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DAS Buch ist zurück: Italienisch essen mit Marcella Hazan

Signora Hazan auf der Suche nach gutem Gemüse.
Signora Hazan auf der Suche nach gutem Gemüse.
Bild: Andri Pol

Jubelt, Leute! Marcella Hazan ist zurück! La Mamma, die wir mit vollem Mund und Magen lieben

Ein Weihnachtswunder ist geschehen: Das beste italienische Kochbuch der Welt ist endlich wieder auf Deutsch erhältlich. Unter den Baum damit!
13.12.2015, 12:0814.12.2015, 17:44
Simone Meier
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Am Tag vor ihrem Tod kochte sie noch einmal ligurische Trofie mit Basilikumpesto für sich und ihren Mann Victor. Und rauchte ein paar Päckchen Zigaretten. Das war an einem Samstag im Oktober 2013, das Basilikum hatte sie selbst gezogen in ihrem Garten in Longboat Key, Florida, wo sie seit Jahren Fans und Journalisten empfing.

Am Sonntag starb Marcella Hazan mit 89 Jahren. «Gott hat jetzt die beste Köchin in seiner Küche stehen», hiess es in einem Nachruf. Sie hatte ihr Leben und ihr Essen genossen. Sie, die Patin der italienischen Kochkunst. Deren Kochbuch «Die klassische italienische Küche» seit seinem Erscheinen 1992 auf ungefähr jeder Wunschliste jedes Foodies auf diesem Planeten steht. Ein Buch, viiiiel besser als die Bibel!

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alle illustrationen: Echtzeit Verlag
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Gerade wurde es von Köchen, Foodbloggern und Kritikern zum weltweit neuntbesten Kochbuch von 1000 und zum wichtigsten italienischen Kochbuch überhaupt gewählt. Der erste Jamie Oliver befindet sich exakt 70 Ränge weiter hinten.

Auf Deutsch war es jahrelang vergriffen, jetzt hat es der Basler Echtzeit-Verlag neu herausgegeben. Unter den Weihnachtsbaum damit! Denn was wären wir alle ohne Italiens Küche! Und da sind sie: Die berühmteste, sähmigste, leckerste, reinste und einfachste Tomatensauce der Welt, die einzig aus Tomaten, Butter, Salz und einer Zwiebel besteht. Das legendäre, mit Zitronen gefüllte Poulet. Der in Milch geschmorte Schweinebraten. Die Granita die caffè con panna. 600 Seiten Italien. 600 Seiten Glückseligkeit.

Und da sind ihre Menü-Vorschläge, etwa «Ein elegantes Menü mit hausgemachter Pasta» oder «Ein Fischmenü für Feinschmecker», beide natürlich mit unzähligen Variations-Möglichkeiten. Oder das grosse Grundlagen-Glossar der italienischen Küche, mit dem wir ab sofort jede italienische Speisekarte viel besser verstehen. Die grandios genauen Mengenangaben wie «15 g Butter», «225 g frischer Ricotta», oder «675 g Rigattoni», «170 g Mangoldstiele». Dazu nüchterne Beschreibungen, kein Softporno wie bei Nigella Lawson.

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Marcella Hazan mochte sowas nicht, eine Verschwendung von Worten und Bildern war ihr zuwider. Weshalb ihr Buch auch nur im äussersten Notfall mit sparsamen Illustrationen (siehe Bilder) auskommt. Sie war ganz streng auf der Suche nach der ultimativ besten Fassung eines Rezepts. Und die fand sie immer. Und deshalb gelingt auch alles. Wenn man ihr gehorcht.

Zur Welt kam die Frau, die auf Adriano Celentano und Barack Obama stand, 1924 als Marcella Polini in der Emilia Romagna. Ihr Vater war ein italienischer Schneider, die Mutter kam aus Beirut, Marcellas frühe Jahre verbrachten die Polinis in Ägypten. Mit sieben verunfallte sie am Strand, brach sich den rechten Arm, er blieb fortan verkrüppelt. Sie konnte mit ihrer rechten Hand nur gerade ein Messer oder eine Zwiebel halten. Den Rest ihrer Kochkunst erledigte sie mit links.

