Paukenschlag im politischen Frankreich: Nach einem ganztägigen Polizeiverhör ist gegen den früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy in der Nacht ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Einflussnahme auf die Justiz eröffnet worden.
Dem Ex-Staatschef wurde dies in den frühen Morgenstunden am Mittwoch von einem Ermittlungsrichter mitgeteilt. Zuvor war Sarkozy festgenommen und bis Mitternacht von der Polizei festgehalten und verhört worden. Das Gericht konnte Sarkozy kurz vor 02 Uhr wieder verlassen.
Die Ermittlungen kommen zu einem Zeitpunkt, da heftig über ein Comeback des konservativen Politikers spekuliert wurde. Die Rückkehr des 59-Jährigen in die Politik dürfte nun erschwert sein.
Die Staatsanwaltschaft teilte mit, der Vorwurf gegen den konservativen Politiker laute auf illegale Einflussnahme auf die Justiz, Korruption und auf Vorteilsnahme durch den Bruch amtlicher Geheimnisse.
Die Justiz geht dem Verdacht nach, dass Sarkozy zusammen mit seinem bereits am Montag in Polizeigewahrsam genommenen Anwalt Thierry Herzog versucht haben könnte, sich illegal Informationen aus einem laufenden Gerichtsverfahren zu beschaffen. Im Gegenzug soll der Ex-Präsident versprochen haben, dem leitenden Staatsanwalt beim Kassationsgerichtshof, Gilbert Azibert, einen Posten in Monaco zu beschaffen.
Sowohl gegen Herzog als auch gegen Azibert wurden ebenfalls formelle Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie am Dienstagabend bekannt wurde. Herzog wird unter anderem Korruption und unerlaubte Einflussnahme vorgeworfen, Azibert Bestechlichkeit und unerlaubte Einflussnahme.
Auf die Vorgänge waren die Ermittler gestossen, als sie im Zusammenhang mit einer anderen Affäre um Sarkozy dessen Telefon abhören liessen. Ende Februar wurden dann Ermittlungen wegen Bestechung und Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses eingeleitet.
In dem Verfahren am Kassationsgerichtshof, das Sarkozy angeblich beeinflussen wollte, ging es um seine Terminplaner, die im Zuge von Ermittlungen zu einer weiteren Affäre beschlagnahmt worden waren. Sarkozy wollte die Kalender zurück, doch am Ende entschied der Kassationsgerichtshof im März, dass er darüber nicht befinden könne.
Nun darf die französische Justiz die Terminplaner weiterhin auswerten, die Sarkozy auch in anderen Affären gefährlich werden könnten. So untersucht die Justiz den dubiosen staatlichen Schadenersatz in Millionenhöhe für Unternehmer Bernard Tapie, der Sarkozys Wahlkampf 2007 unterstützt hatte.
Im politischen Umfeld des Politikers laufen mehr als ein halbes Dutzend Verfahren. Sarkozy war zuletzt in seiner eigenen Partei UMP schwer unter Druck geraten. Dabei ging es um die Finanzierung seines – verlorenen – Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2012. Sarkozy soll das gesetzlich vorgegebene Limit dafür um Millionen Euro überschritten und dies verdeckt über die Partei finanziert haben.
Die Affäre kostete Parteichef Jean-François Copé Ende Mai den Posten. Nun soll im Herbst ein neuer Parteivorsitzender gewählt werden. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Sarkozy antritt. Die führenden UMP-Politiker wollten am Dienstag keine Stellungnahme zur Verteidigung Sarkozys abgeben.
Im Zusammenhang mit dem Vorwurf illegaler Wahlkampffinanzierung war bereits einmal ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den Politiker eingeleitet worden. Sarkozy wurde vorgeworfen, der L'Oréal-Milliardärin Liliane Bettencourt illegale Spenden aus der Tasche gezogen zu haben. Im Oktober 2013 liessen die Untersuchungsrichter jedoch die Vorwürfe gegen Sarkozy fallen, der einem Prozess entging.
Sarkozy war von 2007 bis 2012 Staatschef in Frankreich. Einflussreiche UMP-Politiker plädieren für eine erneute Spitzenkandidatur des Ex-Präsidenten bei der nächsten Präsidentenwahl. Dessen Anhänger wittern in den Ermittlungen eine politische Kampagne, um ein Comeback Sarkozys zu hintertreiben.
Der Untersuchungsrichter geht offenbar davon aus, Sarkozy die Vergehen nachweisen zu können: Um ein förmliches Ermittlungsverfahren in Frankreich einleiten zu können, müssen belastbare Hinweise auf die Verwicklung des Verdächtigen in eine Straftat vorliegen. Sarkozy bestreitet alle Vorwürfe. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. (rey/sda/reu/afp/dpa)