuld geben, wenn sie unausgewogen berichteten. Heute schaffen sich Nutzer von Google, Facebook, Twitter oder Instagram ihre Filterblase selbst. Wir folgen Usern, die unsere Meinung teilen, liken Postings, die unserer Meinung entsprechen und suchen nach Artikeln, die unsere Meinung bestätigen. Wenn wir eine Facebook-Seite liken, werden uns ähnliche Seiten empfohlen, die ähnliche Interessen vertreten. Google und Facebook merken sich, was wir mögen, und filtern, was uns stören könnte. Abweichende Meinungen tauchen in unserer Filterblase nicht mehr auf. In anderen Worten:

«Da wir unsere Internetprofile auf der Grundlage dessen konstruieren, was wir bereits wissen, wofür wir uns interessieren und was wir weiterempfehlen, sind soziale Netzwerke geradezu geschaffen dafür, unsere bereits bestehende Weltsicht zu verfestigen.»
Gilad Lotan

Die Folge: Ein proisraelisch eingestellter Social-Media-Nutzer wird in seinem News-Stream kaum etwas von einem Raketenangriff auf ein UNO-Spital in Gaza erfahren. Einem propalästinensischen Nutzer wird die gleiche Meldung dutzendfach angezeigt. Wir konstruieren uns so selbst eine Wirklichkeit, dadurch, dass wir bestimmten Seiten folgen oder sie liken.

Gilad Lotan zeigt diese Filterblasen, in denen wir uns befinden, in den folgenden Grafiken. Ein extrem polarisierendes Thema wie der Gaza-Krieg zeigt die Trennung der rivalisierenden Seiten besonders gut.

Grafik von Instagram, drei Themenbereiche sind hervorgehoben: 1) Proisraelisch (orange), 2) propalästinensisch (gelb) und 3) muslimisch (pink).
Grafik von Instagram, drei Themenbereiche sind hervorgehoben: 1) Proisraelisch (orange), 2) propalästinensisch (gelb) und 3) muslimisch (pink).grafik: gephi/globalvoicesonline

Proisraelische (blau) und propalästinensische Medien und Aktivisten (grün) berichten deutlich unterschiedlich und bilden daher klar abgegrenzte Gruppen (siehe untenstehende Grafik). Beide Gruppen bewegen sich in ihrer eigenen Realität. Das Problem solcher Filterblasen: Die Nachrichten, die auf einer Seite der Grafik kursieren, werden niemals auf die andere Seite gelangen.

Diese Darstellung zeigt eine Übersicht über die Twitter-Accounts, die auf die Bombardierung der UNO-Schule in Gaza reagiert haben. Es sind dies insbesondere propalästinensische Aktivisten (grün), inte ...
Diese Darstellung zeigt eine Übersicht über die Twitter-Accounts, die auf die Bombardierung der UNO-Schule in Gaza reagiert haben. Es sind dies insbesondere propalästinensische Aktivisten (grün), internationale Medien (grau) und die sehr liberale israelische Zeitung Haaretz (Bildmitte).grafik: gephi/globalvoicesonline

Auf der rechten Seite gibt es eine deutliche propalästinensische Gruppe von Aktivisten (grün) sowie eine Reihe von Medien und Journalisten (grau).

Die propalästinensische Seite. Smartpohne-Nutzer klicken hier, um die Grafik zu vergrössern.
Die propalästinensische Seite. Smartpohne-Nutzer klicken hier, um die Grafik zu vergrössern.grafik: gephi/globalvoicesonline

Datenanalyst Gilad Lotan schreibt: «Das graue Cluster von Bloggern, Journalisten und internationalen Medien ist eng mit der der Gruppe propalästinensischer Aktivisten verbunden, was bedeutet, dass zwischen diesen beiden Gruppen voraussichtlich eher Informationen fliessen. Diese strukturellen Charakteristika der Grafik belegen das, was Israelis an Parteilichkeit internationaler Medien empfinden.»

Die proisraelische Seite. Smartpohne-Nutzer klicken hier, um die Grafik zu vergrössern.
Die proisraelische Seite. Smartpohne-Nutzer klicken hier, um die Grafik zu vergrössern.grafik: gephi/globalvoicesonline

Zur proisrealischen Seite gehören fast alle israelischen Medien, Personen der israelischen Öffentlichkeit, einige US-amerikanische Zionisten (hellblau) und amerikanische Konservative sowie Mitglieder der Tea Party (dunkelblau).

Den lesenswerten Artikel von Gilad Lotan finden Sie hier auf Deutsch oder im Original auf Englisch.

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