Liebe Selina
Ach was bin ich doch froh, dass mein Sohn aus dem Alter raus ist, wo man gemeinsam mit anderen Müttern am Sandkastenrand steht! Gehasst habe ich sie, diese Phase. Es ergeht Ihnen so, wie es wohl allen Frauen ergeht, die ein Kind bekommen. Man geht Zwecksbeziehungen ein. Schliesslich sind die besten Freundinnen selten gleichzeitig schwanger. Und mit jemandem muss man sich ja über die Schwangerschaftsstreifen und die Farbe der Babykacke auslassen.
Das erging mir nicht anders. Ich rutschte in eine Frauengruppe, die sich hochschwanger zum Yoga traf und dort gemeinsam die Heldenstellung andeutete. Danach traf man sich weiter im Park oder spazierte mit Kinderwagen den Uetliberg hinauf und hinunter. Ich hatte das riesengrosse Glück, dass zwei Frauen aus diesem Dunstkreis zu meinen engsten Freundinnen wurden. Bei den anderen dreien wechsle ich eher die Strassenseite, als zum Plaudern stehen zu bleiben. Es mag für die Dauer von ein paar Monaten ja reichen, dass man die kleinen Kinder als einzigen gemeinsamen Nenner hat, für eine längerfristige Freundschaft reicht es aber nicht!
Es mag ja vielleicht altmodisch anmuten, aber für mich ist eine Patenschaft eine ernsthafte Angelegenheit. Und eine fabelhafte auch! Natürlich ist es auch eine grosse Verantwortung, wenn man angefragt wird, ob man Trauzeuge oder ähnliches sein will. Aber da eh jede 2. Ehe geschieden wird, muss man sich über die Langfristigkeit dieses Amts keine Sorgen machen. Das ist bei einer Patenschaft anders. Früher hat man dem Kind Paten zur Seite gestellt, damit es nicht alleine zurückbleibt, wenn den Eltern etwas zustösst. Es war tatsächlich eine Verpflichtung, für das Kind zu sorgen, wenn es einmal nötig würde. Heute würde ein Kind in einer Pflegefamilie platziert, sollte der Flieger mit den Eltern, die mal ohne Kind Urlaub machen wollten, abstürzen. Und dennoch ist es für mich eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe geblieben, die man nicht unüberlegt einfach jemandem anvertraut. Schliesslich geht es darum, eine weitere Bezugsperson fürs Kind zu engagieren. Jemand, dem der picklige Teenie vom ersten missratenen Date erzählen kann, wenn der Zuhörer ein Erwachsener sein soll, aber bitte nicht die Mutti.
Darum würde ich Ihnen zur klaren Ansage in Form einer deutlichen Absage raten. Sagen Sie der Bekannten, dass Sie nicht imstande sind, eine so weitreichende Verpflichtung anzunehmen. Sie dürfen dafür gerne einen weit schweifenden Vortrag halten über die Ernsthaftigkeit dieser Aufgabe und wie sehr ihr eigener Götti, der Ihnen 18 Jahre lang Seifenblasenflüssigkeit schenkte, versagt hat. Ein kleines Trauma Ihrerseits macht Sie weniger attraktiv für werdende Mütter. Meinetwegen dürfen Sie sogar ein paar imaginäre Gottenkinder vorschieben, die bereits Ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Die meisten Menschen tun sowieso schon viel zu viel aus Höflichkeit und weil es so schampar schwierig ist, eine nett formulierte Anfrage abzusagen. Hier geht es aber um ein Kind, dass jemanden verdient hat, der ehrlich und aufrichtig an ihm interessiert ist. Das sind Sie nicht. Und das ist auch vollkommen ok so.
Mit herzlichem Gruss! Ihre Kafi.
P.S. Mich sollte man übrigens auch nicht mehr anfragen. Ich habe bereits zwei goldige Gottemeitli und leide noch immer unter dem Trauma, dass mir mein Patenonkel angetan hat, der mir bis zur Volljährigkeit (und darüber hinaus) ausschliesslich Seifenblasenflüssigkeit zu Geburtstag und Weihnachten geschenkt hat.