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Lebensgefährliches Home-Video mit krassen Katzen: Melanie Griffith und Tippi Hedren lebten und filmten ein Jahrzehnt lang mit 150 Raubtieren

So sieht «schöner wohnen» aus, wenn Löwen das Einrichten übernehmen. Szene aus «Roar».
So sieht «schöner wohnen» aus, wenn Löwen das Einrichten übernehmen. Szene aus «Roar».Bild: AP Drafthouse Films/Olive Films

Lebensgefährliches Home-Video mit krassen Katzen: Melanie Griffith und Tippi Hedren lebten und filmten ein Jahrzehnt lang mit 150 Raubtieren

Tippi Hedren kämpfte nicht nur in «The Birds» gegen Vögel, sondern auch in «Roar» gegen Löwen. Die gleichzeitig ihre Haustiere waren. Alles zum verrücktesten Film ever.
26.04.2015, 13:4427.04.2015, 12:48
Simone Meier
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Im wilden Jahr 1969 arbeitete Tippi Hedren in Mozambique und besuchte ein verlassenes Haus, das von dreissig Löwen und ihren Jungen bewohnt wird. Tippi Hedren, die ein paar Jahre vorher mit Hitchcock «The Birds» gedreht hatte und sich im lebensgefährlichen Nahkontakt mit Tieren auskannte, verliess das einsame Haus in der Wüste erleuchtet: Sie und ihr Mann, der Regisseur Noel Marshall, wollten einen Film über die Wildkatzen drehen. Sie dachten an gut fünfzig Löwen, Tiger, Leoparden und Pumas.

Doch weil sie sich nicht einfach ein paar Dutzend Tiere mieten konnten – sie hätten einander und die ganze Filmcrew zerfleischt –, beschlossen die beiden, zuhause, in Kalifornien, so lange mit ein paar Löwen zusammenzuleben, bis diese sich an sie gewöhnt hatten und reif waren für den Dreh. 

Zuerst waren die Löwen blosse Wochenaufenthalter, doch dann beschwerten sich die Nachbarn, und Hedren zog samt Mann und Tochter Melanie Griffith zu 150 Katzen ins Wildtierreservat Shambala Preserve im abgelegenen Soledad Canyon. Melanie schlief mit den Löwen in einem Bett und plantschte mit ihnen im Pool. Es war das Paradies. Wo ab 1974 schliesslich der Film entstand, für den die Menschen so lange zu den Tieren gezogen waren: «Roar». Und «Roar» wurde zum monströsen Desaster.

Tippi Hedren und Melanie Griffith nach den Dreharbeiten auf Shambala.
Tippi Hedren und Melanie Griffith nach den Dreharbeiten auf Shambala.Bild: Gamma-Keystone

Als der Film 1981 in die Kinos kam, hatte er 17,5 Millionen Dollar verschlungen und spielte bloss 2 Millionen ein. «Roar» ist bis heute das teuerste Home Video, das je gedreht worden ist, ermöglicht hatte es einzig Noel Marshalls geschickte Querfinanzierung: Marshall war als Produzent von «The Exorcist» (1973) reich geworden.

Und vielleicht war das Geld aus dem Horrorfilm verflucht. Einmal bedrohten Buschfeuer das Reservat. Einmal wurde es überflutet, drei Löwen starben. Während des Drehs wurde ein Kameramann von einem Löwen skalpiert. Marshalls Regieassistent endete mit einem aufgebissenen Hals und abgebissenem Ohr.

Tippi Hedren wurde von einem Elefanten abgeworfen und brach sich dabei ein Bein. Ihre Lieblingslöwin Sheri biss sich in Hedrens Hinterkopf fest, die Wunde wurde mit 38 Stichen genäht. Der Unfall ist im Film zu sehen, Hedrens Blut ist echt. Ihre Hilfeschreie – wie alle Schreie im Film – auch. Melanie Griffith wurde von einem Löwen ins Gesicht gebissen, sie musste mit 50 Stichen genäht werden. Marshall litt an schwerem Wundbrand.

Noel Marshall wird beim Baden beobachtet.
Noel Marshall wird beim Baden beobachtet.Bild: AP Drafthouse Films/Olive Films

Gestorben ist niemand. «No animals were harmed in the making of this film. 70 members of the cast and crew were» lautet der Werbespruch zur 2015 aufgefrischten Fassung. Gerade läuft «Roar» wieder in den amerikanischen Kinos, DVD, und Video-on-demand werden bald folgen. 

Der Film geht so: Ein total durchgeknallter Vater (Marshall) lebt auf einer Wildtierfarm (Shambala) und erhält Besuch von Frau (Hedren) und Kindern (Melanie und zwei von Marshalls Söhnen). Und während die Menschen mehr werden, drehen die Tiere durch. Eine animalische Orgie nimmt ihren Lauf, die Menschen befinden sich bald nur noch auf der Flucht, verstecken sich mit Vorliebe in Schränken, werden gefunden und beinah gefressen. Zähne und Krallen machen dem hinterletzten Polsterkissen effektvoll den Garaus. 

Filmszene mit Hedren, Riesenviech und Griffith.
Filmszene mit Hedren, Riesenviech und Griffith.Bild: AP Drafthouse Films/Olive Films

Alltag auf Shambala, ca. 1985. (unbedingt das Küchenfenster im Auge behalten, denn so ist es noch heute)

Handlung gibt es nicht, Tiere rennen und röhren, Menschen rennen und schreien, aber die Aufnahmen sind wahnsinnig: 150 Raubkatzen aus über Jahren hergestellter Nähe. Zwar lebensgefährlich für alle menschlichen Teilnehmer, aber grossartig.

Und was geschah danach? Tippi Hedren und Noel Marshall liessen sich scheiden, die Zeit im Reservat hatte alle erschöpft. Aber nicht Tippis Liebe zu den Tieren. Sie lebt noch heute auf Shambala, als Lion Queen. Man kann sie dort vor ihrem Haus finden mit den Tigern Alexander und Dakota, die sie nach ihren Enkelkindern getauft hat (jaja, Dakota, die aus «Fifty Shades» ...). Die meisten von ihnen sind ausgesetzte Tiere, weggeworfene Spielzeuge reicher Leute oder ausrangiert von einem Zirkus. Nur etwas hat sie nicht geschafft, was sie den Tieren zu liebe leisten wollte: Sie ist einfach keine Vegetarierin geworden. Aber vielleicht sind Raubtiere dafür auch einfach die falschen Vorbilder.

Wenn das Küchenfenster offen steht, kann schon mal ein Tiger hineinspringen und das Essen einer ganzen Tischgesellschaft vertilgen. Auch ein paar Raben haben sich auf Shambala niedergelassen. Und erinnern Tippi Hedren jeden Tag an «The Birds».

Mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit läuft «Roar» diesen Sommer im Zürcher Kino Xenix.

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