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Zander aus dem Schweinestall

Fischzucht
Zander-Fischzuchtanlage in Luzern – ein willkommener Nebenerwerb für Landwirte.Bild:srf
Fischzucht: den Landwirten fehlt das Know-how

Zander aus dem Schweinestall

Bauern wird ein neuer Nebenerwerb versprochen: Sie sollen nebenbei auch Edelfische züchten. Doch dazu fehlt ihnen das Know-how.
16.09.2014, 11:1511.11.2020, 12:31
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Billo heinzpeter studer / infosperber
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Im Kanton Luzern sind bereits zwei Schweinezüchter in die Zander-Produktion eingestiegen. In ihren Ställen haben sie Fischzucht-Anlagen gebaut, die aus mehreren Bassins bestehen. Dort drehen die Zander ein Jahr lang ihre Runden, bis sie schlachtreif sind.

In einem kurzen Filmbeitrag berichtete SRF in der Sendung «Schweiz aktuell» über den neuen Erwerbszweig für Landwirte. Die Fischzucht im Schweinestall mag für manche Bauern ein willkommener Nebenerwerb sein, aus Sicht des Tierschutzes wirft die Zander-Produktion jedoch Fragen auf.

Lücken in der Verhaltensforschung

Bauern sind in manchen Dingen ausgebildet, unter anderem in der Haltung und Mast von Landtieren. Für die Haltung von Wassertieren wurden sie im Laufe ihrer Ausbildung nie geschult. Der in der Schweiz obligatorische Kurs für Fischhalter ist – zumindest bis jetzt – eher eine Schnellbleiche.

Wer Tieren gerecht werden will, muss wissen, was ihrer Art eigen ist. Was wissen Bauern von den natürlichen Bedürfnissen einer bestimmten Fischart? Gar nichts – wie sollten sie auch: Sogar professionelle Fischzüchter wissen das eigentlich nicht. Denn die dafür zuständige Wissenschaft, die Verhaltensbiologie, hat über Fische bis heute wenig geforscht.

Die Fischzucht-Industrie wächst seit Jahrzehnten um bis zu neun Prozent jährlich. Doch noch immer fehlen Studien über das Verhalten von Fischen, vor allem in deren natürlichen Lebensraum. Solche Studien vermisst man sogar bei sehr häufig gezüchteten Arten wie zum Beispiel den Buntbarschen. Wie kann ein Züchter wissen, ob es seinen Fischen gut geht, wenn nicht bekannt ist, was diese Fische bräuchten, damit sie ihrer Art und ihren Bedürnfisse gemäss leben können?

Fischzucht
Die Fischzucht-Industrie wächst jährlich bis zu neun Prozent – jetzt wollen auch Bauern einsteigen.Bild:srf

Kaum Vorgaben für Fischzuchten

Die Bewilligung von Fischzuchten in der Schweiz gleicht der Fahrt auf der Autobahn mit verbundenen Augen. Das zuständige Bundesamt kümmert sich seit jeher kaum um die Fische. Selbst nach dem Skandal um die rechtswidrige Schlachtung in der Wels-Fabrik «Melander» im Jahr 2009 fühlte sich das Bundesamt nicht bemüssigt, endlich in Sachen Fischwohl tätig zu werden. Die Beamten argumentierten damals gegenüber dem Verein fair-fish, sie hätten schon alle Hände voll zu tun mit beissenden Hunden und dem Auslauf von Rindvieh. In Köpfen gezählt sind Fische aber das häufigste in der Schweiz gehaltene Tier!

Die seit 2008 geltende Tierschutzverordnung nennt für die Zucht und die Haltung von Fischen nur ein paar magere und large Vorschriften. Einzig für Forellen- und Karpfenartige enthält die Verordnung halbwegs genauere Bestimmungen. Für alle anderen Arten, die in der Schweiz gezüchtet werden, gibt es keine besonderen Vorschriften – auch nicht für Zander.

Fischzucht
Forschungen im Bereich Tierschutz bei Zandern fehlen bis jetzt weitgehend.Bild:srf

Fisch ist Fisch – Irrtum!

Die einzelnen Fischarten sind in ihrer Biologie, in ihrem Verhalten und in ihren Bedürfnissen sehr verschieden. Was für eine Forelle passen mag, muss dem Zander überhaupt nicht frommen. Auf welcher Grundlage die Luzerner Schweinezüchter und die zuständigen Vollzugsbehörden eine tierschutzkonforme Zucht von Zander bewerkstelligen wollen, bleibt vollkommen schleierhaft.

Der Raubfisch Zander lebt vorzugsweise in der Tiefe von ruhigen oder langsam fliessenden Gewässern. In den untiefen Rundstrombecken bei Entlebucher Bauern müssen die Zander im Schwarm auf engem Raum leben, sind einer stetigen Strömung ausgesetzt und dadurch immer in Bewegung. Ob die Fische das wollen? Das müsste erst erforscht werden. Und erst aufgrund solcher Forschung dürften Anlagen für die Fischzucht überhaupt bewilligt werden.

fair-fish erarbeitet Grundlagen

Um herauszufinden, welche Haltung einer Fischart gerecht wird, recherchiert der Verein fair-fish international nach verstreuten ethologischen Erkenntnisses über Fische und fasst sie in einer Datenbank zusammen. Auf dieser wissenschaftlichen Basis entwickelt fair-fish konkrete Empfehlungen, wie Züchter das Wohl der Fische verbessern können – und macht deutlich, wo weitere Forschung nötig ist. Gleichzeitig bereitet der Verein fair-fish Schweiz eine Kampagne für Tierschutz in Fischzuchten vor und ist bereit, zusammen mit Fischzüchtern Richtlinien für artgerechte Fischhaltung zu entwickeln.

Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors: Der Autor ist Präsident von fair-fish international, Co-Präsident von fair-fish Schweiz und Beirat von Friend of the Sea.

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