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Apple muss zu Recht Milliarden blechen – so richtig faul ist aber der irische Apfel

22.06.2016; Lille; Fussball Euro 2016 - Italien - Irland;
Fans Irland mit Baerten
(Tim Groothuis/Witters/freshfocus)
Was haben wir uns mit den verrückten Iren gefreut im Juni. Doch nun wird es bitterernst.Bild: Witters
Kommentar

Apple muss zu Recht Milliarden blechen – so richtig faul ist aber der irische Apfel

Der US-Konzern zeigt sich als schlechter Verlierer, nachdem ihm wegen fragwürdiger Steuervergünstigungen in Irland «Nachzahlungen» in zweistelliger Milliardenhöhe drohen. Das Hauptproblem ist Grün-Weiss.
31.08.2016, 06:3901.09.2016, 10:18
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Irland hat sich mit seinen beherzten Auftritten an der Euro 2016 in die Herzen der Fussball-Fans gespielt. Doch nun zeigt die Insel im Atlantik ein anderes, hässliches Gesicht.

Während Jahren hat das einst mausarme Land dem reichsten Unternehmen der Welt Steuervergünstigungen in Milliardenhöhe eingeräumt. Zu unrecht: Die EU-Kommission kommt zum Schluss, dass die Steuerdeals illegal waren und Apple über 13 Milliarden Euro zu wenig in die Staatskasse gezahlt hat.

Apple stellt sich als Opfer von Rechtsunsicherheit und unfairer Behandlung durch die EU-Kommission dar.

«Brief an unsere Kunden»

Der Apple-Chef schreibt, das Unternehmen verstosse nicht gegen das Gesetz.
Der Apple-Chef schreibt, das Unternehmen verstosse nicht gegen das Gesetz.screenshot: apple.com
«Mit dem Wachstum unseres Geschäfts sind wir zum grössten Steuerzahler in Irland, zum grössten Steuerzahler in den USA und zum weltweit grössten Steuerzahler geworden.»
Apple bezahlte 2014 in Irland 0,005% Steuern. Das ist so viel, wie der iPhone-Hersteller in 25 Minuten Gewinn macht.
Kommentar des bekannten (und ziemlich zornigen) deutschen Tech-Bloggers Sascha Pallenbergmobilegeeks.de

Die 0,005 Prozent seien «eine komplett aus der Luft gegriffene Zahl», kritisierte Apple-Finanzchef Luca Maestri in einer Telefonkonferenz, die das Unternehmen organisierte, um sich gegen die EU-Anschuldigungen zu verteidigen.

Fest steht: Rechtskräftig ist der Steuer-Schocker noch lange nicht. Apple und Irland werden den Entscheid mit Heerscharen von Anwälten, Experten und Beratern bekämpfen.

US-Regierung kritisiert EU
Das Weisse Haus hat die Entscheidung der EU-Kommission kritisiert, die Besteuerung von Apple in Irland für unzulässig zu erklären. Die Entscheidung könne zu einem Steuertransfer von den USA nach Europa führen, sagte der Sprecher des Weissen Hauses in Washington. Wenn Apple in Irland 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen müsse, könne das Unternehmen diese Zahlung möglicherweise von der Steuerlast in den USA absetzen. Es gebe gemeinsame Versuche der USA und der Europäer, die internationale Besteuerung fair zu gestalten. Diese Versuche würden durch «einseitige Ansätze» untergraben. (sda)

Lösen wir uns für einen Moment von den komplizierten steuertechnischen und rechtlichen Belangen – und der Prognose, wer am Ende wirklich «Recht» bekommen dürfte. Und wenden wir uns der Frage zu, was beim Fall der skandalös tiefen Unternehmens-Besteuerung das Schlimmste ist.

«Das Problem ist nicht so sehr Apple, sondern Irland.»
Der österreichische EU-Politiker Othmar Karastrend.at

Brutale und sehr zutreffende Einschätzungen gibt es von den Europa-Politikerinnen und -Politikern in unserem östlichen Nachbarland Österreich. Der Tenor: Die EU habe ein massives Problem mit Mitgliedern, die einzelnen Unternehmen unfaire Steuerdeals auf Kosten anderer Länder anbieten.

Und weiter: Der EU-Kommission sei ein Coup im Kampf gegen den ruinösen europäischen Steuerwettbewerb gelungen. Dürfen wir nun gar auf weltweite Steuergerechtigkeit hoffen?

«Clevere Konzerne zahlen einfach keine Steuern. Das galt bisher. Die Apple-Entscheidung der EU-Kommission sollte das globale Steuersystem verändern.»

Tatsächlich hat die EU dem Treiben Irlands und anderer Mitglieder viel zu lang zugesehen, so dass sich diese Staaten ungeniert mit immer mehr multinationalen Konzernen ins Bett legten – zum Nachteil der normalen Bürger und aller Firmen, die gezwungen sind, normale Steuerrechnungen zu bezahlen.

Bei Irland scheint der Apfel bis in den Kern hinein faul zu sein. Während bei öffentlichen Einrichtungen gespart wird, so dass Kindergärten und Schulen verlottern, wurden und werden neben Apple viele weitere multinationale Konzerne hofiert.

Auch wenn es nur eine Auswahl ist: Die folgende Liste von in Irland angesiedelten Tech-Giganten spricht Bände ...

  • Amazon
  • Google
  • Ebay
  • Facebook
  • Pay Pal
  • Intel
  • Microsoft
  • Twitter
  • Ericsson
  • SAP

Ein Schelm wer Böses dabei denkt, aber:

Irland hat auch die schwächsten Datenschutz-Gesetze in der EU.

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Matthias Studer
31.08.2016 08:27registriert Februar 2014
Irland ist in Europa nur ein Teils des Problems.
Schaut mal nach Luxemburg. Im gleichen Atemzug kommt auch die Schweiz. Und um das nochmals aufzuspalten, die Innerschweizer Kantone die sich gegenseitig mit allen anderen in den Ruin treiben.

Wenn Firmen nicht mehr bereit sind Steuern zu zahlen, gleichzeitig aber von einer großen Infrastruktur profitieren, dann hat die Politik versagt.
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Sapere Aude
31.08.2016 09:01registriert April 2015
Steuerdumping ist ein allgemeines Problem, auch hier in der Schweiz. Dem Normalbürger nützen die Erleichterungen in den meisten Fällen gar nichts, im Gegenteil sie haben diesen mit Leistungsabbau und höheren Gebühren zu bezahlen. Es kann auch nicht sein, dass wie im Kanton Aargau zuerst die Steuern für Reiche und Firmen gesenkt werden und dannach aufgrund eines Einnahmeproblems ein Sparprogramm aufgegleist wird. Ähnlich bei der Unternehmensteuerreform, wo man partout keine Kapitalgewinnsteuer einführen will, notabene Leistungsloses Einkommen.
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winglet55
31.08.2016 07:30registriert März 2016
Mir scheint es jetzt gar einfach, mit dem Finger auf Irland zu zeigen. Es gäbe weiss Gott, in der Schweiz genug Kantone, die dasselbe Verhalten an den Tag legen! Vielleicht sollten wir unsern Saustall zuerst mal aufräumen!
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