Frankreichs Präsident François Hollande hofft auf einen Befreiungsschlag: Die Regierung samt seinem getreuen Premierminister Jean-Marc Ayrault tauscht der sozialistische Staatschef - nach langem Zögern - aus. Das Debakel für die Linke bei den Kommunalwahlen liess Hollande keinen anderen Ausweg mehr.
Der als führungsstarkes Kommunikationstalent geltende Innenminister Manuel Valls soll nun als Regierungschef einen Neustart für den angeschlagenen Präsidenten schaffen. Doch selbst diese radikale Lösung wird Hollande allein nicht den erhofften Umschwung bringen.
Das Ausmass der Niederlage für die Sozialisten bei den Kommunalwahlen hatte am Sonntag alle Erwartungen übertroffen: Mindestens 155 Städte mit einer Grösse von mehr als 9000 Einwohnern gingen an die Rechte verloren.
Schockiert verfolgte die Regierungsmehrheit, dass Grossstädte wie Toulouse im Süden von der konservativen UMP übernommen wurden. Selbst sicher geglaubte Bastionen wie Limoges mit über 100'000 Einwohnen in Zentralfrankreich - seit 1912 links regiert - fielen an die Konservativen.
Während Hollande zwar aus dem Debakel «Lehren ziehen», aber dennoch «Kurs halten» will, forderten die sozialistische Parteilinken und Grünen am Montag lautstark eine Politikwende. Die an der Regierung beteiligten Grünen, die gestärkt aus der Kommunalwahl hervorgingen, kündigten an, dass es für Hollandes «Verantwortungspakt», der Milliarden-Entlastungen für Unternehmer bringen soll, keine Mehrheit im Parlament geben werde. «Ich sage Stopp zum Verantwortungspakt», verkündete der führende Grüne Jean-Vincent Placé.
Der erste landesweite Stimmungstest für Hollande seit seinem Amtsantritt im Mai 2012 «war eine wirkliche Katastrophe», stellte Meinungsforscher Frédéric Dabi vom Ifop-Institut fest. In der französischen Presse waren sich die Kommentatoren einig: Die Einstufungen reichten von «Debakel», «Ohrfeige», «Strafe» bis hin zu «Tritt in den Hintern» für die Sozialisten.
Schon nach den Verlusten in der ersten Runde der Kommunalwahlen vor über einer Woche hatte Hollandes Umfeld eingeräumt, dass sich die Regierung stärker an ihre Versprechen von 2012 halten müsse: «Es gibt ein Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit.» Dass sich die linken Wähler nicht mit der Ankündigung von Entlastungen für Unternehmer und geplanten Einsparungen in Höhe von 50 Milliarden Euro locken lassen, erkannten neuerdings auch Spitzen-Sozialisten.
Für genau diese Politik stehen aber Hollande und sein nun zurückgetretener Premierminister Jean-Marc Ayrault, der wie der Staatschef in Umfragen seit Monaten von einem Zustimmungsloch ins nächste fällt.
Doch auch der neue Regierungschef Valls wird diese Linie vertreten müssen, schon allein wegen der Auflagen der EU, die dem hoch verschuldeten Frankreich noch einmal eine Gnadenfrist zur Einhaltung der Defizitgrenze von drei Prozent eingeräumt hat. Geplant ist wohl, die unpopulären Massnahmen durch eine sozialere Komponente zu ergänzen, etwa durch eine Entlastung der Haushalte bei Steuern oder Abgaben.
Der zum rechten Parteiflügel zählende Valls hat jedoch alles andere als ein soziales Profil aufzuweisen. Vielmehr ist der Umfrage-Liebling der Franzosen gerade bei Linken und Grünen verhasst. Als Konsequenz aus seiner angekündigten Ernennung wurde bereits bekannt, dass die grüne Führungsfigur Cécile Duflot, die bisher Wohnungsbauministerin war, dem neuen Kabinett nicht mehr angehören werde.
All die Strömungen der linken Regierungsmehrheit angesichts der noch im April anstehenden Herkules-Aufgaben bei Finanzen, Haushalt, Wachstum und Jobs unter einen Hut zu bringen, dürfte auf die Schnelle kaum gelingen. Und so zeichnet sich bereits das nächste Debakel für die Sozialisten ab: die Europawahlen im Mai, bei denen die rechtsextreme Front National (FN) nach ihren spektakulären Erfolgen bei der Kommunalwahl stärkste politische Partei Frankreichs werden könnte.
(sda/afp)