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Doch zuerst konnte sie gar nicht kochen. Zuerst studierte und lehrte sie nämlich Biologie. Bis Victor kam und mit ihm die grosse Liebe. Victor war ein sephardischer Jude, seine Familie war bei Kriegsausbruch von Italien nach New York geflohen, und Victor nahm seine Marcella 1955 mit nach New York. Sie arbeitete zuerst als Zahntechnikerin, aber ihr Englisch war inexistent – und wurde auch nie perfekt –, und Victor wollte eine gute Köchin zuhause. Marcella sass also in ihrer Wohnung, schaute Sport im Fernsehen, lernte so ihr erstes Englisch, rauchte viel und beugte sich über italienische Kochbücher.

Junge Liebe: Marcella und Victor, 1952 in Italien.
Junge Liebe: Marcella und Victor, 1952 in Italien.
bild: victor hazan
Marcella Hazans italienische, handschriftliche Fassung eines Fenchelsalat-Rezeptes.
Marcella Hazans italienische, handschriftliche Fassung eines Fenchelsalat-Rezeptes.
bild: echtzeit verlag

Und dann kam alles wie von selbst. Ihre Zunge erinnerte sich an Zuhause. Ihre Kenntnisse als Naturwissenschafterin halfen ihr, die exakten Dosierungen, Temperaturen und Kochzeiten zu finden, die es brauchte, um eine Textur, um einen Geschmack «auf den Punkt» zu bringen, wie es in den TV-Kochsendungen immer heisst.

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Alles war gut, jedenfalls solange sie zuhause am Herd stand. Sobald sie aus dem Haus ging, wurde es furchtbar. Erstens, weil New York unter «italienischer Küche» rot-weiss-karierte Tischtücher, in Stroh gepackte Chianti-Flaschen, Spaghetti mit Ketchup und viel zu viel Knoblauch verstand.

Zweitens wegen der Supermärkte. «Ich hatte in Italien noch nie einen Supermarkt gesehen», sagte sie, «die Hühner kamen vom Bauern und waren lebendig. Und im Supermarkt waren sie sehr tot. Sie waren eingepackt. Wie in einem Sarg. Nichts war natürlich.» Sie suchte nach Märkten. An Orten, die andere Hausfrauen mieden. Zum Beispiel in der Bronx.

Und so kam Marcella zu ihrer italienischen Mission. Die wiederum mit einem chinesischen Kochkurs begann, den sie besuchte. Wo sie derart bestechend die Beste war, dass alle Teilnehmerinnen bei ihr einen italienischen Kochkurs besuchen wollten. 1970 schneite ein Foodkritiker der «New York Times» bei ihr herein, «seither musste ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, wie ich mich beschäftigen soll».

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Ihr Victor, der sich so sehr eine perfekte Köchin gewünscht hatte, wurde zum perfekten Köchinnengatten. Er übersetzte Marcellas italienische Rezepte auf Englisch, und ihre Bücher eroberten New York, Amerika, die Welt.

Heute führt er treusorgend ihren Facebook-Account weiter. Beschreibt, wie er ihre Rezepte nachkocht, auf welchen italienischen Märkten er ihren Lieblings-Radicchio findet, und dass ihr liebstes, von Amerikanern erfundenes Gericht ein deftig mit Senf garnierter Hot Dog war. Aber nicht überall, sondern mit besonderer Vorliebe auf Flughäfen. 

«Die klassische Italienische Küche» ist nicht einfach ein Buch. Es ist auch die Geschichte einer riesengrosse Liebe, die tatsächlich durch den Magen ging. 

Marcella Hazan: Die klassische italienische Küche. 450 Rezepte. Echtzeit Verlag. 600 Seiten, ca. 60 Franken. Überall im Buchhandel oder direkt beim Verlag («bestellen» anklicken).

Spaghetti alla carbonara – und zwar richtig

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Spaghetti alla carbonara – und zwar richtig
Als Aller-Allererstes nimmt man die Eier und den Pecorino (oder Parmesan) aus dem Kühlschrank. Niemand will die heisse Pasta mit eiskalten Eiern und Käse auf lauwarm-langweilig runterkühlen.
Derweil: Einen grossen Topf Pasta-Wasser aufsetzen. (Dass man dieses salzen muss, dürfte klar sein.)
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