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England

Das Beispiel Schottland zeigt: Es gibt auch einen linken Nationalismus

Schottland stimmt im September 2014 über seine Unabhängigkeit ab.
Schottland stimmt im September 2014 über seine Unabhängigkeit ab.Bild: AP
Schotten wollen Unabhängigkeit

Das Beispiel Schottland zeigt: Es gibt auch einen linken Nationalismus

Die Schotten wollen sich von den Engländern trennen. Sie sind ihnen zu EU-feindlich und zu neoliberal.
13.08.2014, 11:2213.08.2014, 16:31
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Nationalismus ist in Europa wieder im Trend: In Frankreich erzielt Marine le Pen vom Front National Siege an den Urnen und Spitzenwerte in Meinungsumfragen. Geert Wilders hat mit EU-feindlichen Parolen die niederländische Politik aufgemischt, Nigel Farage die britische. In der Schweiz hält derweil Blocher mit seiner SVP Bundesbern auf Trab. All diesen Nationalisten gemeinsam ist: Sie stehen weit rechts. 

Ganz anders sieht es in Schottland aus. Dort werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 18. September darüber abstimmen können, ob sie die 307 Jahre alte Ehe mit England auflösen und einen eigenen Staat bilden können. Die Chancen stehen nicht schlecht: Gemäss «Financial Times» zeigen Meinungsumfragen, dass bereits 45 Prozent der Schotten die Trennung von England befürworten, Tendenz weiter steigend.

Die schottischen Nationalisten wollen in der EU bleiben

In Schottland herrscht seit Anfang August der Abstimmungskampf über die Loslösung von Grossbritannien. Am 5. August fand die erste TV-Debatte über das Referendum statt.
In Schottland herrscht seit Anfang August der Abstimmungskampf über die Loslösung von Grossbritannien. Am 5. August fand die erste TV-Debatte über das Referendum statt.Bild: EPA/PETER DEVLIN LTD

Die schottischen Nationalisten haben jedoch nichts mit den rechten Nationalisten auf dem Kontinent am Hut. Sie wenden sich gegen ein Grossbritannien, dass ihrer Meinung nach immer noch imperialistische Grossmachtsträume hat, einen unsinnigen Rüstungswettlauf mitmacht und eine neoliberale Wirtschaftspolitik betreibt. 

Anders als Le Pen & Co. sind die schottischen Nationalisten europafreundlich. Ein wichtiger Grund, sich von London loszusagen ist die Angst, dass die europhoben englischen Konservativen im Begriff sind, Grossbritannien aus der EU zu prügeln. 

Linke Intellektuelle wollen weg von London

Angeführt wird die Unabhängigkeitsbewegung von der Scottish National Party (SNP) mit ihrem Parteichef Alex Salmond an der Spitze. Dieser betont im jetzt auf vollen Touren laufenden Abstimmungskampf die sozialen Wurzeln seiner Partei und will Schottland nach dem Vorbild der Skandinavier in ein nordisches Modell umwandeln. 

Alex Salmond, Führer der SNP.
Alex Salmond, Führer der SNP.AlexBild: HANDOUT/REUTERS

Die Opposition gegen die Abspaltung wird zwar vom ehemaligen Labour-Minister Alistair Darling angeführt. Aber auch bei vielen linken Intellektuellen ist die Trennung beliebt. Für sie wäre ein eigenständiges Schottland eine Chance, die imperialistische Vergangenheit des Vereinigten Königreichs endgültig zu begraben. 

Margaret Thatcher war im Norden verhasst

Für David Greig, den bekanntesten Schriftsteller des Landes wäre es der Schlussstrich unter einen «Staat, der für ein Imperium» gebaut worden war. Die SNP-Aktivistin Annie Dana erklärt in der «Financial Times»: «Bei den Linken findet ein Umdenken statt. In den traditionellen Arbeitersiedlungen wächst die Unterstützung für die Unabhängigkeit. Die Menschen wollen einen Wechsel, sie wollen keine konservative Regierung, die sie nicht gewählt haben.» 

Tatsächlich sind die Tories in Schottland unbeliebt. Gewählt wird entweder Labour oder SNP. Margaret Thatcher war im hohen Norden besonders verhasst. Dazu kommt die traditionelle Feindschaft zu den Engländern: Königin Elizabeth I liess bekanntlich einst ihre Cousine, Mary, die Königin der Schotten, hinrichten. 1745 verlor der aufständische Bonnie Prince Charlie die Entscheidungsschlacht gegen die englischen Truppen, wie das der schottische Nationaldichter Sir Walter Scott in seinem Roman «Waverley» beschreibt. 

Mit Braveheart gegen die Engländer

Seit der Verfilmung mit Mel Gibson in der Hauptrolle ist jedoch «Braveheart» die Kultfigur des schottischen Widerstandes gegen die Engländer geworden. Der Film schildert die Geschichte des Freiheitskämpfers William Wallace – eine Art schottischer Wilhelm Tell – der heroisch die Interessen seiner Landsleute verteidigt, dabei verraten und am Schluss hingerichtet wird. Jedes Mal, wenn die schottische Fussballnationalmannschaft auf die englische trifft, lebt Braveheart bei den Fans wieder auf. 

Mel Gibson im Heldenepos «Braveheart».
Mel Gibson im Heldenepos «Braveheart».Bild: AP

Linker Nationalismus ist kein Privileg der Schotten. Auch die Katalanen träumen von einem eigenen Staat und wollen sich vom übrigen Spanien loslösen. Barcelona war das Zentrum des Widerstandes gegen den faschistischen Diktator Franco, und auch der katalanische Wunsch nach Eigenständigkeit ist stark links geprägt. 

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